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Beratung
Nicht lecken!
Die Behandlung eines Leckekzems kann langwierig sein
Beim Lippenleckekzem handelt es sich um eine Entzündung der Lippenhaut (Cheilitis sicca). Typische Symptome sind Trockenheits- und Spannungsgefühl, Schuppungen, Rötungen, Schwellungen und Fissuren. Zusätzlich kann die periorale Haut betroffen sein, zum Beispiel beim „Schnullerekzem“. Umweltfaktoren wie starke Sonnenbestrahlung der ungeschützten Lippen, niedrige Temperaturen, geringe Luftfeuchtigkeit oder Wind können die Symptome verschlimmern oder auch die Ursache dafür sein, dass Lippen „austrocknen“ und Betroffene dann das Bedürfnis entwickeln, sie regelmäßig mit der Zunge zu befeuchten. Eine Cheilitis sollte rasch behandelt werden, um Komplikationen wie beispielsweise Mundwinkelrhagaden vorzubeugen. Diese können nicht nur die Behandlungsdauer verlängern, sondern auch eine Infektion mit Bakterien oder Pilzen begünstigen. Für die Empfehlung in der Apotheke stehen zahlreiche Produkte zur Verfügung. Während Lippenstifte vorrangig dem Schutz der empfindlichen Lippenhaut dienen, können halbfeste Zubereitungen deren Regeneration unterstützen (s. Tab.).
Präparate | Hauptinhaltsstoffe | Anwendungsempfehlungen (Auswahl) |
---|---|---|
Bepanthol® Lippencreme | Panthenol, Tocopherol | reichhaltige Creme für raue, rissige Lippen |
Echinacin® Lipstick Madaus Care + Sun | Echinacea-purpurea-Extrakt | Pflege und Schutz vor UV-Strahlen (LSF 20) |
Eucerin® Acute Lip Balm | Licochalcone A, Nachtkerzensamenöl, Dexpanthenol, Sheabutter | beruhigt und regeneriert die gesamte Mundpartie; auch für eingerissene Mundwinkel geeignet |
Everon® Lippenpflege Weleda | Sheabutter, Candelilla- und Rosenwachs | Schutz vor Austrocknen |
Frei öl Hydrolipid Lippenpflege | Bienenwachs, Bisabolol, Vitamin E | Schutz und Pflege spröder und rissiger Lippen |
Kneipp® Lippenpflege hautzart | Mandelöl, Candelillawachs | zarte Pflege für weiche und geschmeidige Lippen |
La Roche-Posay Cicaplast Intensiv-Lippen-Pflege | Karitébutter, Panthenol | Schutz für beanspruchte Lippen |
Letibalm peribucal | Bisabolol, Sheabutter-Extrakt, Tocopherol, Zinkoxid | zum Schutz der Lippen und Mundpartie; auch für Säuglinge geeignet (z. B. bei ausgedehnter Nutzung eines Schnullers, Milchreflux oder Zahndurchbruch) |
Lippenkosmetikum Dr. Hauschka | Rizinusöl, Bienenwachs, Pflanzenauszüge (z. B. Karotte und Wundklee, Ringelblume) | für empfindliche Lippen, Schutz vor Umwelteinflüssen |
Lippenpflege LSF 20 Neutrogena® | Bisabolol, Titandioxid | Schutz vor Umwelteinflüssen, mit LSF 20 |
Louis Widmer Remederm Lippenbalsam | Shea Butter, Panthenol, Vitamin A und E und reine Pflanzenöle wirken rückfettend und hautberuhigend | parfümfreie Intensivpflege für sehr trockene, rissige und stark beanspruchte Lippen |
Pierre Fabre Avène Cold Cream Lippenbalsam | Jojobawachs, Rizinusöl, Sheabutter | Schutz und intensiv nährende Pflege bei trockenen, spröden Lippen |
Pierre Fabre Avène Cold Cream reichhaltiger Lippenpflegestift | Alpha-Bisabolol, Sucralfat | Pflege und Schutz bei trockenen, spröden Lippen |
Tannosynt® Creme | synthetischer Gerbstoff | Juckreiz-lindernd, entzündungshemmend, auch für Säuglinge geeignet (z. B. bei Schnullerekzem) |
Krankheiten und Mangelzustände als Ursache
Durch eine Lokalbehandlung in Kombination mit Verhaltensänderung („Leck-Stopp“) kann ein Leckekzem innerhalb von ein bis zwei Wochen ausheilen. Ist dies nicht der Fall oder treten die Beschwerden wiederholt schubweise auf, kommen andere Ursachen infrage. So zählen entzündete Lippen und Mundwinkelrhagaden zu den Nebensymptomen der atopischen Dermatitis. Auch ein Mangel an Eisen, Vitamin B2 oder Vitamin B6 kann zu Schädigungen der Lippen und Mundwinkelrhagaden führen. Für trockene, gerötete und schuppige Lippenveränderungen aufgrund eines Mangels an B-Vitaminen wird auch der Begriff Cheilosis verwendet. Betroffenen können entsprechende Präparate (z. B. B2-ASmedic® Tabletten, Vitamin B6 20 mg Jenapharm® Tabletten) empfohlen werden. Da ein Mangel an Riboflavin oder Pyridoxin häufig mit einer Unterversorgung weiterer B-Vitamine verbunden ist, empfiehlt sich die kurmäßige Einnahme eines Vitamin-B-Komplexpräparates (z. B. Vitamin B Complete Hevert®). Für eine orale Eisen-Supplementation eignen sich aufgrund ihrer besseren Resorbierbarkeit zweiwertige Eisenverbindungen (z. B. Floradix® mit Eisen Lösung zum Einnehmen). Ältere Menschen sollten pro Tag nicht mehr als 30 mg Eisen supplementieren, da sonst die Gefahr eines Eisenüberschusses besteht. Bei älteren, pflegebedürftigen und/oder dementen Menschen sollte in Betracht gezogen werden, dass auch Dehydratation, eine überwiegende Mundatmung durch Verlegung der Luftwege in der Nase oder zwanghaftes Kauen auf der Unterlippe zu Cheilitis führen kann.
