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- DAZ 30/2020
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Beratung
Es wird heiß
Trotz Sommerhitze einen kühlen Kopf bewahren
Bei erhöhten Außentemperaturen, zum Beispiel durch längere Sonneneinstrahlung, verfügt der menschliche Organismus über zwei Hauptmechanismen, um einer Überhitzung entgegenzusteuern: Die erhöhte Schweißbildung bewirkt einen Wärmeverlust durch Verdunstung des Schweißes, und durch die Weitstellung der peripheren Gefäße kann Wärme aus dem Körperkern leichter in die Peripherie abgeleitet werden. Unter bestimmten Bedingungen können diese Regulationsmechanismen jedoch versagen. So ist eine Verdunstung des Schweißes bei zu hoher Luftfeuchtigkeit (zum Beispiel in tropischen Klimazonen) eingeschränkt. Eine Wärmeabstrahlung über die Haut ist nicht möglich, wenn die Außentemperatur über der Körpertemperatur liegt. Daraus können lebensbedrohliche Zustände, zum Beispiel ein Hitzschlag, resultieren. Weniger dramatisch, aber dennoch nicht ungefährlich sind die Folgen der Gefäßweitstellung für den Kreislauf. Denn dadurch sinkt kurzzeitig der Blutdruck, und Symptome wie Schwindel, Kopfschmerzen oder Übelkeit können die Folge sein.
Besonders vulnerable Kundengruppen
Aus diesen Zusammenhängen kann man allgemeine Maßnahmen zur Stabilisierung des Kreislaufs ableiten (s. Kasten „Was der Hitzeknigge empfiehlt“). Darüber hinaus lassen sich Empfehlungen für besonders vulnerable Patientengruppen geben. So können Babys noch nicht richtig schwitzen, und im höheren Alter lässt die Schweißproduktion nach. Neben dem Alter wird Hitze auch unter bestimmten physiologischen Zuständen oder bei bestimmten Krankheiten schlechter vertragen als von Gesunden. So weist der Berufsverband der Frauenärzte darauf hin, dass Hitze für Schwangere eine erhebliche Belastung für den Kreislauf bedeuten kann. Daher sollten, vor allem gegen Ende der Schwangerschaft, Anstrengungen bei hoher Umgebungstemperatur reduziert werden. Der Verband empfiehlt zur Unterstützung des Kreislaufs Wassertreten in kaltem Wasser. Diese Maßnahme könne außerdem Wassereinlagerungen in Füßen und Unterschenkeln vorbeugen. Wassertreten, kalte Beingüsse sowie häufiges Hochlagern der Beine sind auch für Menschen mit einer chronischen Venenerkrankung empfehlenswert. Denn hohe Temperaturen führen zur Gefäßerweiterung, und infolge der insuffizienten Venenklappen „versackt“ das Blut in den Beinen, die sich dann schwer anfühlen und schmerzen. Von längeren Sonnenbädern ist bei Venenleiden abzuraten. Frauen, die in den Wechseljahren von Hitzewallungen betroffen sind, werden während einer Hitzeperiode besonders stark leiden. In diesen Fällen kann die Apotheke eine Beratung zu pflanzlichen Therapeutika mit Extrakten aus Traubensilberkerze oder sibirischem Rhabarber anbieten, die auch über die Hitzeperiode hinaus für die Betroffene einen Nutzen bringen können.
Was der Hitzeknigge empfiehlt
Das Umweltbundesamt hat eine Broschüre herausgegeben, die zahlreiche Empfehlungen zum gesundheitsfördernden Verhalten bei Außentemperaturen über 30 °C enthält. Hier eine Auswahl:
- mit nassen Tüchern auf Armen, Beinen, Gesicht oder Nacken den Körper von außen kühlen; nur kühl, nicht kalt duschen
- alternativ die Haut mit einem nassen Schwamm befeuchten, ohne sie danach abzutrocknen
- stündlich ein Glas Wasser trinken, auch wenn kein Durstgefühl besteht; dabei eiskalte Getränke meiden
- über den Tag verteilt mehrere kleine Mahlzeiten mit hohem Wassergehalt (Obst, Gemüse, Salat) zu sich nehmen
- die Wohnung nur frühmorgens und nachts lüften; tagsüber Fenster, Jalousien und Vorhänge geschlossen halten
- falls keine Klimaanlage oder kein Ventilator vorhanden ist: nasse Tücher aufhängen; durch die Verdunstung wird die Luft gekühlt
- Elektrogeräte und Beleuchtung nach Gebrauch ausschalten, um deren Wärmeabgabe zu reduzieren
- weite, leichte, helle und atmungsaktive Kleidung tragen
- im Freien den Kopf mit einer Kopfbedeckung schützen, da das Gehirn besonders empfindlich für Überhitzung ist
- körperliche Aktivitäten während der heißesten Tageszeit (zwischen 11 und 18 Uhr) meiden
