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Hilfsmittelversorgung

Immer Ärger mit der Präqualifizierung

Hilfsmittelversorgung und Bürokratie – tatsächlich auf ewig miteinander verbunden?

Vielen Apothekerinnen und Apothekern ist sie ein ständiger Dorn im Auge – die Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsmitteln. Grund hierfür ist natürlich nicht die Versorgung selbst, denn diese ist für die Patienten meist lebenswichtig – sondern die bürokratischen Hürden, welche bei der Abgabe der jeweiligen Produkte zu überwinden sind. Insbesondere die Präqualifizierung stellt in diesem Kontext ein regelmäßiges Ärgernis dar. Ein Abbau dieser übermäßigen Bürokratie wäre also wünschenswert und wird daher immer wieder diskutiert – doch ein Ende dieses Übels ist derzeit wohl nicht in Sicht. | Von Jessica Geller

Michelle Zimmerhofer ist eine junge Apothekerin, die sowohl mit der Präqualifizierung als auch grundsätzlich mit dem Thema Hilfsmittelversorgung bereits einige Erfahrungen gesammelt hat. Damit steht Zimmerhofer in der Kollegenschaft sicher nicht alleine da. Seit Mitte 2019 leitet sie die Kern Apotheke in Düsseldorf, in welcher sie vorher schon als Angestellte tätig war. Ihr früherer Vorgesetzter warf sie ins eiskalte Wasser als er sie bat, sich um die Präqualifizierung der Apotheke zu kümmern. Sie habe sich daraufhin selbstständig informieren müssen und sich ältere Schulungsunterlagen ihrer Apothekerkammer beschafft, berichtet Zimmerhofer. Diese seien sehr hilfreich gewesen, doch aktuelle Schulungen würde ihre Kammer derzeit nicht anbieten. Knapp ein Jahr nach ihrem ersten, intensiven Kontakt mit den Hilfsmittelregularien stand dann eine erneute Präqualifizierung der Kern Apotheke an, denn Michelle Zimmerhofer hatte den Betrieb zwischenzeitlich übernommen. Obwohl sich außer der neuen Inhaberschaft keinerlei Veränderungen im Ablauf und Angebot der Apotheke ergeben hatten, musste Zimmerhofer einen vollständig neuen Antrag stellen. Samt aller Nachweise, wie zum Beispiel einer aktuellen Fotodokumentation der Räumlichkeiten. Trotz der wenigen verstrichenen Zeit zwischen beiden Präqualifizierungsanträgen sei auch der Zweite daher sehr zeitaufwendig gewesen, klagt sie.

Vereinfachung durch Präqualifizierung- aber für wen?

Die junge Apothekeninhaberin ist wie wohl die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen der Meinung, dass ein großer Teil der Anforderungen für die Präqualifizierung an der Apothekenpraxis vorbeigeht. Doch woher kommt dieser Eindruck? Warum fühlen sich die meisten Apotheken beim Thema Hilfsmittelversorgung von den Regularien und zuständigen Präqualifizierungsstellen zum Teil gegängelt? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, muss man den Status quo und die Historie der Hilfsmittelversorgung durch die Apotheken betrachten.

In § 126 und § 127 Sozialgesetzbuch V (SGB V) sind die Rahmenbedingungen für die Abgabe von Hilfsmitteln zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen definiert. Apotheken und andere Leistungserbringende, also Betriebe die Hilfsmittel abgeben möchten, müssen hierfür zunächst einen Versorgungsvertrag mit den jeweiligen Krankenkassen abschließen. Dazu wiederum ist es notwendig, dass die Betriebe eine „ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung“ (§ 126 Abs. 1 Satz 2 SGB V) der Hilfsmittel erfüllen können. Diese Grundvoraussetzung ist von den Krankenkassen zu überprüfen, ehe sie einen Vertrag mit dem jeweiligen Leistungserbringenden schließen. Eine Apothekenbetriebserlaubnis alleine ist für diese Zwecke nicht ausreichend. Auch Apotheken müssen weiterführende Nachweise über ihre Eignung zur Teilnahme an der Hilfsmittelversorgung erbringen, und dieser Umstand sorgt im Berufsstand für sehr viel Unverständnis.

