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Arzneimittel und Therapie

Löchriges Schutzschild

Wie in der Rheumatherapie Infektionsrisiken durch Biologika verringert werden können

Die zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis eingesetzten Biologika verursachen eine Immunsuppression. Die biotechnisch hergestellten Substanzen greifen gezielt an den Ursachen der entzündlichen Gelenkerkrankung an, indem sie Entzündungsmediatoren hemmen. Dadurch erhöht sich jedoch die Anfälligkeit für bakterielle Infektionen (vor allem der Atemwege) für invasive Pilzinfektionen und für virale Infekte. Außerdem können eine latente Tuberkulose oder eine okkulte Hepatitis B reaktiviert werden. Vorsichtsmaßnahmen sind notwendig, um die Patienten vor lebensbedrohlichen Nebenwirkungen zu schützen. Mit Screening- und Präventionsmaßnahmen lassen sich die Risiken minimieren. | Von Claudia Bruhn

Tuberkulose: Vorsicht, Reaktivierung!

Eine unerkannte, latente Tuberkulose-Infektion kann unter einer immunsuppressiven Behandlung reaktiviert werden und anschließend lebensbedrohlich verlaufen. Zwar fanden sich in den ersten Studien mit Infliximab keine Hinweise auf ein Tuberkulose-Risiko. Doch spätere Untersuchungen zeigten ein erhöhtes Risiko für die Reaktivierung einer Tuberkulose unter Infliximab. Auch schwere, extrapulmonale Verläufe wurden beobachtet. Es gibt Schätzungen auf Basis präklinischer und klinischer Untersuchungen, wonach eine gegen Tumornekrosefaktor (TNF) α gerichtete Therapie mit Infliximab, Adalimumab, Golimumab, Certolizumab pegol oder Etanercept mit einer zwei- bis vierfachen Risikoerhöhung für eine aktive Tuberkulose verbunden ist [1]. Dabei scheint es Unterschiede im Tuberkulose-Risiko der Biologika und insbesondere derjenigen, die zur Behandlung der rheuma­toiden Arthritis eingesetzt werden, zu geben. Am höchsten ist das Risiko unter TNF-α-Blockern, unter Anakinra und Abatacept ist es geringer und bei Rituximab vermutlich überhaupt nicht vorhanden. Außerdem müssen Kofaktoren wie Alter, Diabetes und eine Steroid-Therapie bei der Risikobewertung mit berücksichtigt werden.

Tuberkulose-Screening empfohlen

Für die meisten Biologika wird ein Tuberkulose-Screening vor Therapiebeginn empfohlen. Dieses umfasst neben Anam­nese und körperlicher Untersuchung ein Interferon-γ-Release-Assay (IGRA), einen Tuberkulin-Hauttest sowie eine Röntgenaufnahme des Thorax. Eine latente Tuberkulose wird bei immunkompetenten Personen über neun Monate mit Isoniazid (INH) behandelt (5 mg/kg Körpergewicht, max. 300 mg/Tag) [2]. Das Biologikum kann dann frühestens vier, idealerweise acht Wochen nach Start der INH-Behandlung angesetzt werden. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit einer INH-Resistenz, wie sie beispielsweise in Südafrika, Russland oder China verbreitet ist. Bei einer aktiven Tuberkulose muss das Biologikum sofort abgesetzt und zunächst die Infektionskrankheit behandelt werden.

Herpes zoster: vor Therapiebeginn impfen

In den letzten Jahren wurden Studien veröffentlicht, die bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter einer Biologika-Therapie ein erhöhtes Risiko für Herpes zoster identifiziert hatten. Andere Untersuchungen konnten einen solchen Zusammenhang nicht zeigen [3, 4]. In den Fachinformationen einiger Biologika sind Herpes-zoster-Infektionen als häufige Nebenwirkung klassifiziert (s. Tabelle).

