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Digitalisierung

Rezensionsmanagement als Chance

Wie die Apotheken online sichtbar und die Kunden zufriedener werden

Sichtbarkeit im Internet bedeutet für Händler und Geschäftsleute heute auch, auf eine Form der Selbstbestimmung zu verzichten. Auch die eigene Apotheke erhält auf diversen Plattformen Bewertungen von mehr oder weniger anonymen Nutzern. Will man das als Inhaber? Haben diese Plattformen eine „Erlaubnis“ dafür, dass Nutzer einfach so Apotheken rezensieren dürfen? Der Kampf gegen die Bewertungsportale gleicht einem Kampf gegen Windmühlen. Stattdessen kann der rege Austausch im Internet mitgestaltet und eine positive öffentliche Wahrnehmung bewirkt werden. | Von Thomas Koch

Das Internet ist auch nicht mehr das, was es einmal war: In den 1990er-Jahren schufen lokale Einzelhändler ihre Berührungspunkte mit Kunden und Interessenten im Netz selbst, indem sie eine Homepage zu ihrem Unternehmen anlegten. Über Suchmaschinen konnten Nutzer eine Apotheke finden, auf deren eigene Website wechseln und sich dort informieren. Der digitale Kontakt beschränkte sich auf die eigene Internetseite. Zu Beginn der 2000er-Jahre wurden mehr und mehr Berührungspunkte von außen geschaffen. Größere Plattformen schossen aus dem Boden, die auf Unternehmen verweisen, ohne diese vorher um Erlaubnis gefragt zu haben. Fachleute sprechen bei diesen Diensten für Karten oder die Navigierung, bei Verzeichnissen, Suchmaschinen, Sprachassistenten und Chatoberflächen von sogenannten Listings. Gemeint sind Dienste wie Google Maps, Bing, Yelp, meinestadt.de, Alexa, Tomtom, Here und viele mehr. Diese Plattformen wurden stetig attraktiver. Um ihre Angebote bekannt zu machen, investieren diese Plattformen in Maßnahmen zur Auffindbarkeit und Werbung in Suchmaschinen. Parallel dazu hat sich das Verhalten der Nutzer geändert. Bis Mitte der Neunzigerjahre suchte man hauptsächlich über die Gelben Seiten nach Firmenstandorten, dann schaltete man eventuell noch die Suchmaschine ein. Heute werden Unternehmen meist direkt über Plattformdienste wie z. B. Google Maps selbst gesucht.

Das Recht zu Bewerten

Die Möglichkeiten sind vielfältig geworden, um über das Internet mit Kunden in Kontakt zu treten. Jede Apotheke ist auf unzähligen Plattformen gelistet, wo Informationen hinterlegt werden und Nutzer die Offizin bewerten. Vielleicht denkt man jetzt: „Das muss doch illegal sein. Alle meine Einträge müssen dort entfernt werden!“ Prinzipiell kann jeder die Grundsatzdiskussion über Urheberrechte von Adress­daten im Privaten wie im Öffentlichen führen. Aber eines bleibt gewiss: Den Standort der eigenen Apotheke wird man nicht löschen können. Würde man den Standort auf einer der Plattformen löschen, würde er schnell wieder angelegt werden – entweder durch Nutzer oder durch die Informationen anderer Plattformen. Portale verifizieren ständig ihre Daten mit denen anderer Websites. Sie sammeln und erstellen neue Daten und löschen geschlossene Standorte. Viele der Plattformen bieten an, Standorte zu bewerten. Nach Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) aus den Jahren 2009 und 2014 sind Bewertungen grundsätzlich legal. Die Problematik erregte erstmals 2007 mit dem sogenannten „Spickmich-Prozess“ das Interesse der Öffentlichkeit. Damals hatte eine Gymnasiallehrerin die Betreiber des Portals spickmich.de verklagt, auf dem Schüler ihre Lehrer benoteten. Nach dem Urteil des BGH sind Bewertungen von der Meinungsfreiheit durch Art. 5 GG geschützt. Ärzte, Unternehmen oder Selbstständige müssen sich auf öffentlichen Bewertungsportalen rezensieren lassen dürfen – auch Apotheken.

