Pandemie Spezial

mRNA-Impfungen leicht erklärt

Wie man Apothekenkunden zur Corona-Impfung motiviert – Teil 2

(Grafik: nadrosia – sketchnote-love.com)
Von Christine Gitter | „Mann sagt Impftermin ab, weil er zeitgleich einen Friseurtermin bekommen hat“, titelte Anfang März die Satirezeitung „Der Postillon“. Ein Haarschnitt verursacht üblicherweise weniger unerwünschte Wirkungen als eine Impfung, und so könnte man dieser Schlagzeile folglich durchaus Glauben schenken. Schon allein deshalb, wenn man liest, wie sich manche Medien hierzulande mit Nebenwirkungsmeldungen überschlagen und zunehmend Verunsicherung stiften. Vor allem der Vektorimpfstoff von AstraZeneca steht im Fokus. In Großbritannien stellt man indes keine großen Unterschiede in den Melderaten zum mRNA-basierten Impfstoff Comirnaty® von Biontech und dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca fest.
Grafiken: nadrosia – sketchnote-love.com

Bevor wir uns also in diesem Teil den mRNA-Impfstoffen widmen, möchte ich noch (ganz kurz!) auf die Thematik der Impfreaktionen eingehen. Weil doch schon die Furcht vor unerwünschten Nebenwirkungen von einfachen Schmerzmitteln bei manchen so groß ist, dass sie lieber die Angst runterschlucken statt die Tablette. Bei einer Impfung wird ein effektvolles Mittel in einen gesunden Körper befördert, und wer vorher noch quietschfidel war, kann anschließend durchaus Beschwerden bekommen. Das ist vorhersehbar, macht aber ein ungutes Gefühl, und dieses ist rational nicht immer beherrschbar. Zu den statistisch zu erwartenden Impfreaktionen, wie Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, allgemeines Unwohlsein und Muskelschmerzen, gesellt sich also gewiss noch der Nocebo-Effekt. Und der existiert nun mal und ist mit Einbildung bitte nicht abzutun! Für die Beratung in der Apotheke bedeutet das, dass wir ängstlichen Kundinnen und Kunden sicher nicht das komplette Nebenwirkungsprofil aufzählen müssen. Warten Sie die Fragen ab und gehen Sie bei diesem Kundentypus eher in kleinen, überschaubaren Schritten vor. Aber seien Sie ehrlich, wenn Sie mit Aussagen oder Fragen, wie den folgenden konfrontiert werden.

„Man hört von so schlimmen Nebenwirkungen!“

Manche Menschen spüren nach der Impfung so gut wie gar nichts. Andere fühlen sich ein bis zwei Tage richtig krank. Woher diese Unterschiede kommen, ist nicht bekannt. Diese Begleiterscheinungen sind aber nicht gefährlich. Symptome wie Fieber, Gliederschmerzen und Kopfschmerzen zeigen lediglich, dass das Immunsystem fleißig arbeitet und lernt, den Erreger abzuwehren. Man kann das ein wenig mit einem Muskelkater durch ungewohntes Training vergleichen. Schließlich trainiert das Immunsystem gerade intensiv. Manchmal kann es auch zu Durchfall und Erbrechen ­kommen.

„Was bedeutet RNA?“

In der RNA von SARS-CoV-2 („ribonucleic acid“) steckt normalerweise der Bauplan für das komplette Coronavirus. Bei einer Infektion übernehmen unsere körperzelleneigenen „Proteinfabriken“ (Ribosomen) die Produktion unzähliger neuer Virusbestandteile nach genau diesem Bauplan.

„Wo ist der Unterschied zu herkömmlichen Impfstoffen?“

Impfungen stimulieren den Körper zur Produktion von speziellen Antikörpern gegen spezielle Erkrankungen. Ein herkömmlicher Impfstoff enthält abgeschwächte oder abgetötete Erreger dieser Krankheiten, ein mRNA-Impfstoff dagegen nur den Bauplan für einen kleinen ungefährlichen Teil der Viren. Deshalb birgt ein mRNA-Impfstoff auch kein Infektionsrisiko.

Die mRNA („Boten-RNA“) im Impfstoff enthält den Bauplan für das sogenannte Spike-Protein. Die Spikes sitzen auf der Virusoberfläche. Die Wissenschaft findet, dass die ein bisschen wie eine Krone aussehen, deshalb heißt der Name „Corona-Virus“. Corona (lateinisch) heißt auf Deutsch „Krone“. Mit den Spikes dockt das Virus an seine Wirtszelle an.

„Wie funktioniert die Impfung mit einem mRNA-Impfstoff?“

Der Impfstoff bringt unsere Körperzellen dazu, Spikepro­teine herzustellen. Die Produktion ist auf die Einstichstelle der Impfung begrenzt, wird also von den Muskelzellen am Oberarm übernommen. Deshalb kann die Einstichstelle einige Stunden nach der Impfung wehtun. Anschließend übernimmt das Immunsystem und bildet Antikörper, ganz so, als wären „echte“ Coronaviren in den Körper gelangt. Außerdem speichert unser Immunsystem den Steckbrief des Coronavirus ab. Kommt es später zu einer Infektion, ist die Abwehr gut vorbereitet.

