Praxis

„Eine Aufgabe für das ganze Team!“

Isabel Waltering macht im DAZ-Gespräch Mut für die Implementierung von Medikationsanalysen

du | Wenn es um die Frage geht, ­welche pharmazeutischen Dienstleistungen in Zukunft honoriert werden sollen, dann ist eine Medikationsanalyse sicher ein ganz ­heißer Kandidat. Mit ihre Untersuchung zeigen Dr. Isabel Waltering, Dr. Oliver Schwalbe und Prof. Dr. Georg Hempel Wege auf, wie es gelingen kann, diese pharmazeutische Dienstleistung in den Apotheken zu implementieren. Wir haben mit Dr. Isabel Waltering über die Kon­sequenzen für die Apotheken gesprochen.

Dr. Isabel Waltering Apothekerin, PharmD, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitskreis von Prof. Dr. Georg Hempel in Münster als AMTS-Dozentin.

DAZ: Frau Dr. Waltering, Sie und Ihre Co-Autoren haben ganz konkrete Tipps gegeben, wie Apotheken nach erfolgreicher Schulung die pharmazeutische Dienstleistung „Medikationsanalyse“ besser implementieren können. Dazu zählt eine regelmäßige Fortbildung des Teams, die als Arbeitszeit angerechnet werden sollte.

Waltering: Eine wirklich sehr gute Frage, bei den Fortbildungen ist in erster Linie aber die „interne Fortbildung“ im Rahmen von Teamsitzungen gemeint. Dafür gibt es z. B. vom Apo-AMTS-Projekt einen Vortrag, der anhand der Forschungsergebnisse noch einmal umgestaltet wurde. Man kann das Ganze natürlich auch noch weiter spinnen, z. B. dass besonders interessante Fälle kurz besprochen werden und noch einmal auf die Patientenauswahl und die Detektion möglicher Arzneimittel-bezogener Probleme (ABP) eingegangen wird. Wie die Teilnahme an der Teamschulung „vergütet“ wird, dafür hat bestimmt jede Apotheke ihr individuelles Vorgehen und Regelungen getroffen. Freizeit ist das aber bestimmt nicht. Generell, und das ist jetzt von der Medikationsanalyse vollkommen losgelöst, sollte es doch auch Regelungen für die Erstattung der Kosten und/oder der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen geben, denn das ist ein Teil des Profils einer Apotheke und macht auch eine gewisse Attraktivität des Arbeitsplatzes aus. Eine Verquickung von Kosten für die Fortbildung mit den Kosten einer Medikationsanalyse finde ich daher auch nicht ganz legitim.

DAZ: Stichwort Kosten: Wie hoch müsste das Honorar denn sein, damit die Medikationsanalyse nicht nur kostendeckend ist, sondern auch zum Gewinn der Apotheke beitragen kann?

Waltering: Die Kostenfrage an sich ist in unserer Studie nicht beantwortet worden. Was aber in unserer Untersuchung deutlich wurde ist, dass eine Kostenerstattung generell nicht als sogenannter Erfolgsfaktor für die Apotheke gesehen werden kann, eine Bezahlung ist mehr eine grundsätzliche Voraussetzung, die aber keine erfolgreiche Implementierung bedeutet. Denn sowohl die Teilnehmenden der Positiven Deviance-Gruppe als auch der Kontroll-Gruppe erhielten 80 Euro für eine Medikationsanalyse. Ohne eine entsprechende Bezahlung wird sich diese Dienstleistung nicht in der Fläche durchsetzen lassen, aber für die Implementierung sind die Bereitschaft der Apothekenleitung, die Schaffung der organisatorischen Strukturen und Standards und vor allem und ganz besonders die Motivation und die Bereitschaft der Apothekerinnen und Apotheker, Verantwortung zu übernehmen, essenziell.

„Wir haben eine Dienstleistung entwickelt, ohne den Adressaten zu fragen.“

Dr. Isabel Waltering

DAZ: Nur ein Drittel der geschulten Apotheken gab an, zumindest eine Medikationsanalyse im Monat durchzuführen. Das sieht nicht nach Routine aus.

Waltering: Bitte vergessen Sie nicht, dass die Untersuchung auch schon eine gewisse Zeit zurückliegt und sich doch die Situation, wenn auch nur in kleinen Schritten, gebessert hat. Leider hat die Corona-Pandemie eine ­Verlangsamung herbeigeführt, aber durchaus auch die Kommunikation mit den Arztpraxen verbessert.

DAZ: Wie müssten die Rahmenbedingungen aussehen, damit die Medikationsanalyse als festes Angebot wahr­genommen und auch sinnvoll durchgeführt werden kann?

Waltering: In erster Linie benötigt man das gesamte Team der Apotheke. Als „Einzelkämpfer“ ist man auf verlorenem Posten. Jede Medikationsanalyse ist dann wie die „erste“ Analyse und es können auch nur wenige angeboten werden. Benötigt wird zudem eine andere Akzeptanz von den Ärzten, obwohl dort durchaus schon ein positiver Trend zu erkennen ist. Was aber generell fehlt, ist die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten. Wir haben eine Dienstleistung entwickelt, ohne den Adressaten zu fragen. Wünschenswert wäre z. B. eine „Werbekampagne“ wie wir sie nun beim Impfen sehen. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen würde die Akzeptanz auch steigern.

