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Arzneimittel und Therapie
Kappa-Opioid-Agonist lindert Juckreiz
Difelikefalin hilft Dialyse-Patienten mit urämischem Pruritus
Chronischer urämischer Pruritus plagt fast jeden vierten Dialyse-Patienten [1]. Besonders ausgeprägt ist der Juckreiz bei Patienten mit fortgeschrittener oder terminaler Niereninsuffizienz. Die Pathogenese des Pruritus ist weitgehend unverstanden. Erklärungsansätze lassen eine metabolische Dysbalance oder eine überschießende Reaktion des Immunsystems und/oder eine Störung im endogenen Opioid-System vermuten. Besonders periphere Kappa-Opioid-Rezeptoren scheinen eine ausschlaggebende Rolle bei der Entstehung des chronischen Juckreizes zu spielen.
Nach über zehn Jahren klinischer Forschung wurden im „New England Journal of Medicine“ die Ergebnisse einer Phase-III-Studie mit einem neuen Kappa-Opioid-Rezeptor-Agonisten publiziert (s. Kasten) [2]. Bei Difelikefalin (CR845) handelt es sich um einen peripheren, hochselektiven Agonisten, der antipruritäre Effekte durch Aktivierung von Kappa-Opioid-Rezeptoren auf peripheren Neuronen und Immunzellen ausübt. Aufgrund seiner kleinen hydrophilen Peptidstruktur soll Difelikefalin nicht durch Membranen diffundieren und somit nicht ins zentrale Nervensystem (ZNS) gelangen. Der Wirkstoff wird von Cara Therapeutics entwickelt.
Besser als Placebo
In der KALM-1-Studie, einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie, konnten moderate bis schwere Pruritus-Symptome bei Dialyse-Patienten durch intravenöse Gabe von Difelikefalin deutlich reduziert werden. Teilnehmer der Studie erhielten zwölf Wochen lang im Anschluss an ihre Dialyse entweder intravenös Difelikefalin (0,5 µg/kg Körpergewicht) oder Placebo. Primärer Endpunkt war die Verringerung der Juckreizintensität um drei Punkte im Vergleich zum Ausgangswert auf der Worst Itch Numeric Rating Scale (WINRS). Die Skala reicht von 0 bis 10, wobei 10 dem stärkstmöglichen Juckreiz entspricht [3]. In der Difelikefalin-Gruppe konnte bei 51,9% (82 von 158 Patienten) der Juckreiz um mindestens drei Punkte gesenkt werden, in der Placebo-Gruppe hingegen nur bei 30,9% (51 von 165 Patienten).
Als häufigste unerwünschte Ereignisse unter Difelikefalin wurden Diarrhö, Erbrechen und Übelkeit berichtet. Die Beschwerden waren in der Regel leichter bis moderater Natur und reversibel. KALM-1 wird derzeit als unverblindete Nachbeobachtungsstudie fortgeführt, um das Sicherheitsprofil von Difelikefalin für weitere 52 Wochen zu untersuchen. Vor einer möglichen Marktzulassung sind zudem weitere Studien geplant bzw. laufen bereits.
Der lange Weg zur Publikation
Difelikefalin (CR845) überzeugt in Phase III. So sehr, dass die Studienergebnisse im renommierten „New England Journal of Medicine“ publiziert wurden. Bemerkenswert ist allerdings, dass über Difelikefalin bis dato noch keine Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift mit Peer-Review-Verfahren erfolgt ist. Eine von Hesselink 2017 durchgeführte Analyse der Kommunikationsstrategie des Unternehmens Cara Therapeutics zeigt, dass die klinischen Ergebnisse des neuen peripher wirkenden Kappa-Opioid-Agonisten seit Beginn der Entwicklung im Jahr 2008 ausschließlich durch Pressemitteilungen und Poster veröffentlicht und kommuniziert wurden. Das gesamte Profil dieses interessanten Wirkstoffs lasse sich somit nur auf Basis solcher Veröffentlichungen ableiten, die zudem alle von Autoren mit einem Interessenkonflikt verfasst wurden, so Hesselink. In der Unternehmenskommunikation würden jedoch viele Kernelemente wie die Zahl der Studienabbrecher oder nähere Informationen zur statistischen Datenanalyse fehlen. Die Erfolgsbilanz von Cara Therapeutics bei der Durchführung klinischer Studien sei dennoch groß, und alle Studien wurden auch ordnungsgemäß in Studienregistern registriert.
[Literatur: Hesselink JMK. CR845 (Difelikefalin), A Kappa Receptors Agonist In Phase III By CARA Therapeutics: A Case Of ‚Spin‘ In Scientific Writing? J of Pharmacol & Clin Res 2017;2(3):1-10]
Wird der Zweite der Erste sein?
Mit Difelikefalin wurde nun ein zweiter Kappa-Opioid-Rezeptor-Agonist zur Behandlung von moderatem bis schwerem Juckreiz bei Dialyse-Patienten entwickelt. Erster Vertreter dieser Klasse ist das in Japan verfügbare Nalfurafin (Remitch®). In Europa ist der selektive, ZNS-gängige Agonist nicht zugelassen: Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) war von der Wirksamkeit des Arzneistoffs nicht überzeugt, Hersteller Toray International zog den Zulassungsantrag Anfang 2014 nach einer negativen Beurteilung der EMA wieder zurück [4]. Angesichts der nun publizierten Daten scheinen die Chancen auf eine Zulassung von Difelikefalin hingegen nicht schlecht. |
Literatur
[1] Mettang T. Urämischer Pruritus. Der Nephrologe 2016;11(3):225-235
[2] Fishbane S et al. A Phase 3 Trial of Difelikefalin in Hemodialysis Patients with Pruritus. N Engl J Med 2019; doi:10.1056/NEJMoa1912770
[3] Naegeli AN et al. The Worst Itch Numeric Rating Scale for patients with moderate to severe plaque psoriasis or psoriatic arthritis. Int J Dermatol 2015;54(6):715-722
[4] European Medicines Agency (EMA). Rücknahme des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen für Winfuran (Nalfurafin). EMA/33514/2014, EMEA/H/C/002683. Mitteilung vom 24. Januar 2014. www.ema.europa.eu
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