Tab.: Häufigkeiten von Infektionen bei Biologika gegen rheumatoide Arthritis
Wirkstoff (Handelsname)
Wirkmechanismus
Nebenwirkungs-Häufigkeiten
Herpes zoster
Tuberkulose
Hepatitis B bzw. -Reaktivierung
Abatacept (Orencia®)
T-Zell-Costimulator-Modulator
häufig
selten
k. A.
Adalimumab (Humira® und ­Biosimilars)
TNF-α-Antikörper
häufig
gelegentlich
selten
Anakinra (Kineret®)
Interleukin-1-Rezeptorantagonist
k. A.
k. A.
k. A.
Certolizumab pegol (Cimzia®)
Antigen-bindendes Fab-Fragment eines TNF-α-Antikörpers
häufig
gelegentlich
häufig
Etanercept (Enbrel® und ­Biosimilars)
TNF-α-Antikörper
k. A.
selten
k. A.
Golimumab (Simponi®)
TNF-α-Antikörper
k. A.
selten
selten
Infliximab (Remicade® und ­Biosimilars)
TNF-α-Antikörper
sehr häufig*
gelegentlich
selten
Rituximab (MabThera® und ­Biosimilars)
Anti-CD20-Antikörper
häufig
k. A.
häufig
Sarilumab (Kevzara®)
Interleukin-6-Rezeptorantagonist
k. A.
k. A.
k. A.
Tocilizumab (RoActemra®)
Interleukin-6-Rezeptorantagonist
häufig
k. A.
k. A.

Häufigkeits-Kategorien: sehr häufig (≥ 1/10); häufig (≥ 1/100 bis < 1/10); gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100); selten (≥ 1/10.000 bis < 1/1.000); sehr selten (< 1/10.000). k. A.: keine Angabe zur Häufigkeit; *sehr häufig: Virusinfektion (z. B. Influenza, Herpes zoster)

Das erhöhte Herpes-zoster-Risiko kann sowohl durch die Therapie als auch durch die Erkrankung selbst bedingt sein. Im Dezember 2018 empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) erstmalig für Per­sonen ab einem Alter von 60 Jahren einen adjuvantierten Herpes-zoster-subunit-Totimpfstoff (Shingrix®) als Standardimpfung zur Prävention der Gürtel­rose, deren Komplikationen und Spätfolgen. Für Personen ab 50 Jahren, die immunsupprimiert sind oder an einer schweren Grunderkrankung leiden, wird der Impfstoff ebenfalls empfohlen (Indikationsimpfung). Neben Patienten mit angeborener oder erworbener Immundefizienz oder Immunsuppression, HIV-Infektion, systemischem Lupus erythematodes, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) oder Asthma bronchiale, chronischer Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus zählen auch Patienten mit rheumatoider Arthritis zu diesem Personenkreis [5]. In den Fachinformationen der Biologika wird empfohlen, vor Beginn der Behandlung den Impfstatus des Patienten entsprechend den aktuellen Impfempfehlungen auf den neuesten Stand zu bringen. Einschränkungen gibt es jedoch bei der Verabreichung von Lebendimpfstoffen, bei denen ein Zeitabstand zum Behandlungsbeginn mit Biologika beachtet werden muss. Auch die beiden Januskinase-Inhibitoren Baricitinib und Tofacitinib, die zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen sind, besitzen ein erhöhtes Risiko für Herpes zoster. In der Fachinformation von Tofacitinib wird empfohlen, eine prophylaktische Impfung gemäß den Impfempfehlungen in Betracht zu ziehen [6, 7].

Hepatitis-B-Screening bringt Klarheit

Bereits 2013 hatte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) einen Rote-Hand-Brief zu Rituximab (MabThera®) veröffentlicht, der eine Ausweitung der Empfehlungen zum Screening auf Hepatitis-B-Viren (HBV) zur Folge hatte [8]. Hintergrund war, dass bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen oder rheumatoider Arthritis Fälle einer Hepatitis-B-Reaktivierung aufgetreten waren, insbesondere bei Anwendung in Kombination mit Steroiden oder Chemotherapie. Seitdem ist bei allen Patienten in allen Indikationen vor Behandlungsbeginn mit Rituximab ein HBV-Screening notwendig. Patienten mit aktiver Hepatitis­-B-Erkrankung dürfen nicht mit Rituximab behandelt werden. Die AMK hatte damals darauf hingewiesen, dass auch unter der Behandlung mit anderen monoklonalen Antikörpern und Biologika einschließlich TNF-α-Blockern das Risiko einer Hepatitis-B-Reaktivierung besteht. Aus diesem Grund wurden die Apotheken aufgerufen, Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen, die im Zusammenhang mit der Anwendung von MabThera® beobachtet wurden, wie auch Verdachtsfälle von Hepatitis-B-Reaktivierungen unter der Behandlung mit anderen monoklonalen Antikörpern und Biologicals zu melden.

Beim Screening auf eine HBV-Infektion können HBsAg, Anti-HBc und HBV-DNA bestimmt werden. Das Surface- oder Oberflächenantigen HbsAg ist bei akuter oder chronischer Hepatitis B nachweisbar. Wenn die Infektion ausgeheilt ist, verschwindet es nach sechs bis acht Wochen. Antikörper gegen das HB-core-Antigen Anti-HBc zeigen an, dass eine HBV-Infektion stattgefunden hat. Die Menge an HBV-DNA gibt die Höhe der Viruslast und damit die Infektiosität des Patienten an.