Wie viel Analysen sind pro Monat anzustreben? Aus unseren Daten lässt sich kein wirklicher „Cut-off-Wert“ festlegen. Die Teilnehmenden der Positiven Deviance-Gruppe haben aber im Schnitt ca. fünf Medikationsanalysen im Monat durchgeführt. Aber es hängt auch ganz deutlich von der Lage der Apotheke und der Größe ab. Sind die Patientinnen und Patienten überwiegend Laufkunden, dann ist es schwierig Medikationsanalysen anzubieten. Haben Sie eine „kleine“ Apotheke, ­eignen sich auch nicht immer so viele ­Patientinnen und Patienten bzw. diese sind meist ohnehin schon sehr gut ­betreut, da vielfach persönliche Be­ziehungen bestehen und man ohnehin näher am Patienten ist.

Foto: Printemps/AdobeStock

DAZ: Was bedeutet das für die personelle Ausstattung?

Waltering: Eigentlich sollte es keine Auswirkung auf die personelle Ausstattung haben. In erster Linie hat sich in unserer Untersuchung gezeigt, dass die Aufgabenverteilung und die Stundenverteilung innerhalb des Teams auf den Prüfstand sollte. Wer macht was, wie sind die Zeiten am HV abgedeckt, können „Bürozeiten“ eingeführt werden, die dann für die AMTS-Prüfung genutzt werden können? Welche Aufgaben im Zusammenhang mit Medikationsanalysen können delegiert werden? Wer macht die Akquise, die Werbung, wer schreibt die Rechnungen, wie ist das Terminmanagement geregelt, wer übernimmt die Datenerfassung der Patientinnen und Patienten? Zudem ist zu beachten, dass eine Medikationsanalyse nicht immer sofort zu erfolgen hat. Die Patienten haben diese Probleme schon eine geraume Zeit, auch das Abschlussgespräch muss nicht direkt im Anschluss an das Erfassungsgespräch erfolgen. ­Vereinbaren Sie einen neuen Termin, wenn Sie absehen können, wann die Analyse abgeschlossen ist. Natürlich brauchen wir noch weiteres Material, um bestimmte Prozesse zu vereinfachen und zu verschlanken, aber daran wird ja gearbeitet.

„Da es eines der am besten gehüteten Geheimnisse ist, können auch wir nichts Erhellendes dazu beitragen.“

Dr. Isabel Waltering auf die Frage, ob die Medikations­analyse zu den honorierten pharmazeutischen Dienst­leistungen zählen wird.

DAZ: Welche Empfehlung leiten Sie ­daraus für die Apothekenleitung ab? Welche Vorteile hätte ein festes Team, das sich vollständig auf diese Aufgabe konzentriert, welche ein sich wechselnd zusammensetzendes Team?

Waltering: Es sollten keine verschiedenen Teams vorhanden sein. Das gesamte Team der Apotheke wird im Rahmen seiner Kompetenzen entsprechend eingebunden und jeder im Team kennt seinen Bereich oder ist halt auch nicht beteiligt. Beim Anmessen von Kompressionsstrümpfen ist auch nur ein Teil des Teams eingebunden und das auch nur nach seinem Wissensstand. Wichtiger als die Frage nach dem Team ist die Etablierung von Strukturen, Standards und Prozessen. Es muss klar sein, wer welche Rolle bei der Medikationsanalyse übernimmt und wie diese auszufüllen ist. Medikationsanalyse ist eine Dienstleistung der Apotheke und alle vom Boten bis zum Approbierten sollten sich damit identifizieren, auch wenn sie nicht aktiv in den Prozess eingebunden sind.

DAZ: Haben Sie einen ganz praktischen Tipp, wie der Einstieg in die ­Medikationsanalyse gelingen kann?

Waltering: Ja, in jedem Fall! Aufgrund der Studienergebnisse können wir empfehlen, sich auf eine Erkrankung zu konzentrieren und sich mit den dort verwendeten Arzneimitteln richtig intensiv vertraut zu machen. Da ein sehr großer Teil der Patienten an einer Hypertonie leidet, wäre das ein guter Beginn. Und mit sich vertraut machen ist nicht das Auswendiglernen der Leitlinie gemeint, sondern die ­Medikamente und ihre einzelnen ­Besonderheiten wie der korrekte Einnahmezeitpunkt, die richtige Auf­bewahrung, das sinnvollste Dosier­intervall und natürlich die einzelnen ­Interaktionen und den Umgang damit zu kennen. Kennt man sich dann richtig gut aus, ist auch die Umsetzung in der Medikationsanalyse kein Problem mehr und auch der zeitliche Aufwand reduziert sich deutlich.

DAZ: Welche pharmazeutischen Dienst­leistungen in Zukunft honoriert werden sollen, gehört wohl zu den am besten gehüteten Geheimnissen unserer Berufsvertretung. Wird die Medikationsanalyse dazu gehören und wenn ja, in welchem Umfang?

Waltering: Da es eines der am besten gehüteten Geheimnisse ist, können auch wir nichts Erhellendes dazu beitragen. Sicher ist aber, dass wir eine Leitlinie für die Medikationsanalyse 2a haben, das Vorgehen geklärt ist und auch der Nutzen. Daher wird die Medikationsanalyse bestimmt zu den Dienstleistungen gehören.

DAZ: Frau Dr. Waltering, wir danken Ihnen ganz herzlich für das Gespräch! |

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