Grenzen der Selbstmedikation
Die Selbstmedikation erreicht ihre Grenzen, wenn ein dauerhaftes Benässen der Lippen und angrenzender Bereiche durch übermäßigen Speichelfluss (Hypersalivation) hervorgerufen wird. Dies ist bei zahlreichen neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Meningoenzephalitis, multiple Sklerose oder Morbus Parkinson der Fall. Zum Austreten von Speichel aus dem Mund bei Säuglingen und Kleinkindern sagt die aktuelle S2-Leitlinie „Hypersalivation“ aus, dass es sich hierbei um ein physiologisches Reifungsphänomen handelt. Erst wenn es auch nach dem vierten Lebensjahr im Wachzustand weiter besteht, kann eine Behandlung in Betracht gezogen werden. Für Kinder und Jugendliche ab drei Jahren mit chronischen neurologischen Erkrankungen ist seit 2016 zur symptomatischen Behandlung von schwerer Sialorrhö das Anticholinergikum Glycopyrroniumbromid (Sialanar®) zugelassen. Der Hintergrund dafür ist, dass die Salivation primär durch die parasympathische Innervation der Speicheldrüsen gesteuert wird. Für Erwachsene sind Injektionen mit Incobotulinumtoxin A in die großen Speicheldrüsen bei chronischer Sialorrhö aufgrund neurologischer Erkrankungen zugelassen. Bei Verdacht auf eine Kontaktallergie (z. B. auf Inhaltsstoffe von Zahnpasta, Lippenkosmetika) als Ursache der Cheilitis sollte Betroffenen ein Besuch beim Dermatologen zwecks Epikutantestung angeraten werden. Maligne Hautveränderungen wie aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinome können sich auch im Bereich der Lippen manifestieren. Besonders gefährdet sind Menschen mit Berufen in der Landwirtschaft und im Baugewerbe, denn die aktinische Keratose tritt vorrangig an unzureichend geschützten Stellen auf, die direkt der Sonne ausgesetzt sind (Sonnenterassen).
Arzneimittel als Auslöser
Auch Arzneimittel und Allergene kommen als Auslöser einer Cheilitis infrage. Das ist zum Beispiel bei systemischen Retinoiden der Fall. Bei Alitretinoin (z. B. Alitrederm® Weichkapseln), das systemisch zur Behandlung des schweren chronischen Handekzems eingesetzt wird, sind trockene Lippen und Cheilitis eine häufige Nebenwirkung. Bei Isotretinoin (z. B. Isotretinoin-ratiopharm® Weichkapseln), das für schwere Akne-Formen zugelassen ist, wurde die Nebenwirkung Lippenentzündung in Studien sehr häufig beobachtet. Patienten sollte deshalb geraten werden, von Behandlungsbeginn an zur Hautpflege eine Feuchtigkeitssalbe oder -creme und einen Lippenbalsam (s. Tab.) zu verwenden. Lokale Zubereitungen mit Tretinoin (z. B. Airol® 0,05% Creme), die bei milden bis mäßig ausgeprägten Formen von Akne comedonica und Akne papulopustulosa verordnet werden, sollte nicht zu nahe an den Lippen aufgetragen werden. Bei Neuroleptika mit der Nebenwirkung Hypersalivation (z. B. sehr häufig unter Clozapin), kann der nach außen ablaufende Speichel ebenfalls negative Folgen für die Lippenhaut haben.
Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen
Bei Säuglingen und Kleinkindern mit einem „Schnullerekzem“ wird die gerötete Haut mehrmals täglich trocken getupft und mit einer Creme mit wundheilungsfördernden oder juckreizlindernden Inhaltsstoffen (s. Tab.) behandelt. In bestimmten Lebensphasen wie dem Zahndurchbruch sollten regelmäßig speziell für Säuglinge geeignete Pflegeprodukte zum Schutz der Lippen und der perioralen Haut aufgetragen werden. Kinder und Jugendliche, bei denen sich das Belecken der Lippen oder das Kauen an der Unterlippe zu einem Tic entwickelt hat, benötigen Unterstützung, um diese Gewohnheit abzulegen. Bei Jugendlichen mit Untergewicht können gerötete und rissige Lippen auch auf eine Bulimie hindeuten, da durch regelmäßiges Erbrechen sauren Mageninhaltes die Lippenhaut geschädigt wird. |
Literatur
Cheilitis simplex. Altmeyers Enzyklopädie Dermatologie, www.enzyklopaedie-dermatologie.de/dermatologie/cheilitis-simplex-809, Stand Oktober 2017, abgerufen am 19. Oktober 2020
Hypersalivation. S2k-Leitlinie, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V., AWMF-Registernummer 017 – 075, Stand: 16. September 2018, gültig bis 15. September 2023
Neurogene Dysphagie. S1-Leitlinie, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN), AWMF-Registernummer: 030/111 Stand: 29. Februar 2020, gültig bis 31. Dezember 2023
Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut. S3-Leitlinie, Langversion 1.1, 2020, AWMF Registernummer: 032/022OL, www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/aktinische-keratosen-und-plattenepithelkarzinom-der-haut/
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