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DAZ aktuell
Wer will was in Europa?
Positionen der Parteien zur Europawahl
Vom 23. bis 26. Mai wird das Europäische Parlament gewählt. Die Gesundheitspolitik und damit das Apothekenwesen sind Angelegenheiten der Mitgliedstaaten. Das ergibt sich insbesondere aus den Regeln zur Subsidiarität im Artikel 168 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Dennoch zeigt die Diskussion über die Preisbindung für ausländische Versender, wie sehr die Europapolitik auf das deutsche Gesundheitswesen wirkt. Die DAZ hat daher die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien gefragt,
- ob die Apothekenmärkte weiter von den Mitgliedstaaten geregelt oder vereinheitlicht werden sollen,
- ob die Arzneimittelpreise und die Apothekenvergütung national oder einheitlich geregelt werden sollen,
- ob die Kontrolle des grenzüberschreitenden Arzneimittelversandes in der EU reformiert werden soll,
- ob Internet- und Versandkonzerne anders besteuert werden sollen,
- was geschehen muss, um E-Rezepte zwischen den EU-Mitgliedstaaten interoperabel zu machen,
- ob Nachbesserungsbedarf beim securPharm-System besteht,
- ob weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit, insbesondere beim Parallelhandel notwendig sind und
- wie die Forderung zu bewerten ist, die Produktion von Arzneimitteln nach Europa „zurückzuholen“, um Lieferengpässe zu vermeiden.
CDU/CSU
CDU und CSU halten an der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für das Gesundheitswesen fest. Sie verweisen auf den jüngsten Entwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes, das die flächendeckende Versorgung durch wohnortnahe Apotheken sicherstellen soll. Die vorgesehene Regelung gewährleiste einen einheitlichen Arzneimittelabgabepreis für GKV-Versicherte – von Selbstzahlern ist in der Antwort keine Rede. Die Kontrolle von Apotheken in anderen EU-Ländern sei „Sache der dortigen Behörden“, aber eine verbesserte Kooperation der Behörden sei „grundsätzlich wünschenswert“. Zur Unternehmensbesteuerung antworten CDU und CSU allgemein, sie würden sich für eine faire Besteuerung einsetzen.
Zum E-Rezept verweist die Union auf das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Interoperabilität sollte „immer mit gedacht werden“, aber man sollte sich zunächst auf die Anwendungen in Deutschland konzentrieren. Zu SecurPharm verweist die CDU/CSU auf technische Anpassungen im GSAV. Außerdem reagiere das GSAV auf Vorkommnisse mit gefälschten und verunreinigten Arzneimitteln. Die CDU/CSU hält es für „wünschenswert, wenn Arzneimittel bzw. die darin verwendeten Wirkstoffe in Deutschland bzw. der EU produziert werden“. Darum unterstütze sie die neue EU-Verordnung über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel. Zu Lieferengpässen berichtet die CDU/CSU über bestehende Instrumente, nennt aber keine neuen Pläne.
SPD
Die SPD sieht eine Vereinheitlichung der europäischen Apothekenmärkte „in weiter Ferne“, aber die SPD wolle, „dass auf lange Sicht alle europäischen Bürgerinnen und Bürger den gleichen Zugang zu qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Gesundheitsleistungen haben“. Ein Verbot des Versandhandels lehne die SPD-Bundestagsfraktion ab. Es sei beides nötig, „lebens- und leistungsfähige Apotheken“ und ein Versandhandel. Zugleich spricht sich die SPD für die Gleichpreisigkeit aus. Diese sei in der Arzneimittelpreisverordnung geregelt und sie sei in den Grundprinzipien der GKV verankert. Eine Anpassung der Arzneimittelpreise auf europäischer Ebene widerspreche derzeit Artikel 168 AEUV, aber auf lange Sicht seien einheitliche Preise innerhalb des Binnenmarktes wünschenswert. Auf die Frage zur Kontrolle der Versender antwortet die SPD mit einer Darstellung von Regeln zur Arzneimittelsicherheit. Da innerhalb der EU gleiche Standards gelten würden, sehe die SPD keinen Handlungsbedarf.
Im Interesse einer gerechten Besteuerung fordert die SPD bis Ende 2020 eine globale Mindestbesteuerung. Außerdem soll der gemeinsame deutsch-französische Vorschlag zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft ab Anfang 2021 umgesetzt werden. E-Health erfordere eine koordinierte EU-Regulierung. Die SPD wolle, dass alle Patienten überall bestmöglich versorgt würden und dass ihre persönlichen Gesundheitsdaten zugleich sicher seien. Nachbesserungen bei securPharm würden erst nach einer Evaluierung vorgenommen. Die bisherigen Maßnahmen für die Arzneimittelsicherheit müssten perfektioniert und kontinuierlich evaluiert werden. Zur Arzneimittelproduktion in der EU verweist die SPD auf das ergänzende Schutzzertifikat für Generika und Biosimilars. Außerdem fordert sie einen besseren Austausch über Lieferengpässe zwischen den Mitgliedstaaten.