Der neuer Goldstandard der Informationsgewinnung

In der Zeit, in der wir leben, sind Informationen im Überfluss vorhanden – sie überfluten uns regelrecht. Diese alltägliche Reizüberflutung geht mit Falschmeldungen, gekauften positiven Bewertungen und Clickbaits (zu Deutsch: Klickköder) einher. Verbraucher möchten und können nicht ständig die Echtheit von Informationen überprüfen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Verbraucher stärker auf aggregierte Kompaktbewertungen auf namhaften Portalen vertrauen. Verdichtete Informationen, die leicht konsumiert und eingeordnet werden können, bekommen so einen großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Bewertungsforen lassen sich im Bereich der sozialen Medien einordnen. Nutzer möchten mitsprechen, mitwirken und mitgestalten. Sie tauschen sich online über Themen aus, die sie beschäftigen. Der durchschnittliche Internetnutzer schenkt Produktempfehlungen und Informationen von Freunden oder unbekannten Dritten auf sozialen Medien mehr Glauben als Aussagen von Unter­nehmen. Empfehlungen und Bewertungen von unabhängigen Personen suggerieren eine Distanz zu klassischen Werbemaßnahmen und strahlen Glaubwürdigkeit aus. Diese digitale Mund-zu-Mund-Propaganda beeinflusst erheblich die Reputation von Unternehmen. Das Internet ermöglicht als interaktives Medium allen Nutzern, ihre Meinungen und Wahrnehmungen ohne räumliche Restriktionen online zu veröffentlichen. Die Informationen sind mannigfaltig, bleiben möglicherweise über lange Zeiträume bestehen und erreichen einen stetig wachsenden Kreis von Teilnehmern – und damit auch potenzielle Kundschaft. Der Austausch anbieterrelevanter Informationen zwischen Konsumenten hat das traditionelle Marketing grundlegend verändert.

Digitalen Kontakt mitgestalten

Interessenten und Kunden blenden klassische Werbeformen (wie z. B. Werbebanner) zunehmend aus. Stattdessen formt der virale Austausch zwischen glaubwürdigen Rezensenten das Bild einer Apotheke in der Öffentlichkeit. Unternehmer sollten sich den neuen Kommunikationskanälen annehmen und mit den Rezensenten in Dialog treten. Sie sollten sich bei jedem potenziellen Berührungspunkt mit ihren Kunden auseinandersetzen und versuchen, diesen Kontakt zufriedenstellend zu gestalten. Der digitale Kontakt ist auch ein Kundenkontakt – nur eben in sozialen Medien. Auch hier sollte die Kommunikation professionell gepflegt und gestaltet werden. Für Bewertungen sollte sich bedankt werden, man sollte auf sie eingehen und mögliche Kritik als Anstoß nutzen, über Prozesse und Gegebenheiten nachzudenken. Gedanken zu Verbesserungen sollten in den Antworten reflektiert werden und die Rezensenten und alle die mitlesen wahrgenommen werden. Antworten sollten glaubwürdig, authentisch und vertrauenswürdig sein. So gewinnt man das Vertrauen von Neukunden und sichert sich das der Bestandskunden. Die vielfältigen Berührungspunkte mit den Kunden sollten als Chance angesehen werden. Ob ein Kunde über Golocal, Cylex, sein Navigationssystem oder Bing zur Apotheke findet, ist im Prinzip unwichtig. Wichtig ist, dass er sie findet. Daher sollten die Adressdaten und Öffnungs­zeiten unbedingt korrekt hinterlegt sein. Außerdem muss Rezensionsmanagement nicht nur passiv ablaufen: Die Apothekenkundschaft kann darauf angesprochen werden, dass man sich über eine Bewertung bei Google, Facebook oder einem der anderen Portale freuen würde. Auch können kleine Handzettel vorbereitet, ein Plakat ausgehängt oder ein Gewinnspiel vorbereitet werden. Die Mühe lohnt sich: Google bspw. belohnt den Umgang mit Rezensionen. Sucht man über Google Maps im Umkreis nach Apotheken, spielt neben der Relevanz und der Entfernung auch die sogenannte Bekanntheit eine Rolle. Die Bekanntheit definiert Google als Zusammenspiel aus der Zahl und Aktualität der Bewertungen, dem Bewertungsdurchschnitt und der Inhaber-Antwort auf die Rezensionen. Erzielt eine Apotheke gute Werte, wird die Offizin in der Listenansicht der Google Maps-Suche weiter oben erscheinen.

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Bei negativem Feedback sollte man den Dialog in eine posi­tive Richtung lenken. Reagiert man auf negative Kritik hilfreich und gut, zeigt man, dass einem die Kunden am Herzen liegen.

