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Gesundheitspolitik
Gericht billigt OTC-Muster für Apotheken
OLG Frankfurt: Gratis-Tube Schmerzgel zu Erprobungszwecken war doch zulässig
Im Sommer 2013 bemerkte die Firma Novartis, die seinerzeit das Voltaren Schmerzgel vertrieben hat, dass Außendienstmitarbeiter ihres Wettbewerbers Ratiopharm 100-g-Packungen des Diclo-ratiopharm-Schmerzgels an Apotheken abgaben – und zwar kostenlos. Die Packungen waren mit der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ versehen. Das hielt Novartis für unzulässig, weil § 47 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) die kostenlose Abgabe von Arzneimittelmustern an Apotheker nicht gestatte. Tatsächlich sind diese hier nicht ausdrücklich als potenzielle Empfänger von Gratismustern genannt – anders als etwa Ärzte und Zahnärzte. Neben dem Verstoß gegen das Arzneimittelrecht sah Novartis auch einen solchen gegen das Heilmittelwerberecht.
Novartis ging zunächst im Eilverfahren und dann im Hauptsacheverfahren gegen Ratiopharm vor. Erst einmal mit Erfolg – auch beim Oberlandesgericht Frankfurt. Ratiopharm wurde das Vorgehen untersagt, da ein wettbewerbsrechtlich unlauterer Verstoß gegen § 47 Abs. 3 AMG vorliege.
Auf die Revision von Ratiopharm war jedoch der Bundesgerichtshof am Zug. Und der rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Die Karlsruher Richter wollten von ihren Luxemburger Kollegen wissen, ob denn der Gemeinschaftskodex die Abgabe kostenloser Arzneimittelmuster an Apotheker erlaube – und falls ja, ob er dann den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, diese Abgabe zu verbieten.
Im Jahr 2020 entschied der EuGH: Zwar lasse auch der Gemeinschaftskodex nur Muster an Ärzte und Ärztinnen zu. Aber die besagte EU-Richtlinie stehe einer nationalen Regelung, die Gratismuster an Apotheken erlaubt, damit diese sich mit neuen Präparaten vertraut machen können, nicht entgegen. Anders sehe es nur bei Rx-Arzneimitteln aus.
Sodann landete die Sache erneut vor dem Bundesgerichtshof. Und der entschied im Dezember 2020, den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Zwar hob er das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt auf, weil sich dieses „weder mit der gegebenen Begründung noch aus anderen Gründen als richtig“ erweise. Allerdings seien noch Feststellungen zu treffen, um die Sache spruchreif zu machen. Das Oberlandesgericht musste sich noch mit einem etwaigen Verstoß gegen das Zugabeverbot in § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) auseinandersetzen.
Kein Verstoß gegen das Zugabeverbot
Dies ist nun geschehen – und Novartis hat nach all den Jahren vor diversen Gerichten das Nachsehen. In einer Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt heißt es, die Abgabe des Arzneimittels zu Demonstrationszwecken verstoße gemäß der Auslegung des EuGH nicht gegen § 47 Abs. 3 AMG. Es liege aber auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG vor. Diese Norm verbietet, „Zuwendungen und sonstige Werbegaben (…) anzubieten oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich (...) um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt“.
Im vorliegenden Fall sei von einer Zuwendung von geringem Wert auszugehen, so das Oberlandesgericht. Die Außendienstmitarbeiter hätten den Apotheken jeweils nur ein einzelnes Exemplar des Demonstrationsprodukts im Wert von 5,34 Euro überlassen. Doch durch den Aufdruck „zu Demonstrationszwecken“ sei sein Wert gegenüber dem handelsüblichen Original geringer. Die überwiegend geöffnet übergebenen Packungen überschritten jedenfalls nicht die 1-Euro-Grenze, so das Gericht in einer Pressemitteilung.
Erkennbar nur zur Eigenerprobung
Es habe auch nicht die Gefahr bestanden, dass die Apotheken die Packung an ihre Kunden weitergeben. Auch seien die Apotheker nicht unsachlich beeinflusst worden. Vielmehr habe das Gratismuster „zu Demonstrationszwecken“ erkennbar der Eigenerprobung gedient. Apotheker hätten gewöhnlich kein nennenswertes Interesse, nur einem einzelnen Kunden ein Probeexemplar überlassen zu können. „Eine für den Betrieb wirtschaftlich interessante Kundenbindung lässt sich so nicht aufbauen“, stellt das Oberlandesgericht fest. Ratiopharm hatte in dem Verfahren erklärt, es sei dem Unternehmen nur darum gegangen, den Apothekern Konsistenz und Geruch des Produkts vorzuführen. Dies habe Novartis nicht widerlegen können.
Noch nicht rechtskräftig
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Novartis kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren. Allerdings hatte auch der Bundesgerichtshof schon durchscheinen lassen, dass er es wohl nicht kritisch sieht, wenn Apotheker nur eine einzelne Tube eines Schmerzgels bekommen, um dieses selbst einmal ausprobieren zu können. |
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