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Arzneimittel und Therapie
Sprühen, damit Mann länger kann
Lidocain/Prilocain-Spray gegen vorzeitigen Samenerguss bald ohne Rezept
Das Lidocain/Prilocain-haltige Fortacin®-Spray gegen vorzeitigen Samenerguss (Ejaculatio praecox, s. Kasten) ist in Deutschland und anderen europäischen Ländern als rezeptpflichtiges Arzneimittel auf dem Markt. Im November 2013 wurde es erstmalig in der Europäischen Union (EU) im Rahmen eines zentralisierten Verfahrens zugelassen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat bei seiner Sitzung am 23. Juli 2020 die Entlassung des Arzneimittels aus der Rezeptpflicht empfohlen. Stimmt die EU-Kommission zu, besitzt Fortacin® fortan in allen Mitgliedstaaten des europäischen Wirtschaftsraums den Status zur Selbstmedikation.
Ejaculatio praecox
Der vorzeitige Samenerguss (Ejaculatio praecox) ist die häufigste Sexualstörung des Mannes. Dabei erfolgt die Ejakulation regelmäßig innerhalb einer Minute nach Einführung des Gliedes in die Scheide oder schon davor, und eine Verzögerung der Ejakulation ist für den Mann nicht möglich. Folgen sind unter anderem Frustration und Scham bis hin zu Depressionen sowie ein unerfülltes Sexualleben auf beiden Seiten.
Gegenüber der primären Form des vorzeitigen Samenergusses, die den Mann zeitlebens seit den ersten sexuellen Kontakten verfolgt, tritt die sekundäre Form erst im Laufe seines Lebens z. B. infolge von einer Hyperthyreose, Prostatitis oder erektilen Dysfunktion auf. Die genauen Ursachen der Ejaculatio praecox sind bis heute nicht bekannt. Vermutet wird neben psychischen Ursachen auch ein gestörter Serotonin-Stoffwechsel. Hier greift das einzige verschreibungspflichtige Oraltherapeutikum (Dapoxetin, Priligy®) an, das für diese Indikation zugelassen ist. Da der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer nur kurzfristig bei Bedarf eingesetzt wird, ist die antidepressive Wirkung zu vernachlässigen. Neben der medikamentösen Therapie können auch von einem Psycho- oder Sexualtherapeuten geschulte sexuelle Stimulationstechniken (z. B. Start-Stopp-Technik, Squeeze-Technik) für Betroffene hilfreich sein.
Gehemmte Signalübertragung
Das Kombinationspräparat, bestehend aus Lidocain (150 mg/ml) und Prilocain (50 mg/ml), ist zur Behandlung der primären (lebenslangen) vorzeitigen Ejakulation bei erwachsenen Männern zugelassen. Es erhöht die intravaginale ejakulatorische Latenzzeit, verbessert die Kontrolle über die Ejakulation und senkt den Leidensdruck von Patienten mit vorzeitigem Samenerguss. Inhaber der Zulassung ist Recordati Ireland Ltd., die in Deutschland durch die Recordati Pharma GmbH mit Sitz in Ulm vertreten ist.
Das farblose bis hellgelbe Dosierspray ist zur Anwendung auf der Haut bestimmt und sollte mindestens fünf Minuten vor dem Geschlechtsverkehr auf den gesamten Bereich der Eichel (Glans penis) gesprüht werden. Die beiden Lokalanästhetika blockieren reversibel die Übertragung von Nervenimpulsen und führen so zu einer Desensibilisierung der Eichel. Während der Effekt von Lidocain innerhalb weniger Minuten einsetzt, wirkt Prilocain langsamer, aber dafür länger anhaltend. Die Zeit bis zum ungewollten Samenerguss kann dadurch deutlich hinausgezögert werden, ohne das Empfinden der Ejakulation negativ zu beeinflussen. Es wurde nachgewiesen, dass auch nach wiederholten Anwendungen die Wirksamkeit des Sprays bestehen bleibt.
Drei Sprühstöße pro Anwendung
Die empfohlene Dosis für eine Anwendung beträgt drei Sprühstöße. Für eine korrekte Handhabung muss die Vorhaut zurückgezogen werden, um die Eichel freizulegen. Die Lösung wird dann mit aufrecht gehaltener Dose aufgesprüht, sodass mit jedem Sprühstoß (7,5 mg Lidocain und 2,5 mg Prilocain) jeweils ein Drittel der Eichel bedeckt wird. Überschüssiges Spray sollte nach fünf Minuten und vor dem Geschlechtsverkehr abgewischt werden. Ein wiederholter Einsatz ist möglich, jedoch sollten innerhalb von 24 Stunden drei Anwendungen mit einem Mindestabstand von vier Stunden zwischen den einzelnen Dosen (22,5 mg Lidocain und 7,5 mg Prilocain) nicht überschritten werden.
