- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 17/2019
- Hoher INR-Wert – was
Arzneimittel und Therapie
Hoher INR-Wert – was tun?
Zusätzliche Vitamin-K-Gabe bei nicht blutenden Patienten wenig sinnvoll
Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Phenprocoumon (z. B. Marcumar®) werden häufig zur Vorbeugung und Behandlung von Thromboembolien eingesetzt. Dabei sollte die Intensität des antikoagulierenden Effektes anhand der International Normalized Ratio (INR) regelmäßig überwacht werden. Hohe INR-Werte (4,5 bis 10,0) sind mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden. Gegebenenfalls muss interveniert werden. Neben einer Dosisreduktion oder dem temporären Aussetzen der VKA-Therapie kann deren gerinnungshemmende Wirkung auch durch die Gabe von Vitamin K aufgehoben werden. Bei behandlungsbedürftigen Blutungen ist Vitamin K das Mittel der Wahl. Unklar ist jedoch, ob eine Laborwertkorrektur mittels Vitamin K bei nicht blutenden Patienten klinisch sinnvoll ist. Die Leitlinien des American College of Chest Physicians (CHEST) empfehlen, nicht blutenden Patienten mit INR-Werten zwischen 4,5 und 10,0 kein Vitamin K zu verabreichen. Ein Pausieren der nächsten ein bis zwei VKA-Dosen sowie ein verstärktes Monitoring wird als ausreichend erachtet.
Handlungsempfehlungen
Während einer Behandlung mit Phenprocoumon muss die Blutgerinnung nicht nur zur Dosisfindung, sondern auch während der Erhaltungstherapie regelmäßig anhand der International Normalized Ratio (INR) kontrolliert werden. Je nach Indikation werden Werte zwischen 2,0 und 3,5 angestrebt. Übersteigt der INR-Wert den oberen Grenzwert, werden eine Dosisreduzierung und die erneute Überprüfung der Gerinnungsparameter nach zwei Tagen empfohlen.
[Quelle: Fachinformation Marcumar®. Stand Juni 2018]
In einer Metaanalyse wurden nun die Wirksamkeit und Sicherheit von Vitamin K bei Patienten ohne manifeste Blutung und mit INR-Werten zwischen 4,5 und 10,0 untersucht. Dazu wurden Publikationen in verschiedenen Datenbanken (Medline, Embase und Cochrane) gesichtet und geeignete, randomisierte kontrollierte Studien identifiziert. Sechs Studien mit insgesamt 1074 Patienten gingen in die Analyse ein. Die in den Studien verwendeten Vitamin-K-Antagonisten waren Warfarin und Acenocoumarol – Substanzen, die hierzulande wenig bzw. nicht gebräuchlich sind. Das in Deutschland gängige Phenprocoumon, das eine längere Halbwertszeit besitzt, wurde in den Studien nicht untersucht.
Kein klinischer Vorteil
Die INR-Werte der Patienten, die Vitamin K erhielten, lagen vor der Intervention zwischen 5,4 und 8,4. Vitamin K wurde in einer Dosierung von 1 bis 2,5 mg verabreicht. Patienten in den jeweiligen Kontrollgruppen hatten stattdessen Placebo erhalten oder wurden ohne zusätzliche Medikation beobachtet. Hier lagen die INR-Werte zu Studienbeginn zwischen 5,8 und 8,1. Bei allen Patienten wurde die VKA-Therapie temporär ausgesetzt. Wurde zusätzlich Vitamin K gegeben, normalisierten sich die INR-Werte eher als bei alleiniger Therapieunterbrechung oder nach Placebo-Gabe. Signifikant war der Effekt jedoch nicht.
Allerdings ergaben die vereinten Daten eine nicht signifikante Erhöhung des Mortalitätsrisikos in der Vitamin-K-Gruppe. Ebenso überraschend war, dass eine Behandlung mit Vitamin K sowohl das Risiko für schwere Blutungen als auch für Thromboembolien leicht erhöhte – auch hier nicht in einem statistisch signifikanten Ausmaß.
Zusammengefasst schlussfolgern die Autoren, dass Patienten mit erhöhten INR-Werten zwischen 4,5 und 10,0 und ohne manifeste Blutung nicht von einer Vitamin-K-Gabe zusätzlich zu einer Therapieunterbrechung profitieren. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft der Metaanalyse aufgrund einer geringen Studienzahl und der geringen bis moderaten Qualität der verwendeten Studien limitiert ist. |
Quelle
Khatib R et al. Vitamin K for reversal of excessive vitamin K antagonist anticoagulation: a systematic review and meta-analysis. Blood Adv 2019;3(5):789-796
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.