„Ist die mRNA-Impfung sicher?“

Manche Menschen machen sich Sorgen, weil die Corona-Impfstoffe sehr schnell zugelassen wurden. Die Zulassungen wurden jedoch sehr sorgfältig von den Behörden geprüft. Das Tempo wurde z. B. durch enorme finanzielle Zuschüsse möglich. Außerdem konzentrieren sich die zulassenden Behörden auf die Impfstoffe und stellen andere Zulassungen zurück. Entscheidend ist aber die große Anzahl an freiwilligen Probanden: Vor seiner Zulassung wurde der erste mRNA-Impfstoff an ca. 40.000 Personen ge­testet (üblicherweise sind das nur 10.000 – 15.000), unter ihnen auch Ältere und Risikopatienten. Bis Mitte März 2021 haben übrigens allein in Deutschland rund drei Millionen ­Menschen ihre mRNA-basierte Zweitimpfungen erhalten.

Literaturtipps (nicht nur) für Apothekenkunden

Christine Gitter

Ist das gesund oder kann das weg?
Wirklich ALLES über Nahrungs­ergänzungsmittel

304 S., 18,00 €
144 × 209 mm, Kartoniert
ISBN 978-3-426-27808-6
Droemer/Knaur, 2020

 

Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Superfood – die Hersteller versprechen mehr Gesundheit, Energie und Konzentration. Über Risiken und Nebenwirkungen wird gerne geschwiegen. Informativ und erfrischend unterhaltsam schafft Apothekerin Christine Gitter Abhilfe. Magnesium, Vitamin C, Vitamin B12, Vitamin D, Zink – viele greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln in Pillen- oder Pulverform, um ihrem Körper oder Geist Gutes zu tun. Aber ist das, was wir zu uns nehmen, wirklich gesund? Oder vielleicht sogar gefährlich? Sich auf dem Gesundheitsmarkt zurechtzufinden, ist eine Herausforderung. Apothekerin Christine Gitter gibt kompetent und unterhaltsam Antwort auf alle relevanten Fragen: Was genau bewirken Vitamine und Mineralstoffe im Körper? Sind die versprochenen Wirkungen eigentlich bewiesen? Funktioniert Körper- und Gehirn-Tuning mit Nahrungsergänzungsmitteln tatsächlich? Was hat es mit dem Tagesbedarf auf sich? Halten Antioxidantien wirklich den Alterungsprozess auf? Und können wir getrost auf das eine oder andere Präparat verzichten?

Christine Gitter

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Apothekerin
Alles über die fantastische Welt der Medikamente

288 S., 16,99 €
40 SW-Fotos, 132 × 209 mm, Kartoniert
ISBN 978-3-426-27780-5
Droemer/Knaur, 2019

Medikamente sind für uns Helfer in der Not, manchmal lebensnotwendig, sie bergen aber auch Risiken und Nebenwirkungen für unsere Gesundheit. Anschaulich und charmant erzählt Apothekerin Christine Gitter alles, was man wissen muss, um sich im Dickicht der Pharmazie sicher zu bewegen. Die Pharmazeutin kennt sie ganz genau: die Fragen und Sorgen all jener, die eine Apotheke aufsuchen. Wie soll man es schaffen, eine riesige Kapsel zu schlucken? Woher weiß die Kopfschmerz-Tablette, dass sie in den Kopf soll und: Gibt es diese Pille auch vegan? Anschaulich und mit Augenzwinkern erklärt sie komplexe Zusammenhänge, zeigt einfache Tricks und teilt ihr Rezept für die perfekte Hausapotheke.

Einfach und schnell bestellen

Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart
Tel. 0711 – 25 82 341, Fax: 0711 – 25 82 290
E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de
oder unter www.deutscher-apotheker-verlag.de

Andere Menschen haben Angst, dass das Viruserbgut in der Impfung in das eigene Erbgut eingebaut werden könnte. Die „Virusgene“ veranlassen unser Immunsystem aber lediglich zur Produktion von Antikörpern. Die mRNA aus dem Impfstoff kann nicht in unser Erbgut (DNA im Zellkern) gelangen, das ist chemisch gar nicht möglich.

Auch bei der Impfung mit mRNA-Impfstoffen zerbrechen sich manche den Kopf bezüglich denkbarer Erbgutveränderungen oder Langzeitschäden. Mögliche Antworten darauf finden Sie in Teil 1 in DAZ 2021, Nr. 10, S. 26.

Auch wenn die allermeisten von uns nicht direkt im Impfprozess involviert sind, sollten wir in unser aller Interesse an der Aufklärung mitwirken. Denn die jüngere Vergangenheit hat eindrucksvoll gezeigt, dass falsche Informationen über SARS-CoV-2 oft ansteckender sind als das Virus selbst. |

Autorin

Foto: Petra Homeier

Christine Gitter, Apothekerin, sammelte über zwanzig Jahre Erfahrung in der Offizin, davon 16 Jahre als Inhaberin. Die Buchautorin engagiert sich in unterschiedlichen Projekten zur Förderung der AMTS.

Illustratorin

Nadine Roßa ist Designerin, Illustratorin und „Spiegel“-Bestseller-Autorin für diverse Sketch­notes-Bücher. Sie gibt Workshops und Vorträge rund um das Thema Visualisierung und begleitet Veranstaltungen durch Graphic Recordings (Visuelle Protokolle)

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