Foto: Ilya/AdobeStock

Management

Alkohol am Arbeitsplatz

Wie Apotheken mit diesem Tabu umgehen können

Alkoholkonsum ist in unserer Gesellschaft weitverbreitet. Leichte Verfügbarkeit und gesellschaftliche Akzeptanz bieten den Nährboden dafür. Die gesundheitlichen Schäden werden häufig unterschätzt. Probleme entstehen jedoch nicht nur im Privaten, sondern auch am Arbeitsplatz. Welche Regeln gelten dort? Wie reagieren auf alkoholisierte Mitarbeiter oder bei Verdacht auf Alkoholmissbrauch? Was geht, was nicht?

Das Thema Alkoholkonsum in der Arbeitswelt ist brisant. Auch in Apotheken kann sich aus dieser Problematik ein Konflikt ergeben. Kann Alkohol am Arbeitsplatz toleriert werden? Oder ist Alkoholkonsum vollkommen zu verdammen? Was ist dann mit einem geselligen Zusammensein nach Feierabend in den Betriebsräumen oder mit dem Anstoßen anlässlich eines Geburtstags oder Jubiläums – womöglich auch während der Arbeitszeit? Das sind Fragen, denen sich Arbeitgeber und letztlich das gesamte Team stellen müssen. Ebenso stellt sich die Frage, wie Kollegen begegnet werden soll, die es mit dem Feierabendbier übertreiben und am nächsten Tag mit Alkoholfahne und mutmaßlich immer noch unter Alkoholeinfluss stehend am Arbeitsplatz erscheinen. Noch problematischer ist der Umgang mit Suchtproblemen im eigenen Betrieb. Was ist rechtlich zu beachten? Wie kann ein sicherer Betriebsablauf unter Wahrung des Betriebsfriedens gewährleistet werden?

Eine gewisse Bagatellisierung der Auswirkungen des Alkoholkonsums – und Unterschätzung vor allem des eigenen Trinkverhaltens – ist immer wieder zu beobachten. Dabei passt es einfach nicht zusammen: Alkohol am Arbeitsplatz. Eine gesteigerte Unfallgefahr und eine verminderte Arbeits­leistung sind einige der Folgen. Doch gerade auch die Arbeit in der Apotheke erfordert die ganze Aufmerksamkeit, und diese ist unter Alkoholeinfluss nicht vollumfänglich vorhanden.

Zwischen Genuss und Rausch

Alkohol gilt in der westlichen Welt als allgemein anerkanntes Genuss- und Nahrungsmittel mit jahrtausendealter Tradition. Bier und Wein sind Teil des deutschen Kulturgutes. Mehr als 1500 Brauereien gibt es allein in Deutschland. In den letzten Jahren (2012 – 2020) wurden statistisch pro Kopf jährlich über 101 Liter Bier getrunken. Eine steigende Tendenz gibt es dabei im Segment der alkoholfreien Biere (Angaben Deutscher Brauer-Bund). Auch Wein ist sehr beliebt und hat eine lange Tradition. Im Jahr 2020 gab es 11.000 für die Vermarktung produzierende Weinbaubetriebe in Deutschland. Pro Kopf werden durchschnittlich im Jahr mehr als 20 Liter Wein konsumiert (Angaben Statista).

Alkohol beziehungsweise Ethanol ist ein Zellgift und Rauschmittel mit erheblichen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus. Aufgenommen wird er nach dem Trinken über die Schleimhäute von Mund, Magen und vor allem Dünndarm. Ins Blut gelangt, wird er in den ganzen Körper transportiert. Im Gehirn laufen dann verschie­dene Prozesse ab wie unter anderem eine gesteigerte Endomorphin- und Dopaminausschüttung, die zu einer vorübergehenden Hebung der Stimmungslage führt. Auch Angst und Verunsicherung werden eventuell vermindert empfunden. Insgesamt beeinflusst Alkohol verschiedenste Botenstoffe, was zu ganz unterschiedlichen Effekten führt. So werden das Reaktionsvermögen und die Wahrnehmung gedämpft. Gleichzeitig wird das Belohnungssystem beeinflusst – ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Sucht. Zudem kann es bei regelmäßigem Alkoholkonsum zu einer Konditionierung kommen. Schon der Geruch von Alkohol kann dann reichen, das Verlangen nach dessen Konsum auszulösen. Mit der Zeit entwickelt sich eine Toleranz, die dazu führt, dass eine immer höhere Dosis gebraucht wird, um den gleichen Effekt zu erzielen.