Um die Eignungsprüfung durch die Krankenkassen zu vereinfachen wurde 2011 das Präqualifizierungsverfahren etabliert und in § 126 SGB V aufgenommen. Durch dieses Verfahren entfällt die Prüfung der Leistungserbringenden durch jede einzelne Krankenkasse, mit der ein Vertrag geschlossen werden soll. Die Kassen müssen eine vorhandene Präqualifizierung nämlich akzeptieren. Darüber hinaus soll die Präqualifizierung auch allgemein zu einer verbesserten Qualität und Sicherheit in der Hilfsmittelversorgung führen. Doch gerade diese vereinfachte Eignungsprüfung – also das Präqualifizierungsverfahren – stößt insbesondere bei der Apothekerschaft seit seiner Einführung auf massive Kritik.

Die Kernaufgabe der Apotheken in Deutschland ist es, die Bevölkerung mit Gesundheitsgütern zu versorgen. Das Personal ist explizit und umfassend zu diesem Zwecke ausgebildet und bildet sich regelmäßig fort. Man sollte also eigentlich davon ausgehen können, dass für die Versorgung der Bevölkerung mit Milchpumpen, Fertigbandagen, Okklusionspflastern, Blutzuckermessgeräten, Nissenkämmen und ähnlichen Produkten jede gewöhnliche Apotheke ausreichend qualifiziert und ausgestattet ist. Und doch fallen auch diese Hilfsmittelleistungen – neben einer Vielzahl anderer – unter die Regelungen des Sozialgesetzbuchs und können von Apotheken nur nach bestandener Präqualifizierung erbracht werden.

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Das ABDA-Tochterunternehmen Avoxa hält die Agentur für Präqualifizerung (AfP) und profitiert somit direkt von der Präqualifizierungspflicht der Apotheken.

Mit viel Aufwand wenig erreichbar

Präqualifizierungsverfahren mögen für die Krankenkassen einen enormen Bürokratieabbau und Vereinfachungen bedeuten, denn diese müssen die Eignung der Leistungserbringenden nicht mehr selbstständig überprüfen. Doch für die Betriebe, welche Hilfsmittel abgeben und abrechnen wollen und zum Teil müssen, bleiben sie ein enormer Aufwand. Dass die bis 2011 etablierte und deutlich unkompliziertere Zertifizierung durch ein aufwendigeres Präqualifizierungsverfahren abgelöst wurde, sorgt für Frust und weniger für Verständnis. Immer wieder wenden sich daher Apothekerinnen und Apotheker zu diesem Thema an die Kammern und Verbände, sowie auch an die DAZ-Redaktion. Die meisten dieser Leserzuschriften zeigen ein ähnliches Bild: Es herrscht massive Unzufriedenheit über das Verfahren und es wird von einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung im Arbeitsalltag berichtet. Die Aufregung geht sogar schon so weit, dass manche Betroffenen das Verfahren als reine Schikane ansehen.

Ein Kollege schildert beispielsweise, dass alleine das Ausfüllen der Formulare für die Präqualifizierung rund einen Arbeitstag einnehme. Und im Anschluss fordere die Präqualifizierungsstelle dennoch Korrekturen an, die erneut eine ähnliche Zeitaufwendung notwendig machen. Auch einige der einzureichenden Nachweise rufen Unverständnis in der Apothekerschaft hervor. Beispielsweise wird die Notwendigkeit einer Krankenliege innerhalb eines geschlossenen Raumes für die Anpassung von Kompressionsstrümpfen kritisiert, da diese ohnehin im Sitzen ausgemessen werden. Eine Liege wird somit in der Praxis nicht benutzt. Sie wird jedoch durch den Kriterienkatalog vorgeschrieben. Und so kommt es, dass einige Apothekenleitungen im Rahmen des Antragsverfahrens ihre Apothekenräumlichkeiten temporär umdekorieren, um die notwendigen Nachweise – Fotos ­sowie Raumpläne – zu generieren. Im Anschluss wird das Mobiliar, zum Beispiel Notdienstliegen oder private Bohrmaschinen, dann wieder verstaut oder zurückgegeben.