- auf Familienangehörige, Freunde und Nachbarn achten, besonders wenn sie zu vulnerablen Gruppen (z. B. ältere, multimorbide Menschen) zählen
Arzneimittel mit Risiken
Wirkstoffe, die während einer Hitzeperiode zusätzliche gesundheitliche Probleme verursachen können, sind vor allem unter den Antihypertonika, Parasympatholytika, Psychopharmaka und Hypnotika zu finden. Es kann beispielsweise für Hypertoniker sinnvoll sein, bei einer zu erwartenden Hitzewelle vorher den behandelnden Arzt aufzusuchen, der zur Hypotonie-Vorbeugung die Dosis des Blutdrucksenkers vorübergehend verringert. Parasympatholytika wie Mittel gegen Blasenentleerungsstörungen (z. B. Oxybutynin) oder Spasmen des Magen-Darm-Traktes (z. B. Butylscopolaminiumbromid) hemmen die Schweißproduktion, sodass Erschöpfungszustände durch Überhitzung auftreten können. Bei einer Behandlung mit Psychopharmaka ist zu bedenken, dass die Fähigkeit zum adäquaten Verhalten bei Hitze beeinträchtigt sein kann. Vorsicht ist vor allem bei Neueinstellungen auf diese Wirkstoffe geboten. Bei rezeptfreien Hypnotika (Diphenhydramin, Doxylamin) können Hangover-Effekte oder anticholinerge Eigenschaften während einer Hitzeperiode ein Risiko darstellen.
Kreislaufprobleme vermeiden
In Hitzeperioden besteht auch das Risiko für Elektrolytverschiebungen. So kann die eigentlich sinnvolle Empfehlung, ausreichend zu trinken, unter körperlicher Belastung (z. B. beim Sport) zu einer lebensgefährlichen Hyponatriämie führen. Auch Diuretika (z. B. Thiazide) bergen ein Risiko für Hyponatriämien, die sich durch zusätzliche Flüssigkeitsaufnahme verschlimmern können. Hypernatriämien kommen seltener vor als Hyponatriämien, ihre Letalität ist jedoch höher. Gefährdet sind vor allem Menschen mit verringerter Durstwahrnehmung wie ältere und geistig eingeschränkte Personen.
Informationen zu Hitze und COVID-19
Die Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG) hat Informationsblätter erarbeitet, die speziell auf Gesundheits- und Pflegeberufe zugeschnittene Informationen zu Maßnahmen zur Prävention von Hitzestress und Erschöpfung unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie enthalten: www.hitze2020.de
Für Kunden, die nach einem „Kreislaufmittel“ zur Einnahme bei Schwächeanfällen fragen, empfiehlt sich zur Selbstmedikation ein Präparat aus Weißdornbeeren-Fluidextrakt und D-Campher (Korodin® Herz-Kreislauf-Tropfen). Ein ähnliches Präparat (Korovit® Kreislauf Kapseln) enthält nur Campher, der eine analeptische Wirkung besitzt. Da Campher nicht wasserlöslich ist, sollte man die Präparate nicht in Wasser einnehmen und fünf Minuten vor und nach der Einnahme nichts trinken. Es handelt sich hierbei um traditionelle Arzneimittel, deren Wirkung nicht in klinischen Studien geprüft wurde. Die ausgelobten Eigenschaften beruhen ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger Erfahrung. Deshalb sollte bei anhaltenden, unklaren oder neu auftretenden Kreislaufbeschwerden ein Arzt aufgesucht werden. Zur Unterstützung der Wärmeregulation wird empfohlen, die Haut der Extremitäten sowie Gesicht und Nacken mit nassen Tüchern oder Schwämmen zu kühlen (s. Kasten „Was der Hitzeknigge empfiehlt“). Eine Alternative aus der Apotheke sind (Thermal-)Wassersprays (z. B. von Avène, Roche Posay). Sie eignen sich besonders für eine Erfrischung unterwegs. |
Literatur
Fachinformationen von Präparaten mit den genannten Wirkstoffen
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler. Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
Grothmann T, Becker R. Der Hitzeknigge. Über das richtige Verhalten bei Hitze. Informationsblatt zum Schutz in Hitzewellen, Hrsg.: Umweltbundesamt, www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/364/dokumente/schattenspender_hitzeknigge.pdf, Abruf am 4. Juli 2020
Gut durch den Hitzesommer kommen. Pressemitteilung der Landesapothekerkammer Hessen vom 23. Juni 2020, www.apothekerkammer.de/presse/#p1, Abruf am 3. Juli 2020
Schwanger durch den Sommerurlaub – so bleiben Sie gesund. Pressemeldung des Berufsverbandes der Frauenärzte vom 25. Juni 2020, www.frauenaerzte-im-netz.de
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