Gesundheitspolitik

Prognosen und Wünsche für 2021

Erwartungen für das neue Jahr

Corona, Wahlen und Digitalisierung

Foto: DAV

Thomas Dittrich

Das neue Jahr beginnt so, wie das alte Jahr aufgehört hat – mit der Corona-Pandemie. Neben Schutzmasken und Antigentests wird man nun schwerpunktmäßig auch über die Verfügbarkeit von Impfstoffen und die Priorisierung einzelner Gruppen bei der Impfung diskutieren. Die Apotheken werden dazu ohne Frage weiterhin ihre Kompetenz in der Logistik und in der Beratung einbringen.

Das Jahr 2021 ist auch ein Superwahljahr. Mehrere Landtagswahlen von Baden-Württemberg bis Mecklenburg-Vorpommern sowie die Bundestagswahl im Herbst stehen an. Mit dem Rückzug der Bundeskanzlerin, den erstarkten Grünen und einer nicht kleinen Zahl von „Querdenkern“ ergibt sich eine diffuse Gemengelage. Die Apotheken werden sich im Wahlkampf und bei der Regierungsbildung Gehör für ihre Anliegen verschaffen müssen.

Auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird voranschreiten. Dadurch bieten sich einmalige Chancen, wenn zum Beispiel Informationen aus der E-Patientenakte die Arzneimitteltherapie­sicherheit des Patienten verbessern helfen. Beim E-Rezept muss gelten, was derzeit auch für das Papier­rezept Anwendung findet. Dazu brauchen die Apotheken die Hilfe von Gesetzgeber und gematik, um die freie Apothekenwahl des Patienten zu schützen.

Nicht zuletzt steht die Umsetzung wesentlicher Teile des Ende 2020 in Kraft getretenen Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes an. Es muss gelingen, pharmazeutische Dienstleistungen mit den Krankenkassen zu vereinbaren, die die drängendsten Versorgungsdefizite adressieren. Ab 2022 müssen sie Teil der Regelversorgung sein. Das Jahr 2021 wird also für die Zeit danach eine große Signalwirkung haben.

Thomas Dittrich, 
Vor­sitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV)

Viel zu tun – in und für Vor-Ort-Apotheken

Foto: IFH

Dr. Markus Preißner

Die Corona-Pandemie hatte die Welt 2020 fest im Griff – das wird auch 2021 der Fall sein und auch Apotheken werden dies weiterhin deutlich spüren. Die wirtschaftliche Lage vieler Vor-Ort-Apotheken wird weiter angespannt sein und die Geschäftserwartungen werden auch 2021 eher verhalten ausfallen. Doch werden sich auch im Jahr 2021 öffentliche Apotheken in Deutschland und das dort beschäftigte Personal in der öffentlichen Wahrnehmung weiter profilieren können.

Maßgeblich hierfür werden vor allem die Aufgaben sein, die Apotheken und Apothekenpersonal im Rahmen der Pandemieeindämmung und des Patientenschutzes übernehmen (Verteilung von FFP2-Masken, Einbindung von Apotheken und Apothekenpersonal in die Verimpfung von COVID-19-Impfstoffen, Apothekenbotendienste für gefährdete Bevölkerungsgruppen etc.), aber auch andere Funktionen, für die sie innerhalb des Gesundheitssystems Verantwortung (mit)tragen, beispielsweise bei der Verimpfung von Grippeimpfstoffen in Vor-Ort-Apotheken.

Vor diesem Hintergrund werden 2021 Fragen rund um die Themen „Flächendeckende Versorgung“, „Dienstleistungen in Apotheken“ sowie „Wettbewerbs- und Rahmenbedingungen der Apothekenführung“ noch stärker in den Fokus rücken. Hinzu kommt die Umsetzung des E-Rezepts in den Vor-Ort-Apotheken und der damit verbundene zunehmende Wettbewerb mit Versendern. In diesem Zusammenhang werden uns 2021 auch Themen wie „Rx-Boni-Verbot“ und „Rx-Versandhandelsverbot“ sowie „Digitalisierung“ und „Plattformen“ weiter beschäftigen.

