Foto: Xaver Klaussner/AdobeStock

Rezeptur

Kristallwachstum als ein (un-)vermeidbares Übel?

Wie die Verarbeitung von Metronidazol in Rührsystemen optimiert werden kann

Metronidazol gehört zu den am häufigsten verordneten Rezeptursubstanzen – und sorgt dennoch oft für Kopfzerbrechen. So wird in verschiedener Literatur immer wieder empfohlen, Metronidazol aufgrund der Wärmeentwicklung nicht in automatischen Rührsystemen zu verarbeiten, da es beim Abkühlen der Zubereitung zu Kristallwachstum kommen kann. Um diesem Phänomen näher auf den Grund zu gehen, wurde im Rahmen einer Stabilitätsstudie die Haltbarkeit von Metronidazol in verschiedenen Grundlagen sowie nach Herstellung mit automatischen Rührsystemen untersucht. | Von Duc Son Nguyen 

Metronidazol stellt seit Jahren die Standardtherapie in der lokalen Behandlung der Rosazea dar [1]. Im Rahmen der Rezepturverordnung wird es in topische Grundlagen einge­arbeitet. Dabei werden mitunter höhere Konzentrationen als in Fertigarzneimitteln eingesetzt. Des Weiteren wird der Wirkstoff auch in nicht-offizinellen Grundlagen, wie Kosmetika, verarbeitet [2]. Der Einfluss der Grundlage auf die chemische und physikalische Stabilität von Metronidazol ist dabei ohne entsprechende Untersuchung oft schlecht einzuschätzen. Als Stabilitätsprobleme nennt das DAC/NRF die Bildung von Pulvernestern und Agglomeraten sowie die Kristallisation des Wirkstoffs [3]. Durch den Einsatz standardisierter Rezepturen sollen diese Risiken vermieden werden. Im DAC/NRF sind dazu eine hydrophile Metronidazol-Creme 1%/2% (NRF 11.91.) sowie ein Hydrophiles Metronidazol-Gel 0,75% (NRF 11.65.) monographiert [3].

Diese Auswahl an Metronidazol-Rezepturen im DAC/NRF deckt die ärztliche Verordnungspraxis jedoch nur zum Teil ab, da Metronidazol häufig auch in anderen Grundlagen rezeptiert wird. In der vorliegenden Stabilitätsstudie wurde daher Metronidazol in anderen, praxisrelevanten Grund­lagen untersucht. Ihre Auswahl stützt sich auf Statistiken zur tatsächlichen Rezepturverordnung, die mithilfe des Dr. Lennartz Laborprogramms für Apotheken erhoben wurden. Untersucht wurden Herstellungen mit sieben apothekenüblichen Grundlagen (s. Tab.).

 

Tab. 1: Stabilität von Metronidazol-Zubereitungen in Abhängigkeit von den Lagerungs­bedingungen
Wirkstoff
Grundlage
überprüfte Stabilität bei
25 °C / 60% relative Feuchte
30 °C / 65% relative Feuchte
1% bzw. 2% Metronidazol
Basiscreme DAC
12 Monate
12 Monate
anionische hydrophile Creme DAB
12 Monate
12 Monate
anionische hydrophile Creme mit Propylenglykol
12 Monate
12 Monate
nichtionisches wasserhaltiges Liniment DAC NRF S.39
12 Monate
12 Monate
Asche Basis® Creme
12 Monate
6 Monate
Linola® Creme
12 Monate
9 Monate
Wolff® Basiscreme
12 Monate
6 Monate für 1%
12 Monate für 2%

Herstellung als Stolperstein

Bei der Verarbeitung von Metronidazol wird vor der temperatur- und konzentrationsabhängigen Löslichkeit des Wirkstoffs gewarnt. Während der Wirkstoff in Cremes bis zu einem Anteil von 1% noch vorwiegend gelöst ist, liegt er bei höheren Konzentrationen zumindest teilweise suspendiert vor [3]. Insbesondere bei Einsatz von automatischen Rührsystemen muss eine übermäßige Erwärmung durch hochtouriges Rühren vermieden werden, um eine Rekristallisation des Wirkstoffs nach der Herstellung zu verhindern [4]. In der Praxis bedeutet das im Zweifelsfall die Herstellung mit Fantaschale und Pistill.