WHO: „Es gibt keinen unschädlichen Alkoholkonsum!“

Alkohol ist unter anderem durch sein Suchtpotenzial als bedenklich einzustufen. Gleichzeitig schätzen viele Menschen ihr eigenes Konsumverhalten als unproblematisch ein. Das stimmt jedoch häufig nicht und ist vielmehr eine Wahrnehmungsverzerrung. Dabei ist laut dem Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO/Europa) der Alkoholkonsum in der Welt sehr unterschiedlich verteilt. Nur etwa die Hälfte der Weltbevölkerung trinkt überhaupt Alkohol, Europa ist die WHO-Region mit den prozentual höchsten Raten an Alkoholschäden in der Welt. Maßnahmen zur allmählichen Reduktion des Alkoholkonsums haben laut WHO/Europa insbesondere in den westeuropäischen Ländern nur sehr geringen bis gar keinen Erfolg gezeigt.

Die Frage nach einem unschäd­lichen Alkoholkonsum ist nicht einfach zu beantworten. Zu groß sind die Auswirkungen von Alkohol auf den Körper. Dennoch gibt beispielsweise die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen Grenzwerte an: 12 g bei Frauen und 24 g bei Männern (reiner Alkohol/Tag). Der Konsum innerhalb dieser Grenzen sei als „risikoarm“ einzustufen, jedoch nur in Ver­bindung mit zwei Tagen pro Woche, an denen gar kein Alkohol getrunken wird.

Die WHO weist allerdings darauf hin, dass es keinen wirklich unschädlichen Alkoholkonsum gibt. Lediglich von einem Niveau mit geringerem Risiko könne gesprochen werden, unschädlich für die Gesundheit sei nur der vollständige Verzicht. Alkoholkonsum wiederum sei mit mehr als 200 Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Krebs) und Verletzungen in Verbindung zu bringen. Ungefähr eine Millionen Tote jährlich durch Alkohol allein in der europäischen Region gibt die WHO an. Die gesundheitlichen Folgen für den Einzelnen könnten insbesondere im Falle von Sucht oder Alkoholmissbrauch – und dieser tritt früher ein, als es viele wissen – erheblich sein. Aber auch die gesellschaft­lichen Gesamtschäden seien zu beachten.

Was geht? Was geht nicht?

Alkohol verursacht nicht nur im Privaten große Probleme, auch im Arbeitsleben ergeben sich negative Auswirkungen. Diese sind sogar größer als durch alle anderen Suchtmittel. Der Grund dafür ist, dass Alkohol leicht verfügbar und allgemein in Europa gesellschaftlich anerkannt ist. Probleme durch den Konsum werden hingegen häufig ignoriert oder kleingeredet.

Welche Regeln für Alkoholkonsum am Arbeitsplatz gibt es? Das kommt unter anderem auf den Arbeitsplatz und auf dementsprechende betriebliche Vereinbarungen an. Ein grundsätzliches und absolutes Verbot gibt es nicht. Jedoch gibt es vieles, was gegen ein Arbeiten unter dem Einfluss von Alkohol spricht. Dazu zählt selbstverständlich ebenfalls der Restalkohol vom Vortag. Auch in Apotheken sollten deshalb Standards umgesetzt werden, die Alkohol vom Arbeitsplatz bannen.

1. Es existiert kein Gesetz, das explizit Alkohol am Arbeitsplatz verbietet.

2. ABER: Der Arbeitnehmer stellt dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung und muss seine arbeitsvertraglich festgelegten Pflichten erfüllen (geregelt im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 611ff. BGB). Kann er das aufgrund von Alkoholkonsum nicht, liegt ein Verstoß vor, der zu einer Abmahnung und bei Wiederholung auch zu einer Kündigung (verhaltensbedingte Kündigung) führen kann.

3. Ferner ist zu beachten, dass Alkoholkonsum nicht nur die Arbeitsleistung mindern, sondern auch vermehrt zu Unfällen führen kann. Das gilt in der Apotheke beispielsweise im Umgang mit Gefahrstoffen. Arbeitgeber sind aufgrund der Unfallverhütungsvorschriften (§7 GUV-V A1) dazu verpflichtet, alkoholisierte Mit­arbeiter aus diesen Gründen bei einer entsprechenden Gefährdung zum Verlassen des Arbeitsplatzes aufzufordern, gegebenenfalls sogar für deren sicheren Heimweg zu sorgen. Die Ereignisse sollten schriftlich dokumentiert werden.