Es gibt 2021 also wieder viel zu tun in deutschen Vor-Ort-Apotheken, aber auch für die öffentlichen Apotheken in Deutschland muss etwas getan werden. Denn diese können ihren Aufgaben nur dann ordnungsgemäß und flächendeckend nachkommen, wenn es die Wettbewerbs- und Rahmenbedingungen, unter denen sie wirtschaften (müssen), ermöglichen. Hier werden Politik und Standesvertretungen 2021 besonders gefordert sein. Deshalb ist auch der neuen ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening Weitsicht, Überzeugungs- und Durchsetzungskraft, aber auch Durchhaltevermögen und Veränderungswille zu wünschen. Es gilt nicht, Mängel zu verwalten und an Besitzständen festzuhalten, sondern Zukunft zu gestalten. Auch und besonders in schwierigen Zeiten.

Dr. Markus Preißner, 
wissenschaft­licher Leiter am Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln

Mit Sicherheit gut versorgt

Foto: Phagro

André Blümel

2020 war in jeder Hinsicht außergewöhnlich. Die COVID-19-Pandemie hat die Arbeit im Pharmagroßhandel wesentlich geprägt. Dank des Engagements aller Mitarbeiter konnten wir zu jeder Zeit die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen und pandemiebedingte Lieferausfälle vermeiden. Die Pandemie hat auch gezeigt, wie wichtig verlässliche Vertriebswege sind. Diese müssen wir weiter stärken.

Der Gesetzgeber ist gefordert, faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Daher bedauern wir sehr, dass die Chance vertan wurde, mit dem VOASG die Gleichpreisigkeit auf der Großhandelsebene zu erhalten und für fairen Wettbewerb zwischen in- und ausländischen Großhändlern zu sorgen. Dafür werden wir uns auch in 2021 vehement einsetzen.

Die Digitalisierung der Arznei­mittelversorgung wird rasant fortschreiten. Die Patientenversorgung muss dabei im Fokus stehen. Digitalisierung bedeutet für uns eine sichere und effiziente Arzneimitteldistribution. Dazu gehören intelligente technische Lösungen, die die Vorteile der Vor-Ort-Apotheken mit digitalen Services verbinden.

Die Pandemie hat uns gelehrt, dass die Gesundheitspolitik umdenken muss. Oberstes Primat muss die Versorgungssicherheit sein. Es wäre fatal, wenn die Politik wieder mit Kostendämpfungsmaßnahmen genau die Strukturen gefährdet, die ihre Bedeutung gerade jetzt eindrucksvoll unter Beweis stellen. Als Großhandel benötigen wir verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch, dass unser Margenverfall gestoppt wird. Wir stehen zu unserem Versorgungsauftrag, wenn die Politik in 2021 zum Großhandel steht.

André Blümel, 
Vorsitzender des Phagro | Bundesverband des pharma­zeu­tischen Großhandels e. V.

E-Rezept kann Apothekenmarkt grundlegend verändern

Foto: Apobank

Ulrich Sommer

Das Jahr 2020 hat uns allen vor Augen geführt, wie unverhofft Krisensituationen auftreten können, aber auch wie solide unser Gesundheitssystem ist. Insbesondere die Apothekerinnen und Apotheker haben bei den vielen Herausforderungen während der Corona-Pandemie eindrucksvoll gezeigt, wie bedeutend sie und ihre Berufung für unsere Gesellschaft sind. Mit ihrem Einsatz, ihrer Schnelligkeit und ihrer Flexibilität leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung. Ich bin überzeugt, Apothekerinnen und Apothekern wird weiterhin eine bedeutende Verantwortung als Gesundheitsmanager in dieser Pandemie zukommen. Das gilt auch darüber hinaus.

Eine gute Grundlage dafür sind die kürzlich verabschiedeten Regelungen im Apothekenstärkungsgesetz. Diese bieten große Chancen für alle Beteiligten, neue pharmazeutische Dienstleistungen mit Leben zu füllen. Die dauerhafte Festschreibung der Botendienstvergütung ist ein weiterer richtiger und notwendiger Schritt, um die Apotheken zu stärken. Auch das umstrittene Boni-Verbot für verschreibungspflich­tige Arzneimittel ist nun endlich umgesetzt. Spannend bleibt, wie ein möglicher weiterer Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof ausgehen wird.