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Beim Deutschen Apothekertag 2019 wurde ein Antrag angenommen, dessen Kern­forderung ist, dass mit Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis automatisch einige bestimmte Hilfsmittel durch die Apotheken abgegeben werden dürfen. Eine Präqualifizierung würde dann nur noch für speziellere Versorgungsbereiche notwendig werden. Doch eine Reaktion auf diese Forderung seitens ABDA oder Gesetzgeber ist bisher nicht erfolgt.

Das Thema ist innerhalb der Apothekerschaft mittlerweile so verbreitet, dass im Rahmen des Deutschen Apothekertags 2019 ein Antrag auf Überarbeitung der gesetzlichen Anforderungen gestellt und von der Hauptversammlung angenommen wurde. Kernforderung dieses Antrags ist, dass mit Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis automatisch einige bestimmte Hilfsmittel durch die Apotheken abgegeben werden dürfen. Die Forderung umfasste neben den oben genannten auch weitere apothekenübliche Hilfsmittel, wie beispielsweise Fertigbandagen, Kompressionsstrümpfe, Inhalationsgeräte und Orthesen. Eine Präqualifizierung würde somit nur noch für speziellere Versorgungsbereiche notwendig werden. Eine Reaktion auf diese Forderung seitens der ABDA oder geschweige denn des Gesetzgebers ist bis heute noch nicht erfolgt.

Gleichbehandlung von Apotheke und Friseursalon

Diese Initiative braucht es jedoch, um eine Verbesserung des höchst bürokratischen Verfahrens für die Apotheken zu ermöglichen. Die derzeitigen Regeln sind jedoch vollkommen auf eine grundsätzliche Gleichbehandlung aller betroffenen Betriebe – egal ob Apotheke oder Friseursalon – ausgelegt. Dass diese Herangehensweise aufgrund der unterschied­lichen Gegebenheiten bei den verschiedenen Leistungserbringenden nicht immer sinnvoll ist, hat bei den entscheidungstragenden Gremien offensichtlich noch nicht zu einem Sinneswandel geführt.

Aber noch einmal einen Schritt zurück. Was genau ist eine Präqualifizierung überhaupt? Das Sozialgesetzbuch V sieht vor, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) Empfehlungen formuliert, welche Anforderungen an die Abgebenden von Hilfsmitteln zu stellen sind. Diese Empfehlungen enthalten zu jeder Hilfsmittelgruppe verschiedene Vorgaben über die benötigten Räumlichkeiten, die Ausstattung sowie das Personal. Auf Grundlage dieser Empfehlungen sollen die unabhängigen Präqualifizierungsstellen über die Eignung der Leistungserbringenden zur Teilnahme an der Hilfsmittelversorgung entscheiden. Eine Präqualifizierung erfolgt stets nur auf Antrag und ist bei positivem Entscheid fünf Jahre lang gültig. Im Anschluss ist ein Antrag auf Re-Präqualifizierung zu stellen, welche ebenfalls eine Gültigkeit von höchstens fünf Jahren besitzt.

Nach einer erfolgreichen Präqualifizierung schließen die Apotheken oder andere Leistungserbringende einen Vertrag mit der jeweiligen Krankenkasse, mit welcher infolgedessen die Abgabe der Hilfsmittel abgerechnet werden kann. Die Kassen prüfen also nicht mehr selbst, ob die Voraussetzungen nach § 126 SGB V erfüllt sind.

Die Präqualifizierungsstellen haben ihre Entscheidung auf Basis der Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands zu fällen – die Empfehlungen sind also verbindlicher als ihr Name es zunächst suggeriert. Neben diesen Empfehlungen veröffentlicht der Verband auch einen auf diesen basierenden Kriterienkatalog. In diesem werden die Hilfsmittel in Anlehnung an das Hilfsmittelverzeichnis tabellarisch aufgelistet und in verschiedene Produktgruppen unterteilt. Für die verschiedenen Produktgruppen und ihre Untergruppen sind jeweils unterschiedliche Anforderungen definiert. Des Weiteren wird in der ausführ­lichen Tabelle auch konkretisiert, welche Nachweise bei Antrag auf Präqualifizierung von den Leistungs­erbringenden für die verschiedenen Hilfsmittel vorzulegen sind.