4. Arbeitnehmer wiederum sind durch das Arbeitsschutzgesetz (§15 GUV-V1) dazu verpflichtet, sich „durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand (zu) versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können“. Arbeitsunfälle unter Einfluss von Alkohol können für Arbeitnehmer zu straf-, arbeits- und zivilrechtlichen Konsequenzen führen (Versicherungsschutz, Haftung, Lohnzahlung).

5. Der Konsum von Alkohol kann zudem durch eine betriebliche Vereinbarung explizit ausgeschlossen beziehungsweise ver­boten sein.

6. Das Miteinander im Betrieb beinhaltet auch besondere Situa­tionen wie Geburtstage oder Jubiläen. Häufig wird aus diesen Anlässen mit Alkohol angestoßen. Dies sollte jedoch höchstens außerhalb der Arbeitszeit geschehen – erst Recht, wenn die Art der Tätigkeit oder auch eine betriebliche Vereinbarung den Konsum von Alkohol grundsätzlich verbieten.

7. Arbeitgeber sollten mit gutem Beispiel ihren Mitarbeitern gegenüber vorangehen. Auch für sie gilt: Alkohol am Arbeitsplatz sollte ein Tabu sein!

Aktionswoche Alkohol: 14. bis 22. Mai 2022

Ein interessantes Angebot zum Thema Alkohol – inklusive seiner Auswirkungen auf die Arbeitswelt – ist die Aktionswoche Alkohol (AWA), die vom 14. bis 22. Mai 2022 stattfindet. Hier werden unter anderem Alkohol und seine Auswirkungen auf den Körper, das Erkennen und Einschätzen des eigenen Trinkverhaltens, Alkohol in der Arbeitswelt und der Umgang mit Suchtproblematiken thematisiert. Auch Apotheken können sich mit Aktionen einbringen – Materialien können noch kurzfristig bestellt werden (s. u.).

Die AWA wird seit 2007 unter dem Motto „Alkohol? Weniger ist besser!“ abgehalten. Unter der Schirmherrschaft des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert wird die Problematik des Alkoholkonsums und seiner Folgen mit dem diesjährigen Schwerpunkt „Sucht-Selbsthilfe“ in einem vielfältigen Veranstaltungsangebot behandelt. Unter Beteiligung von einerseits Selbsthilfegruppen sowie Fachleuten aus Beratungsstellen, Fachkliniken und der Suchtprävention und andererseits unterschiedlichsten Betrieben, Hochschulen, Verwaltungen, Arztpraxen und Apotheken werden Angebote sowohl vor Ort als auch online gemacht. Die Veranstaltungsorte und Veranstaltungsformate sind vielfältig. Informationen über die AWA 2022 können auf www.aktionswoche-alkohol.de nachgelesen werden.

Alkoholkranke Mitarbeiter – was tun?

Grundsätzlich sollte der Arbeitgeber beziehungsweise Vorgesetzte ein vertrauensvolles Gespräch mit Mitarbeitern führen, wenn sie z. B. häufiger mit einer Alkoholfahne am Arbeitsplatz erscheinen. Gemeinsam kann dann nach einer Lösung für ein eventuelles Problem gesucht werden. Auch allgemeine Suchtpräventionsprogramme können zum Tragen kommen.

Einen besonderen Fall stellt der alkoholkranke Mitarbeiter dar. Da Alkoholismus eine Krankheit ist, ist nicht von einem schuldhaften Verhalten des Mitarbeiters auszugehen. Das hat Konsequenzen für viele Fragen rund um das Thema. Auch hier sollte zunächst das Gespräch mit dem Betroffenen gesucht und die Möglichkeit einer Entziehungskur angesprochen werden. Diese Möglichkeit muss der Arbeitgeber dem Betroffenen auch einräumen. In den ersten sechs Wochen seines Arbeitsausfalles steht ihm dann weiterhin sein Lohn zu – wie bei jeder anderen Krankheit auch.

Eine Abmahnung zu erteilen, ist im Falle einer Alkoholkrankheit recht schwierig, da davon auszu­gehen ist, dass der Betroffene sein Verhalten nicht ohne Weiteres willentlich steuern kann. Dennoch kann es letztlich zu einer Kündigung aus personenbedingten Gründen kommen. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch eng gefasst. Einer der Gründe für eine solche Kündigung könnte die Weigerung des alkoholkranken Mitarbeiters sein, eine Therapie zu beginnen. |

Inken Rutz, Apothekerin und freie Journalistin

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.