Das Potenzial, den Apothekenmarkt grundlegend zu verändern, hat das elektronische Rezept, das für Mitte 2021 avisiert ist. Versandhändler, insbesondere aus dem benachbarten EU-Ausland, hoffen auf den Durchbruch im Rx-Bereich. Entscheidend wird das Verhalten der Patienten bei der Einlösung von Rezepten sein. Für unsere Apothekerinnen und Apotheker vor Ort kommt es darauf an, die eigene Strategie im Sinne der Patienten zu prüfen und sich zum Beispiel über Apothekerplattformen einen weiteren Vertriebskanal zu erschließen.

Insgesamt bieten sich neue Möglichkeiten für die Apothekerschaft, ihre unverzichtbaren Kenntnisse in der Gesundheitsversorgung zum Wohl der Bevölkerung einzusetzen und damit ihre wichtige Stellung weiter zu untermauern. Als Bank der Gesundheit stehen wir an der Seite unserer Apothekerinnen und Apotheker und leisten unseren Beitrag zu ihrer Unterstützung.

Ulrich Sommer, 
Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank)

Apotheken brauchen auch eine virtuelle Eingangstür

Foto: Treuhand Hannover

Dr. Frank Diener

Von den reinen Betriebszahlen her betrachtet, erwarten wir für 2021 eine ähnliche Entwicklung wie 2020. Es wird insgesamt ein Umsatzplus geben. Doch zum einen wird ein Viertel davon durch schließungsbedingte Umverteilung verursacht sein. Zum anderen wird die Teilhabe am Plus erneut ungleich zwischen kleinen und großen Apotheken sein – wieder einmal wird ein Viertel der Betriebe sogar ein Umsatz­minus haben. Die Steigerungen beim Wareneinsatz, den Personal- und übrigen Betriebskosten werden sich insgesamt fortsetzen. Bei über 2000 Apo­theken kommen die Probleme in Sachen AvP-Insolvenz hinzu.

Die Corona-Pandemie, die 2021 noch nicht überwunden sein wird, hat zu einer sehr positiv veränderten medialen und gesellschaftlichen Wahrnehmung der Systemrelevanz der Vor-Ort-Apotheken geführt: Im Frühjahr haben sie aus dem Stand heraus als Desinfektionsmittelhersteller und zum Jahreswechsel als Ad-hoc-Gratismaskenverteiler und das komplette Jahr dazwischen als Lieferengpasslöser fungiert. In der Folge wurde das VOASG im Herbst 2020 ganz anders als im Herbst zuvor in der Regierung und EU-Kommission diskutiert und geradezu geräuschlos parlamentarisch ver­abschiedet. Für 2021 erwarten wir in Sachen Impfen, Testen und pharmazeutische Dienstleistungen neue Weichenstellungen für Apotheken.

Wesentlichste strukturelle Änderung wird der Umstieg aus der „alten“ in die „neue Rezeptwelt“ sein, der ab Sommer 2021 beginnen wird – zunächst freiwillig, ab 2022 dann obligat. Nicht das E-Rezept als solches wird dabei die größte Änderung sein, sondern das Aufkommen neuer Kunden­typen, die ihre Rezeptcodes auch „aus der Ferne“ einlösen können. Manche werden das häufig, andere ab und zu tun, andere werden mehr Botendienst fordern oder „click & collect“ praktizieren. Für die Vor-Ort-Apotheken wird ihre digitale Sichtbarkeit, ihre digitale Zugänglichkeit und die Erweiterung ihrer Aufbau- und Ablauf­organisation im Hinblick auf diese Kunden zu einem wich­tigen Erfolgskriterium: Sie brauchen neben der analogen auch eine virtuelle Eingangstür.

Dr. Frank Diener, 
Generalbevollmächtigter, Treuhand Hannover GmbH Steuerberatungsgesellschaft

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