Vor der ersten Anwendung muss die Sprühdose kurz geschüttelt und der Pumpmechanismus durch drei Sprühstöße in die Luft aktiviert werden. Jeder weiteren Anwendung sollten ein erneutes kurzes Schütteln und einmaliges Sprühen in die Luft vorangehen. Bei der Verwendung des Sprays ist darauf zu achten, dass die Sprühdose vom Gesicht weggehalten wird, um den Kontakt mit Ohren, Augen, Nase und Mund zu vermeiden. Bei Kontakt sind ein vorübergehendes Taubheitsgefühl und herabgesetztes Schmerzempfinden (Hypästhesie) mit entsprechender Verletzungsgefahr die Folge. Das gilt auch, wenn das Arzneimittel beim Geschlechtsverkehr z. B. in die Scheide oder den Anus gelangt. Hier ist besondere Vorsicht geboten, um Verletzungen z. B. bei sexuellen Handlungen vorzubeugen.
Keine Kondome aus Polyurethan
Werden beim Geschlechtsverkehr Kondome verwendet, sollte darauf geachtet werden, dass diese nicht aus Polyurethan sind. Die gemeinsame Anwendung mit Fortacin® kann aufgrund von Inkompatibilitäten zur Beschädigung der Kondome führen, und der Schutz vor Schwangerschaft oder Krankheiten ist nicht mehr gewährleistet. Kunden, die das Spray in der Apotheke erwerben, sollten auf die Problematik hingewiesen werden.
Im Fall einer Schwangerschaft der Partnerin sollte Fortacin® als Vorsichtsmaßnahme zum Schutz des ungeborenen Kindes nicht eingesetzt werden, es sei denn, der Mann verwendet Kondome. Während der Stillzeit der Partnerin gelten keine Einschränkungen. Lidocain und Prilocain werden zwar in die Muttermilch ausgeschieden, aber bei therapeutischen Dosierungen sind keine Auswirkungen auf das Kind zu erwarten. Patienten, die eine Empfängnis erhoffen, sollten hingegen auf die Anwendung von Fortacin® verzichten, da das Arzneimittel die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft reduzieren kann. Ist das Spray für eine erfolgreiche Penetration erforderlich, muss der Penis fünf Minuten nach Anwendung des Arzneimittels, aber noch vor dem Geschlechtsverkehr so gründlich wie möglich gewaschen werden.
Risiken und Nebenwirkungen
Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören bei den behandelten männlichen Patienten Hypästhesie im Genitalbereich und Erektionsstörungen. Darüber hinaus kann es zu Kopfschmerzen, Hautreizungen und Schmerzen (Brennen, Kribbeln, Jucken) am bzw. um den Penis kommen. Bei den Partnerinnen sind ein brennendes Gefühl im Vulvovaginalbereich und verminderte Sensibilität in und um die Scheide die am häufigsten auftretenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Gelegentlich kann es auch hier zu Kopfschmerzen sowie zu vaginalen Candidainfektionen und Schmerzen (Brennen, Jucken) in der Scheide kommen. Wird das Spray versehentlich eingeatmet, sind lokale Rachenreizungen möglich.
Das Risiko einer Überdosierung ist aufgrund der oberflächlichen Anwendung relativ niedrig. Wurde zu viel aufgesprüht, kann der Überschuss abgewischt werden. Symptome bei Anwendung einer zu hohen Menge Fortacin® können z. B. Benommenheit, Schwindelgefühl, Kribbeln um den Mund, Geschmacksstörungen, Taubheitsgefühl der Zunge, verschwommenes Sehen und Ohrgeräusche sein.
Nicht für jeden Mann geeignet
Aufgrund der Art der Anwendung und der sehr niedrigen systemischen Resorption ist eine Dosisanpassung bei Patienten mit Leber- oder Niereninsuffizienz nicht erforderlich. Lediglich bei schweren Beeinträchtigungen der Leber ist Vorsicht geboten. Patienten, die Antiarrhythmika der Klasse III (z. B. Amiodaron) einnehmen, sollten ebenfalls Vorsicht walten lassen. Das Gleiche gilt für Patienten oder ihre Partner, die unter einem Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel oder Methämoglobinämie leiden, da diese empfindlicher für eine arzneimittelinduzierte Methämoglobinämie sind. Die Sprühdose ist nicht über 25°C zu lagern und sollte nicht eingefroren werden. Zwölf Wochen nach der ersten Anwendung muss sie (nicht über den Hausmüll) entsorgt werden. |
Literatur
Fachinformation Fortacin®, Stand Oktober 2019
Gebrauchsinformation: Informationen für Anwender, Fortacin®, Stand Oktober 2017
Fortacin. Informationen der EMA, www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/fortacin, Abruf am 18. August 2020
Innovative Therapie beim vorzeitigen Samenerguss, Informationen der Recordati Pharma GmbH, www.recordati.de/aktuelles, Abruf am 18. August 2020
Vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox), Informationen der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V., www.urologenportal.de/patienten/patienteninfo/patientenratgeber/vorzeitiger-samenerguss-ejaculatio-praecox.html, Abruf am 18. August 2020
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