Die Linke
Der Vereinheitlichung der Apothekenmärkte erteilt Die Linke „eine klare Absage“. Die Antwort zur Preisbindung erscheint widersprüchlich. Einerseits fordert Die Linke eine europaweite Preisbindung für Arzneimittel und eine „EU-Notstandsverordnung für Generika“, um die Möglichkeiten für den Gebrauch von Generika zu erweitern. Andererseits liege die Zuständigkeit für faire Arzneimittelpreise bei den Mitgliedstaaten. Die Linke lehnt den Versand mit Rx-Arzneimitteln ab – zum Schutz der Präsenz-Apotheken und wegen der Versorgungsqualität. Wenn der Versand bestehen bleibe, müssten zumindest „gleichlange Spieße“ gewährleistet sein, „zum Beispiel gleiche Rechte und Pflichten auch in der Aufsicht“. Wenn ein direkter Zugriff schwierig sei, müssten die Versender zumindest bei Rx-Arzneimitteln auf die Einhaltung der deutschen Regeln verpflichtet werden.
Die Linke fordert europaweit höhere Steuern für Konzerne, klare Regeln gegen Steuervermeidung und einen EU-weiten Mindeststeuersatz für Unternehmen. Für die Interoperabilität von E-Rezepten fordert Die Linke weitere Standards, internationale Vereinbarungen und die höchsten Datenschutzvorgaben. Das securPharm-System sei unzureichend. Es müsse auch OTC-Arzneimittel umfassen. Zudem sei es mehr als löchrig, wenn Unternehmen, die unerlaubt Handel treiben oder Fälschungen in Verkehr bringen, selbst Packungsnummern eingeben dürften. Wichtiger sei es, die Lieferkette zu vereinfachen. „Die Linke will den Wildwuchs im Arzneimittelhandel begrenzen“, der Zwischenhandel solle streng reguliert werden. Die Linke will die Importquote streichen. Sie fordert Bußgelder für Lieferengpässe, die durch Rationalisierungsmaßnahmen provoziert worden seien, ein möglichst vollständiges Register, das auch zu erwartende Lieferengpässe umfasst, und die Abschaffung von Rabattverträgen.
Bündnis 90/Die Grünen
Die Grünen halten an der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gesundheitsversorgung fest. Unabhängig davon sei aber der freie Warenverkehr garantiert. Der Artikel 168 AEUV sei nicht dazu da, einzelnen Teilnehmern im Apothekenmarkt einen Vorteil zu verschaffen oder „nützliche Versorgungsstrukturen wie den Versandhandel wieder zu verdrängen“. Die Apothekervergütung solle weiter national geregelt werden. Das EuGH-Urteil zur Preisbindung sei zu akzeptieren, fordern die Grünen, aber der Preiswettbewerb solle „auf ein vertretbares Maß“ begrenzt werden. Die Grünen sind für eine Reform der Apothekenvergütung „mit dem Ziel eines eigenständigen Honorarsystems“. Dabei solle der „Stellenwert der pharmakologischen Beratung“ gestärkt werden.
Die Grünen fordern, entschiedener gegen aggressive Steuervermeidung vorzugehen. Zum Thema E-Health fordern sie eine international austauschbare Patientenakte. Anstelle von securPharm halten die Grünen ein System, das die ganze Versorgung protokolliert, für sinnvoller. Italien und Griechenland sollten schon vor 2025 in das System integriert werden. Es solle geprüft werden, ob die Einbuchungsmöglichkeiten von Importeuren ein Einfallstor für Fälschungen darstellen. Außerdem sollten die Anforderungen an die etwa 4000 deutschen Unternehmen mit Großhandelslizenz deutlich erhöht werden. Um „kritische“ Arzneimittel wie Antibiotika verstärkt in Europa produzieren zu können, sollten Zuschüsse oder Vergütungen für Produktionskapazitäten geprüft werden. Außerdem sollten außerhalb Europas sichere und beständige Versorgungswege aufrechterhalten und ausgebaut werden.
AfD
Die AfD fordert gesetzlich klarzustellen, dass die Gesundheitspolitik ausschließlich in die nationale Zuständigkeit fällt. Dazu gehöre die Bewahrung der Rechtsstellung der freien Berufe. Die AfD lehnt die Vereinheitlichung der Apothekenmärkte ab und befürwortet die Gleichpreisigkeit von Rx-Arzneimitteln. Die Apothekenvergütung solle in den Mitgliedstaaten geregelt werden. Arzneimittelpreise sollten „gesundheitspolitisch betrachtet werden, jedoch dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit folgen“. Die AfD fordert das Verbot des Rx-Versandes. Außerdem sollten deutsche Behörden EU-Versandapotheken überwachen können. Steuervorteile von ausländischen Internetkonzernen und speziell von Versandapotheken sieht die AfD „sehr kritisch“. Die Apotheken vor Ort hätten ohnehin schon Wettbewerbsnachteile durch die Kosten für Notdienste, Lagerhaltung und Pflichtmitgliedschaften.
Beim E-Rezept sollte der Datenschutz höchste Priorität haben. E-Rezepte und E-Medikationspläne sollten auch in anderen Staaten nutzbar sein. Die AfD sieht bei securPharm „Schlupflöcher“ in Griechenland und Italien; sie fordert die Abschaffung der Importquote und „klare gesetzliche Regelungen“ zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei Importen, ohne Inhalte zu nennen. Um die Arzneimittelproduktion nach Europa „zurückzuholen“, könnten die Hersteller mit „geeigneten Anreizen“ wie Steuererleichterungen oder Investitionszuschüssen überzeugt werden.
FDP
Die FDP hat auf die Fragen der DAZ nicht geantwortet. Im ihrem Programm fällt auf, dass die FDP die Freizügigkeit für freie Berufe betont. |
1 Kommentar
Fazit: die Etablierten lassen uns fallen
von Alfons Neumann am 25.05.2019 um 1:38 Uhr
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