CAVE Reiseimpfberatung


Auch bei der Vorbereitung einer Reise muss die Immunsuppression unter Biologika berücksichtigt werden. Während Totimpfstoffe in der Regel keine Gefahr darstellen, muss eine notwendige Impfung mit Lebendimpfstoffen durch den behandelnden Arzt sorgfältig abgewogen werden.

Rechtzeitig impfen, gegebenenfalls behandeln

Analog zu Herpes zoster ist auch bei der Hepatitis B ein Schutz durch eine Impfung möglich. Ärztliche Leitlinien empfehlen, vor einer Therapie mit einem TNF-α-Hemmer oder Rituximab rechtzeitig zu impfen. Dabei sollte das in den Fachinformationen beschriebene beschleunigte Impfschema zum Einsatz kommen [9, 10]. Patienten, die HBsAg-positiv sind oder bei denen HBV-DNA nachgewiesen wurde, können eine antivirale Therapie (z. B. mit Lamivudin) erhalten. Die Behandlung sollte mindestens sechs, besser zwölf Monate nach Beendigung der Immunsuppression fortgesetzt werden. Danach werden Kontrollen in Abständen von vier, zwölf und 24 Wochen empfohlen [11].

Weitere Infektionen beachten

Neben Herpes zoster, Tuberkulose und Hepatitis B besteht unter einer Biologika-Therapie ein erhöhtes Risiko für weitere Infektionen. Unter TNF-α-Blockern treten sie in der Regel relativ früh, das heißt innerhalb von sechs Monaten nach Therapiestart auf. Am häufigsten wurden Lungenentzündungen, Weichteil- und Hautinfektionen und septische Arthritiden beobachtet [12]. Aber auch Pilzinfektionen sind möglich. So machten beispielsweise nach der Markteinführung von Etanercept invasive Pilzinfektionen etwa die Hälfte aller weltweit gemeldeten Fälle von opportunistischen Infektionen unter diesem Biologikum aus. Die häufigsten Erreger waren Candida-, Pneumozystis-, Aspergillus- und Histoplasma-Infektionen [13]. |

Quelle

 [1] Baddley JW et al. ESCMID Study Group for Infections in Compromised Hosts (ESGICH) Consensus Document on the safety of targeted and biological therapies: an infectious diseases perspective (Soluble immune effector molecules [I]: anti-tumor necrosis factor-α agents). Clin Microbiol Infect 2018;Suppl 2:S10-S20

 [2] Schaberg T et al. Empfehlungen zur Therapie, Chemoprävention und Chemoprophylaxe der Tuberkulose im Erwachsenen- und Kindesalter. Pneumologie 2012;66:133-171

 [3] Liao TL et al. Risk and severity of herpes zoster in patients with rheumatoid arthritis receiving different immunosuppressive medications: a case–control study in Asia. BMJ Open 2017;7:e014032

 [4] Winthrop KL et al. Association between the initiation of anti–tumor necrosis factor therapy and the risk of Herpes zoster. JAMA 2013;309(9):887-895

 [5] Wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung einer Impfung mit dem Herpes zoster-subunit-Totimpfstoff. Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim RKI. Epidemiologisches Bulletin 2018, Nr. 50 vom 13. Dezember 2018

 [6] Fachinformation Olumiant® 2 mg / 4 mg Filmtabletten, Stand Oktober 2018

 [7] Fachinformation Xeljanz® 5 mg / 10 mg Filmtabletten, Stand November 2018

 [8] Rote-Hand-Brief zu Rituximab (MabThera®) vom 12. November 2013: Hepatitis-B-Virus-(HBV)-Screening vor Behandlungsbeginn. www.abda.de; Abruf am 2. April 2019

 [9] Goldacker S et al. Impfung bei erwachsenen Patienten mit chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Z Rheumatol 2013;72:690-704

[10] Fachinformation Engerix®-B Erwachsene, Stand September 2015

[11] Cornberg M et al. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion. Z Gastroenterol 2011;49:871-930 (derzeit in Überarbeitung)

[12] John W et al. Non-viral opportunistic infections in new users of TNF inhibitor therapy: Results of the SAfety Assessment of Biologic ThERapy (SABER) Study. Ann Rheum Dis 2014;73(11):1942-1948

[13] Fachinformation Enbrel® 25 mg / 50 mg Injektionslösung im Fertigpen, Stand Juli 2018

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin. Sie schreibt seit 2001 regelmäßig Beiträge für die DAZ.

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