Gesundheitspolitik

Spahn gibt EU-Kommission nach

„Alte“ Preisbindung für EU-Versender soll gestrichen werden

TRAUNSTEIN (cha) | Noch bevor die ABDA-Mitgliederversammlung am 2. Mai sich zum Entwurf des Apotheken-Stärkungsgesetzes äußern konnte, machte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Nägel mit Köpfen: Er kündigte der EU-Kommission an, dass § 78 Absatz 1 Satz 4 Arzneimittel­gesetz (AMG) aufgehoben und damit die Preisbindung für EU-Versender gestrichen wird.

Hintergrund ist ein im Jahr 2013 von der EU-Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren. Anfang März wurde dieses wieder aufgenommen und die Bundesrepublik aufgefordert, binnen zwei Monaten die Preis­bindung für EU-Versender auf­zuheben. Jetzt teilte Spahn der EU-Kommission mit, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) „den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken erarbeitet und mit der Möglichkeit zur Stellungnahme an Ressorts, Länder und Verbände verschickt“ habe. Dieser enthalte die Aufhebung des § 78 Absatz 1 Satz 4 AMG. Weiterhin stellt das BMG in Aussicht, dass sich das Bundeskabinett mit dem „europarechtskonformen Gesetzentwurf“ im Juni 2019 befassen und der Gesetzentwurf nach der Ressortabstimmung der EU-Kommission zugehen werde. Das par­lamentarische Gesetzgebungs­verfahren solle bis Januar 2020 abgeschlossen werden.

Dass man im Ministerium kein Ver­ständnis für die prekäre Situation der Apotheker angesichts der unfai­ren Konkurrenz durch die EU-Versender hat, macht die dem Schreiben beigefügte Anmerkung deutlich: „§ 78 wird seit dem EUGH Urteil von 2016 nicht mehr ange­wen­det, also seit über drei Jahren nicht. Warum einige in der Apothekerschaft so für einen Paragrafen kämpfen, der seit so vielen Jahren rechtlich keine Wirkung mehr entfaltet und auch keine mehr entfalten wird, erschließt sich uns nicht wirklich.“

Foto: AZ/Chris Hartlmaier
Prof. Dr. Hilko J. Meyer: „Gesetzgeber ist das Parlament, nicht die Regierung.“

Meyer: Gesetzgeber nicht an Absichtserklärung gebunden

Doch auch wenn das BMG damit offenbar einen Schlussstrich unter das Vertragsverletzungsverfahren ziehen will, muss das letzte Wort dazu noch lange nicht gesprochen sein. So weist der Apothekenrechts­experte Prof. Dr. Hilko J. Meyer in einem Gastkommentar für DAZ.online darauf hin, dass die EU-Kommission in solchen Fällen „üblicherweise den endgültigen Gesetzesbeschluss abwartet“. Der Deutsche Bundestag sei daher im weiteren Gesetzgebungsverfahren „weder an die Absichtserklärungen der Bundesregierung, noch an die übergriffige Auslegung des Unionsrechts durch die Kommission gebunden“.

Als Beispiel erinnert Meyer an ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Regionalbindung der Krankenhausversorgung im Jahr 2003. Seinerzeit wollte das BMG Krankenhäusern gestatten, Arzneimittel direkt vom pharmazeutischen Hersteller, Großhändler oder einer entfernt liegenden (EU-)Apotheke zu „besorgen“. Doch der Gesetzgeber beschloss, die Apothekenpflicht im Krankenhausbereich aufrechtzu­erhalten; die gefundene Regelung wurde dann 2008 vom EuGH als unionsrechtskonform anerkannt. |

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