Mit Inkrafttreten des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) im April 2017 wurde außerdem zusätzlich vorgeschrieben, dass ausschließlich solche Zertifizierungsstellen als Präqualifizierungsstellen agieren dürfen, die im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 akkreditiert sind. Die hierbei zu prüfenden Anforderungen an die Präqualifizierungsstellen ergeben sich aus der Norm DIN EN ISO/IEC 17065:2013. Diese Akkreditierungen sind ebenfalls auf höchstens fünf Jahre befristet und werden von der nationalen Akkreditierungsstelle der Bundesrepublik Deutschland (DAkkS) durchgeführt. Das Prüfverfahren ist somit nicht mehr alleinig Aufgabe des GKV-Spitzenverbands, sondern wird durch die nationale Akkreditierungsstelle im Rahmen ihres Zertifizierungs­programms festgelegt. Zusätzlich prüft die DAkkS regelmäßig, ob die Präqualifizierungsstellen sich tatsächlich an diese Vorgaben halten. Dies soll sicherstellen, dass die Präqualifizierung bei jedem Betrieb vergleichbar abläuft und der Prozess insgesamt zuverlässig ist.

Zum Weiterlesen

Das Thema „Bürokratie in der Apotheke“, gerade im Hinblick auf die Hilfsmittelversorgung, behandelte ein DAZ-Schwerpunkt in DAZ 2019, Nr. 19, S. 60.

ABDA-eigenes Unternehmen auf Präqualifizierung spezialisiert

Diese neuen Anforderungen hatten zur Folge, dass einige Anbieter von Präqualifizierungen sich durch den zusätzlich anfallenden Aufwand vom Markt zurückgezogen haben. Eine der größten weiterhin aktiven Präqualifizierungsstellen ist die Agentur für Präqualifizierung (AfP) in Eschborn. Diethard Grundl, Geschäftsführer der AfP, berichtet, dass der Bedarf an qualifiziertem Personal durch die nun verpflichtende Zertifizierung deutlich gestiegen sei. Er gibt auch zu bedenken, dass aufseiten der Leistungserbringenden in diesem Zuge vermehrte Unsicherheiten und damit einhergehende Rückfragen bei der AfP aufgetreten seien. Als Beispiel für ein häufiges Missverständnis führt der Geschäftsführer die durch die Änderung nun vorgeschriebenen regelmäßigen Überwachungsaudits bei den Leistungserbringenden an. Die neue Gesetzeslage schreibt mindestens zwei Audits binnen der fünfjährigen Laufzeit der Präqualifizierung vor. Gerade bei den Apotheken habe sich laut Grundl der Eindruck ergeben, dass es sich bei diesen Audits um Betriebsbegehungen handele. Dies sei jedoch nicht der Fall, die Überwachungen werden durchweg anhand von einzureichenden Dokumenten und Fotos durchgeführt. Einzig bei Auffälligkeiten sowie bei einigen Versorgungsbereichen, bei welchen dies im Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbands vorgeschrieben ist, werde eine Betriebsbegehung vorgenommen.

Die AfP ist über einige Ecken mit der ABDA-Avoxa-Gruppe vernetzt. Ihr Geschäftsführer steht ebenfalls der MGDA Marketing-Gesellschaft Deutscher Apotheker mbH als Leitung vor – einer direkten Tochterfirma des Deutschen Apothekerverbands (DAV).