Negative Bewertungen als dornige Chancen

Bewertungen können auch negativ ausfallen. Lob und Tadel im Internet halten sich selten die Waage. Zufriedene Kunden sehen oft keinen Anlass, ihre Apotheke positiv zu bewerten. Dies ist natürlich anders, wenn jemand an der Beratung oder am Service etwas auszusetzen hat: Frust in Form einer Online-Bewertung abzulassen, kostet keine Überwindung und schenkt dem Unzufriedenen ein schnelles Gefühl der Genugtuung. Ob die Beschwerde rechtens ist oder nicht – jede negative Bewertung richtet Schaden an. Vor dem Besuch einer Apotheke wagen viele Kunden einen kurzen Blick ins Netz und lesen die negativen Bewertungen. Durch den professionellen Umgang mit negativen Rezensionen nimmt man seine Online-Reputation selbst in die Hand. Kommentiert die Apotheke negatives Feedback, können unzufriedene Kunden leicht zufriedengestellt werden. Möglicherweise lassen sich Kunden inspirieren, ihre Bewertung zu ändern und die Sternebewertung zu erhöhen. Folgende Punkte können beim Umgang mit negativen Kommentaren beachtet werden:

  • Auf negative Kommentare sollte frühzeitig reagiert werden. So vermeidet man, dass sich weitere unzufriedene Personen zu Wort melden und im schlimmsten Fall ein Shitstorm droht. Außerdem vermeidet man so, dass negative Kritik nicht als neuester Inhalt unbeantwortet oben erscheint und alle Blicke auf sich zieht.
  • Die Antworten sollten trotz der Eile mit Bedacht gewählt und die Vorwürfe geprüft werden. Beim Team sollte nachgefragt werden, wie die Beschwerde zustande kam und ob sich der Kunde mit seinem Anliegen bereits vor Ort gemeldet hat.
  • Auch bei üblen Beschimpfungen sollte besonnen und sachlich reagiert werden. Mit einer vorgefertigten Pauschalantwort wird die Ablehnung oft noch mehr verstärkt. Auch wenn zunächst die Enttäuschung über die schlechte Bewertung überwiegt: Können einige Punkte vielleicht wirklich verbessert werden? Bei vielen (zutreffenden) Problemen wurden in der Apotheke bestimmt schon Maßnahmen erprobt, die unternommen werden könnten. Kurz und knapp sollte man erläutern, wie die Situation verbessert wird oder in naher Zukunft verbessert werden soll.
  • Teilweise ergehen sich Kunden online in Schimpftiraden. Verbale Entgleisungen unterhalb der Gürtellinie muss man sich keineswegs gefallen lassen. Von Hasskommentaren, Beleidigungen oder unangebrachten Kommentaren kann sich distanziert werden, indem geschickt gekontert oder der Nutzer an einen sachlichen und respektvollen Umgangston und die Netiquette erinnert wird.
  • Auch bei negativen Kommentaren sollte man den Dialog in eine positive Richtung lenken. Allein hilfsbereit zu sein und zu versuchen, einen Lösungsweg zu finden, kann die allgemeine Stimmung verbessern. Reagiert man auf negative Kritik hilfreich und gut, zeigt man, dass einem die Kunden am Herzen liegen. Außerdem sollten Kontaktmöglichkeiten angeboten werden. Dadurch wird deutlich, dass das Angebot ernst gemeint ist und man sich gerne mit dem unzufriedenen Kunden austauschen möchte.
  • Im schlimmsten Fall hat die Apotheke eine Ein-Stern-Rezension ohne konkrete Kritikpunkte erhalten, auf die man in einer Antwort eingehen könnte. Doch auch hier sind Dank für den Kommentar und Verständnis für den Unmut angebracht. Der Kunde sollte um eine detaillierte Schilderung der Probleme gebeten werden. Hier bieten sich zwei Möglichkeiten an: Entweder äußert sich der unzufriedene Kunde erneut – oder eben nicht. In jedem Fall sehen interessierte Leser (also potenzielle Kunden), dass Kritik ernst genommen wird und der Betrieb ver­bessert werden soll.

Fazit

Durch professionelles Rezensionsmanagement profitieren Apotheken langfristig von einer höheren Kundenbindung. Akkurates und ehrliches Kundenfeedback sollte genutzt werden, um Prozesse weiter zu optimieren und die Kundenzufriedenheit langfristig auf einem hohen Niveau zu halten. Auch Apothekenkunden beachten „Sterne-Bewertungen“ und schenken einer Apotheke mit vielen Sternen mehr Beachtung als einer mit weniger Sternen. Letztlich wird das konsequente Bewertungsmanagement zu höheren Klick­raten auf der Website oder dem Webshop sowie zu mehr Umsatz online wie offline führen. |

Autor

Thomas Koch leitet die Produktlinie „apotheken.de“ beim Deutschen Apotheker Verlag. Mit den mein.apotheken.de-Tools bietet der Deutsche Apotheker Verlag Vor-Ort-Apotheken Instrumente für die digitale Kundenbindung. Mit dem Tool „apotheken.de Online-Sichtbarkeit“ managen bereits mehrere Tausend Apotheken ihre Präsenz und Bewertungen auf etwa 45 der relevantesten Online-Portale.

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