Im Rahmen unserer Untersuchung wurden alle Zubereitungen – im Widerspruch zur bekannten Wärmeproblematik – in 900-g-Ansätzen mithilfe des Topitec® touch Defektur-Systems hergestellt. Dafür wurden in Voruntersuchungen die am besten geeigneten Herstellparameter hinsichtlich der gleichmäßigen Verteilung des Wirkstoffs sowie der Temperaturentwicklung ermittelt. Die Rührgeschwindigkeit wurde auf 600 U/Minute begrenzt und die Rührdauer auf 55 Minuten angepasst. Als akzeptable Erwärmung infolge der Herstellung wurde eine Erhöhung der Temperatur um maximal 10 °C gegenüber der jeweiligen Ausgangstemperatur der Grundlage festgelegt. Das Zentrallabor hatte in früheren Versuchen bereits gezeigt, dass eine Temperaturschwankung von 15 °C zu deutlichem Kristallwachstum führt [5]. Um eine apotheken- und alltagsnahe Rezepturpraxis abzubilden, wurde stets bei Raumtemperaturen zwischen 20 bis 25 °C ohne vorgekühlte Grundlage gearbeitet. Des Weiteren wurde ausschließlich mikronisierter Wirkstoff verarbeitet. Nach dem Mischen wurde die Zubereitung in 50 g Topitec® Drehdosierkruken abgefüllt, etikettiert und zur Untersuchung eingelagert.

 

Kooperationsprojekt DAV – TH Köln

Die Untersuchung der verschiedenen Metronidazol-­Zubereitungen erfolgte im Rahmen eines Promotionsprojekts an der TH Köln (im Arbeitskreis von Prof. Dr. Heiko Schiffter-Weinle), das durch den Deutschen Apotheker Verlag (DAV) finanziell gefördert wurde. Die Ergebnisse dieser Studie sowie weitergehende Unter­suchungen zu anderen Wirkstoff-Grundlagen-Kombinationen ermöglichten die Erarbeitung neuer standardisierter Herstellungsanweisungen, die seit Kurzem in der Ziegler Rezepturbibliothek® (ZRB) zur Verfügung stehen. Die Ziegler Rezepturbibliothek® ist eine Sammlung geprüfter Standardrezepturen, die im Rahmen des Dr. Lennartz Laborprogramms für Apotheken genutzt werden kann und die es ermöglicht, die Herstellung der darin monographierten Rezepturen schnell und einfach zu dokumentieren. Zudem ermöglicht die ZRB den Verzicht auf eine galenische Plausibilitätsprüfung. Ausgewählte ZRB-Rezepturen finden Sie auch im Loseblattwerk von Karl Thoma und Rolf Daniels „Apothekenrezeptur und -defektur – Herstellung von Arzneimitteln und Körperpflegemitteln“.

Die Stabilitätsstudie

Zur Überprüfung der Stabilität wurden alle Zubereitungen über den Zeitraum von bis zu 14 Monaten bei 25 °C und 60% relativer Feuchte (r. F.) sowie bei 30 °C und 65% relativer Feuchte eingelagert. Im Prüfungszeitraum wurde die chemische, physikalische und mikrobiologische Stabilität der Zubereitungen anhand von jeweils drei Chargen geprüft.

Die chemische Stabilität der Rezepturen wurde als ausreichend beurteilt, wenn zum jeweiligen Prüfzeitpunkt der Wirkstoffgehalt über 90,0% des Sollgehalts lag. Dabei wurde der Gehalt mittels validierter HPLC-Analytik bestimmt.

 

Auf einen Blick

  • Mit dieser Stabilitätsstudie konnten konkrete Vorgaben zur Haltbarkeit von Metronidazol-­haltigen Rezepturen in den untersuchten Grundlagen getroffen werden.
  • Die Stabilität der geprüften Zubereitungen ist bei maximal 25 °C (und 60% relativer Feuchte) über zwölf Monate sichergestellt.
  • Die längerfristige Lagerung bei 30 °C und darüber hinaus ist zumindest bei der Verwendung bestimmter Grundlagen zu vermeiden.
  • Kurzfristige Temperaturschwankungen z. B. im Rahmen der Herstellung im automatischen Rührsystem führten bei den untersuchten Rezepturarzneimitteln nicht zu Instabilität.

Die physikalische Stabilität wurde anhand der Überprüfung von or­ganoleptischen Eigenschaften, der rheologischen Parameter und der Partikelgröße sichergestellt. Vor dem Hintergrund des in der Literatur immer wieder beschriebenen Teilchenwachstums wurde besonderer Wert auf die Partikelgröße gelegt. So durfte zu keinem Zeitpunkt in einer Zubereitung ein Partikel oder Agglomerat größer als 100 µm gefunden werden. Die Überprüfung der Partikelgröße erfolgte durch Polarisationsmikroskopie in Anlehnung an Ph. Eur. 2.9.37. Die Prüfung der mikrobiologischen Stabilität erfolgte nach Ph. Eur. 2.6.12 Mikrobiologische Prüfung nicht-steriler Produkte.