Die Agentur für Präqualifizierung verfügt somit über eine Nähe zur deutschen Apothekerschaft, bzw. zu ihrer Spitzenorganisation. Grundl erklärt diesbezüglich, die AfP agiere bei der Vergabe ihrer Zertifizierungen jedoch vollkommen eigenständig. Sie arbeite unabhängig und absolut neutral und müsse dies regelmäßig auch gegenüber der DAkkS belegen. Hierzu existieren verschiedene Gremien und Maßnahmenkataloge, die die Unabhängigkeit und Neutralität der Agentur sicherstellen. Apotheken haben also trotz des fachlichen Bezugs dieser Präqualifizierungsstelle mit keinerlei Privilegien oder Vereinfachungen zu rechnen.

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Zwei Zentimeter Spielraum für mehr Verständnis und eine bessere Versorgungsqualität? Statt 48 cm darf sich ein behindertengerechtes WC nun in einer Höhe zwischen 46 und 48 cm befinden.

Auf eine von Apothekenseite vielfach geforderte Entbürokratisierung der Hilfsmittelversorgung haben Präqualifizierungsstellen wie die AfP selbst kaum Einfluss. Grundl berichtet, dass zwar ein regelmäßiger Austausch mit dem GKV-Spitzenverband und der DAkkS stattfinde, die Empfehlungen sowie der Kriterienkatalog allerdings kaum durch die Zertifizierungsstellen beeinflusst werden. Es werde dennoch versucht, sinnvolle Auslegungen der durch den Spitzenverband festgelegten Regelungen zugunsten der Leistungserbringenden zu erreichen. Als Beispiel hierfür nennt Grundl, dass durch Kommunikation von begründeten Einwänden gegen die im Kriterienkatalog festgelegte Sitzhöhe der barrierefreien Toiletten letztlich eine Anpassung des Katalogs erfolgte. Nun sei statt der vorher vorgeschriebenen Höhe von 48 cm eine Spanne von 46 bis 48 cm zulässig.

Zwei Zentimeter Spielraum also für mehr Verständnis unter den Apothekerinnen und Apothekern und eine verbesserte Qualität in der Hilfsmittelversorgung? Man darf den Erfolg in beiden Fällen sicherlich bezweifeln.

Warum reicht nicht das pharmazeutische Selbstverständnis?

Auch der AfP ist nicht bekannt, ob der GKV-Spitzenverband oder die DAkkS im Bereich der Hilfsmittelversorgung einen Bürokratieabbau anstreben. Die AfP selbst versuche durch Bereitstellung von Onlinetools, wie grafischen Antragshilfen und Onlineanträgen, die Leistungserbringenden zu unterstützen. Einer Vereinfachung der derzeit implementierten Anträge, beispielsweise durch Bereitstellung eines Ankreuzformulars, gibt Grundl indes eine Absage. Die DAkkS schreibe eine explizite Prüfung der vorhandenen Gegebenheiten vor. Ein reines Ankreuzen oder die Nutzung vorformulierter Texte genügen diesem Anspruch nicht. Hieraus ergibt sich, dass die AfP bei einem eigenständigen Bürokratieabbau wohl langfristig ihre eigene Akkreditierung aufs Spiel setzen würde. Zu der oft gestellten Frage, wieso die Apotheken trotz der vorhandenen Fachexpertise mit weiteren Anbietern von Hilfsmitteln gleichbehandelt werden, verweist die AfP auf den GKV-Spitzenverband. Dieser vertrete laut Grundl die Auffassung, dass alle Leistungserbringenden dieselben Kriterien zu erfüllen haben. Dies sei unabhängig davon, ob die vorgegebene Ausstattung oder andere Vorgaben in der Praxis überhaupt genutzt werden.

Im Fall der Düsseldorfer Apothekeninhaberin Michelle Zimmerhofer scheitert ein Teil der Hilfsmittelversorgung an der nicht vorhandenen behindertengerechten Kundentoilette. Einen Platz für ein barrierefreies WC biete das in die Jahre gekommene Gebäude nicht, sagt sie. Und eine nicht barrierefreie Kundentoilette reiche für die Hilfsmittelabrechnung mit den Krankenkassen nicht aus.

