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Planen Sie bereits den Jahresurlaub? Aufgepasst: Rund ums Urlaubsrecht kursieren „beliebte“ Irrtümer. Dieser Beitrag greift einige davon auf und will zur Klärung von Streitfragen beitragen.
Der erste Teil dieses Beitrags hat sich bereits mit sechs gängigen Irrtümern zum Thema Erholungsurlaub beschäftigt. Nun folgen sechs weitere.
Irrtum Nr. 7: Reduziert sich die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers, sind Resturlaubsansprüche aus der Zeit vor der Reduzierung umzurechnen
Ein weitverbreiteter Irrtum bei Arbeitgebern ist, dass zum Beispiel Resturlaubsansprüche aus einer Vollzeittätigkeit bei einem Wechsel zu einer Teilzeittätigkeit umgerechnet werden müssen. Dies war tatsächlich die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, die aber aufgrund mehrerer Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufgegeben werden musste. Nach der nunmehr herrschenden Rechtsprechung dürfen bereits erworbene Urlaubsansprüche nicht ihre Wertigkeit nachträglich verlieren. Was den Urlaubsanspruch betrifft, ist also entscheidend, ob es durch die Arbeitszeitverringerung auch zu einer Reduzierung der zu leistenden Arbeitstage kommt.
Irrtum Nr. 8: Es besteht Bestandsschutz für höhere Urlaubsansprüche aus früheren BRTV-Regelungen
Der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV) hatte vor längerer Zeit eine Regelung beinhaltet, die einen gestaffelten Urlaubsanspruch nach Alter des Arbeitnehmers vorsah. Im weiteren Verlauf wurde diese Regelung aber wieder abgeschafft aufgrund von Bedenken bezüglich der rechtlichen Zulässigkeit im Lichte des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Zwischendurch wurde im BRTV für eine gewisse Zeit jedoch ein Bestandsschutz für bereits damals bestehende Arbeitsverhältnisse eingeführt. Aber auch diese Bestandsschutzregelung ist spätestens seit 2009 nicht mehr gültig, sodass für jeden Arbeitnehmer seit diesem Zeitpunkt nur noch ein einheitlicher Urlaubsanspruch (aktuell 35 Werktage bzw. 36 Werktage nach vierjähriger Betriebszugehörigkeit) gilt.
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Irrtum Nr. 9: Zu viel gewährter Urlaub bzw. zu viel gewährtes Urlaubsentgelt kann nicht zurückverlangt werden
Auch dieser Irrtum hält sich hartnäckig, ist aber in dieser Pauschalität nicht korrekt. Der BRTV trifft dahingehend keine speziellen Regelungen, sodass die gesetzlichen Vorgaben aus dem Bundesurlaubsgesetz zur Anwendung gelangen. Das Bundesurlaubsgesetz regelt aber exakt nur einen Fall, in dem ein Rückforderungsverbot gilt: Nach § 5 Abs. 3 BUrlG ist eine Rückforderung des Urlaubsentgelts für zu viel gewährten Urlaub nur dann nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres ausscheidet und Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten hat. Die gesetzliche Vorgabe der erfüllten Wartezeit ist im tariflichen Kontext irrelevant, da im BRTV eine Entscheidung zu Gunsten des Grundsatzes pro rata temporis gefallen ist.
Irrtum Nr. 10: Für den Verfall von Urlaubsansprüchen sind weiterhin ausschließlich die gesetzlichen Vorgaben aus § 7 Abs. 3 BUrlG zu beachten
Diese Auffassung ist spätestens seit den Gerichtsentscheidungen „Schultz-Hoff“ (EuGH, Urt. v. 20.01.2009, C-350/06, C-520/06) und „KHS“ (EuGH, Urt. v. 22.11.2011, C-214/10) des EuGH nicht mehr korrekt. Die Brisanz dieser Thematik wurde außerdem zusätzlich durch eine weitere EuGH-Entscheidung im Fall „Shimizu“ (EuGH, Urt. v. 06.11.2018, C-684/16) aus dem Jahr 2018 nochmal verschärft.
Versucht man all diese Entscheidungen zusammenzufassen, kann man festhalten, dass Urlaub zwar durchaus weiterhin verfallen kann. Der Arbeitgeber muss jedoch seine Hausaufgaben machen und zumindest die Informationsobliegenheit aus der EuGH-Rechtsprechung an seine Arbeitnehmer bezüglich des Urlaubsanspruchs erfüllen. Am Rande sei angemerkt, dass dieser Themenkomplex viele verschiedene Abwandlungen bereithält, die eine sehr diffizile Abgrenzung erfordert und den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Wichtig hierbei ist, dass den Verfall von Urlaubsansprüchen getrennt nach dem jeweiligen Kalenderjahr betrachten muss.
Irrtum Nr. 11: Die anlassbezogene bezahlte Freistellung nach § 10a Abs. 1 BRTV ist „Sonderurlaub“
Auch diese Meinung wird nach wie vor von manchen Arbeitnehmern vertreten, ist aber leider nicht korrekt. Die Regelung aus § 10a Abs. 1 BRTV konkretisiert die gesetzliche Regelung des § 616 BGB. Für eine detailliertere Erklärung der tariflichen Norm lohnt sich die Lektüre eines früheren Artikels in der AZ. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich an dieser Stelle vor allem einprägen, dass Freistellungstatbestände aus § 10a Abs. 1 BRTV aus rechtlicher Sicht gerade keine Form des Urlaubs darstellen und damit auch nicht gesetzlichen oder tariflichen Urlaubsregelungen unterliegen. Diese Erkenntnis hat insbesondere zur Folge, dass wenn zum Beispiel das Ereignis, das zu einer bezahlten Freistellung führen würde, nicht an einem tatsächlichen Arbeitstag des betroffenen Arbeitnehmers stattfindet, dies zu keiner nachträglichen Gewährung der Freistellung an einem anderen Tag führt. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Freistellungstatbestand zeitlich mit einer urlaubsbedingten oder krankheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers zusammenfällt.
Irrtum Nr. 12: Lässt der Arbeitgeber nachmittags an Heiligabend oder an Silvester die Arbeitspflicht entfallen, muss man nur einen halben Tag Urlaub nehmen, um an diesem Tag komplett freizuhaben
Auch wenn der Arbeitgeber sich arbeitnehmerfreundlich zeigt und sich durch den Wegfall der Arbeitspflicht in den sogenannten Annahmeverzug aus § 615 Satz 2 BGB begibt, ändert dies nichts an den gesetzlichen oder tariflichen Vorgaben zur Urlaubsgewährung. Wendet man die Regeln aus den bisherigen Punkten weiter oben konsequent an, kommt man zwingend zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Gewährung eines halben Urlaubstages hat. Wenn also an einem dieser Tage Urlaub beantragt wird, ist aus rechtlicher Sicht immer ein ganzer Urlaubstag in Ansatz zu bringen. In der Praxis bietet es sich in solchen Fällen an, dass zum Beispiel vorhandene Überstunden am Vormittag abgebaut werden. Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für Faschingsdienstag oder ähnliche Tage. Ist ein tarifliches Arbeitszeitkonto nach § 4 BRTV vereinbart, ergeben sich gegebenenfalls nochmal andere Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitsvertragsparteien.
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