Stabilität in offizinellen Grundlagen

Ausreichende chemische, physikalische und mikrobiologische Stabilität von Metronidazol konnte in den Grundlagen Basiscreme DAC, anionische hydrophile Creme DAB, anionische hydrophile Creme mit Propylenglykol und nichtionisches wasserhaltiges Liniment DAC NRF S.39. über den Prüfzeitraum nachgewiesen werden. Während der Lagerung bei 25 °C und 60% relativer Feuchte zeigten sich die Zubereitungen als äußerst stabil hinsichtlich allen untersuchten Parametern. Die Wirkstoffstabilität lag unabhängig von der eingearbeiteten Ausgangskonzentration zwischen 98 bis 100%. Auch bei 30 °C und 65% relativer Feuchte lag die Wiederfindungsrate über 95%. Unter beiden Lagerungsbedingungen traten weder unmittelbar nach der Herstellung noch während der Lagerung Partikel größer als 100 µm auf. Die unterschied­lichen pH-Werte der Grundlagen scheinen den Wirkstoffabbau nicht wesentlich zu beeinflussen.

Stabilität in nichtoffizinellen Grundlagen

Auch in den Zubereitungen von Metronidazol in Asche Basis® Creme, Linola® Creme und Wolff® Basiscreme war über einen Zeitraum von zwölf Monaten der Wirkstoff ausreichend stabil, wenn die Lagerung bei 25 °C und 60% relativer Feuchte erfolgte. Das entspricht unter diesen Lagerbedingungen weitgehend den für die offizinellen Grundlagen gefundenen Ergebnissen.

Anders jedoch sieht es bei Rezepturen aus, die bei 30 °C und 65% relativer Feuchte eingelagert wurden. Mit Ausnahme der 2%igen Wolff® Basiscreme konnte unter diesen Bedingungen für keine weitere Formulierung eine Stabilität über zwölf Monate nachgewiesen werden. In einer Charge der analogen 1%igen Creme wurde ein Gehalt unterhalb der Akzeptanzgrenze von 90% gemessen.

In der Metronidazol-Rezeptur auf Basis der Linola® Creme lag bei 30 °C und 65% relativer Feuchte der Wirkstoffgehalt für die 1%ige Formulierung mit etwa 95% und für die 2%ige Formulierung mit etwa 98% im angestrebten Akzeptanz­bereich. Wider Erwarten traten im finalen Prüfmonat jedoch Schwierigkeiten bei der Konsistenz und der organoleptischen Prüfung auf. Neben einer deutlichen Konsistenz­abnahme bildeten sich weiche, weiße Agglomerate.

Die Gehaltsprüfung der Zubereitung mit 1% Metronidazol in Asche Basis® Creme zeigte zum finalen Prüfzeitpunkt eine Wiederfindungsrate von nur 87%; bereits im neunten Prüfmonat wurde in einer Charge nur noch 88% des Sollgehaltes ermittelt. In der analogen 2%igen Creme wurde am Ende des Prüfzeitraums noch 95% des Wirkstoffgehalts gemessen. Diese Zubereitung zeigte jedoch starkes Kristallwachstum. So überstiegen einzelne Partikel das Akzeptanzkriterium von 100 µm bei Untersuchungen in den beiden letzten Prüfmonaten des Untersuchungszeitraums.

Sind Rührsysteme besser als ihr Ruf?

Die gewählten Rührparameter führten bei allen Herstellungen zu reproduzierbaren Ergebnissen mit einer Mischgüte zwischen 98 und 100%. In keiner Zubereitung wurde nach Abschluss des Rührprozesses eine Erwärmung von mehr als 10 °C gemessen. Bei keiner der untersuchten Zubereitungen führte ein etwaiges Kristallwachstum durch Abkühlen nach dem Herstellen zu Partikeln über dem festgelegten Akzeptanzwert von 100 µm. Inwieweit sich die Rührparameter in dieser Studie auf Standardkrukengrößen der Rezepturherstellung skalieren lassen, wurde nicht untersucht. |

Literatur

[1] Lehmann PM. Rosacea, Dtsch Arztebl International 2007;104:A-1741

[2] Melhorn A. Metronidazol in Magistralrezepturen. Der Hautarzt - Zeitschrift fur Dermatologie, Venerologie, und verwandte Gebiete 2016;67:503–506

[3] Deutscher Arzneimittel-Codex: Ergänzungsbuch zum Arzneibuch. Ergänzung zum amtlichen Arzneibuch. ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Ed.), Govi-Verlag, Düsseldorf, 2020

[4] Seidel K. Gerührt, und nicht … – Automatische Rührsysteme Topitec® und Unguator® im Vergleich. DAZ 2017;9:62, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2017/daz-9-2017/geruehrt-und-nicht

[5] Kristallwachstum in Metronidazol-Cremes bei sommerlichen Temperaturen. Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V. (ZL), www.zentrallabor.com/pdf/ZL-News_Metrodinazol.pdf

Autor

Apotheker Duc Son Nguyen, Pharmaziestudium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Aufbaustudium Diplom-Pharmazie in Jena und Nürnberg, seit 2016 kooperative Promotion an der Technischen Hochschule Köln und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Bereich pharmazeutische Technologie.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.