Einen Platz für ein barrierefreies WC biete das in die Jahre gekommene Gebäude nicht, sagt sie. Damit steht sie nicht alleine: Generell ist der Platz in vielen Apothekenräumlichkeiten begrenzt, insbesondere im Bereich des Backoffice. Um die strengen Anforderungen des Hilfsmittelkatalogs künftig weiterhin zu erfüllen und ohne dem Team dauerhaft den Frühstücksraum nehmen zu müssen, plant Zimmerhofer derzeit einen Umbau der Apotheke. Grund dafür ist die benötigte Krankenliege für die Abrechnung von Kompressionsstrümpfen. Die derzeitige Lösung nehme den Mitarbeitern sämtlichen Platz zum kurzen Verschnaufen im Backoffice. Gerade während der Corona-Pandemie, in der allein durch das permanente Tragen der Atemschutzmasken die Arbeit in der Apotheke an den Kräften zehrt, ein an für sich nicht haltbarer Zustand. Daher hat die junge Inhaberin bereits eine Liege maßanfertigen lassen, welche platzsparend und multifunktional sei. So werde kein zusätzlicher Stuhl mehr benötigt, den man tatsächlich zur Anpassung von Kompressionsstrümpfen brauche. Durch den Umbau der Räumlichkeiten werde für das Personal ein eigener kleiner Rückzugsort geschaffen, während die Vorgaben für die Präqualifizierung erfüllt bleiben. Kostenpunkt: Mehr als 10.000 Euro.

Aus ihren bisherigen Erfahrungen resümiert Michelle Zimmerhofer letztlich, dass es in ihrer Apotheke auch ohne ein Zertifizierungsverfahren wie die Präqualifizierung nicht anders laufen würde. Zumindest hinsichtlich der Qualität in der Hilfsmittelversorgung. Kosten hätte sie in diesem Falle offensichtlich weniger. Sie sagt, die Prozesse im Rahmen der Hilfsmittelversorgung bedingen sich selbst. Dass Leihgeräte wie Milchpumpen nach jeder Rückgabe ausgiebig gereinigt und desinfiziert werden, sei pharmazeutisches Selbstverständnis. Für die Umsetzung dessen brauche sie keine reinen und unreinen Raumflächen mitsamt Kennzeichnungen sondern lediglich gut ausgebildetes Personal. Auch welcher Ausstattung es zur korrekten Vermessung von Kompressionsstrümpfen bedürfe „ergibt sich aus dem Arbeitsablauf und dem gesunden Menschenverstand“, erklärt sie. Eine Liege habe sie dafür noch nie benötigt.

In Anbetracht solcher und ähnlicher Praxisberichte stellt sich also die Frage, ob der viele Aufwand tatsächlich sinnvoll und gerechtfertigt ist. Es lässt sich zunächst auch kein direkter Nutzen für die Patientinnen und Patienten erkennen, die Qualität der Versorgung war schon vor der Gesetzesänderung gut. Wem also nutzt dieses Bürokratie-Monster außer den entlasteten Krankenkassen?

Den Vorwurf, sie könne einen wirtschaftlichen Nutzen durch die Präqualifizierungspflicht für Apotheken haben, muss sich die ABDA aufgrund ihrer Verstrickungen wohl auch weiterhin gefallen lassen. Daran dürfte auch eine DAkkS-Akkreditierung der AfP nicht viel ändern. Zumindest, bis die Standesvertretung sich tatsächlich für dieses Leidensthema ihrer Mitglieder politisch stark macht. Denn weder die Krankenkassen noch die AfP oder der GKV-Spitzenverband scheinen an einer Änderung des Verfahrens interessiert zu sein. Der Leidensdruck besteht ausschließlich an der vordersten Front der Hilfsmittelversorgung, völlig ungehört vom Gesetzgeber. Und nur dieser könnte tatsächlich eine Verbesserung der Umstände herbeiführen.

Was also bis auf Weiteres bleibt sind der Frust sowie die wiederkehrende Kritik der Apothekerinnen und Apotheker. Und natürlich ein Bouquet aus ungenutzten Bohrmaschinen, Spiegeln und Krankenliegen in den Apotheken. |

Autorin

Jessica Geller, Apothekerin und DAZ-Autorin

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