Gesundheitspolitik

Kanülen als zulässige Zugabe zu Impfstoffen

Apotheker bietet Impfstoffe mit „Service-Artikeln“ an – OLG Köln: Zugaben im Wert von weniger als 1 Prozent des Warenwerts sind „geringwertig“

BERLIN (ks) | Das in § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verankerte Zugabeverbot ist ein Dauer­brenner des Wettbewerbsrechts. Welche Zuwendungen sind erlaubt, wenn es um Arzneimittel oder Medizinprodukte geht? Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat kürzlich über einen Fall entschieden, in dem ein Apotheker Ärzten bei der Bestellung von mindestens 100 Impfstoffdosen diverse „Service-Artikel“ kostenlos anbot – zum Beispiel 100 Kanülen. Kein Problem, meint das Gericht. (OLG Köln, Urteil vom 7. Dezember 2018, Az.: 6 U 95/18)

Grundsätzlich sind bei der Abgabe von Arzneimitteln oder Medizinprodukten Zuwendungen nach dem Heilmittelwerbegesetz verboten – doch für gewisse Fälle gelten Ausnahmen. Um diese Ausnahmen ging es auch im vorliegenden Fall. Das OLG Köln hatte über eine Marketingaktion einer Apotheke gegenüber Ärzten zu entscheiden. Angestoßen hatte das Verfahren die Wettbewerbszentrale. Sie monierte ein Bestellformular der Apotheke für Impfstoffe. Unterhalb der eigentlichen Impfstoff-Order hat der bestellende Arzt hier die Möglichkeit, unter fünf verschiedenen Service-Artikeln zu wählen, die er bei einer Be­stellung ab 100 Impfstoffdosen zu­sätzlich erhält: Kanülen in zwei verschiedenen Größen (100 Stück), lnjektionspflaster (100 Stück), Alkoholtupfer oder Kanülensammler. Der Apothekenverkaufspreis dieser Artikel lag zwischen 2,22 Euro und 3,22 Euro, ihr Gesamtwert bei rund 13 Euro.

Impfstoffe überwiegend nicht preisgebunden

Die Wettbewerbszentrale sah darin nicht nur einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG, sondern auch gegen die strafrechtlichen Korruptionsnormen. Auf ihre Abmahnung hin hat sich der Apotheker zwar bereit erklärt, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben – aber nur soweit es um Impfdosen gehe, die der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen. Das lehnte die Wettbewerbszentrale als unzureichend ab. Schließlich ist die überwiegende Zahl der Impfstoffe nicht preisgebunden.

Es folgte die Klage. Das Land­gericht Köln gab zunächst noch der Wettbewerbszentrale Recht: Die vom Bundesgerichtshof (BGH) bei der Zuwendung an Verbraucher gezogene Wertgrenze von einem Euro sei auch gegenüber Ange­hörigen der Fachkreise zugrunde zu legen, urteilte es.

Doch der Apotheker ging in Berufung – und hatte damit Erfolg. Das OLG Köln sieht zum einen kein korruptives Verhalten gemäß § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen): Es fehle schon am Versprechen eines Vorteils auf Grundlage einer Unrechtsvereinbarung. Hierfür sei eine „Zuwendung zur Herbeiführung allgemeinen Wohlwollens ohne Bezug zu einer bestimmten Bevorzugung/Vorteilsgewährung im Wettbewerb“ nicht ausreichend.

Abstrakte Gefahr

Zum anderen hält das Gericht die Zuwendungen durch die Ausnahme­tatbestände des § 7 HWG gedeckt. Zwar handele es sich bei den Kanülen und Tupfern um Werbegaben, die grundsätzlich von der Norm erfasst sind. Auch die von der Rechtsprechung geforderte „abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung“ stellen die Richter noch fest: Es könne im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass ein Arzt, der eigentlich etwas weniger als 100 Impf­dosen benötigt, gleichwohl mehr bestelle, um zum Beispiel einen neuen Kanülensammler zu erhalten.

Trotzdem: Vom Verbot der Werbegaben für Angehörige der Heilberufe ausgenommen sind „geringwertige Kleinigkeiten“ und „handelsübliches Zubehör“. Beide Ausnahmen greifen aus Sicht der Oberlandesrichter in diesem Fall.

Ausnahme: geringwertige Kleinigkeit

Was die „geringwertige Kleinigkeit“ angeht, führen sie aus, es könne dahinstehen, ob die Ein-Euro-Wertgrenze überhaupt auf nicht preisgebundene Arzneimittel und die Fachkreiswerbung übertragbar ist. Denn hier sei die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Werbegabe erst ab der Bestellung von 100 Impfdosen gewährt werde. Selbst wenn man das Bestellformular so verstehe, dass man alle fünf Service-Artikel auf einmal dazu bestellen könnte und damit auf einen Wert von 13 Euro für diese Gegenstände käme, wäre angesichts des hohen Einkaufspreises von mindestens 1553 Euro für die Impfstoffe nicht davon auszugehen, dass sich die Ärzte besonders für den Bezug über eben jene Apotheke interessierten. „Bei einer Werbegabe im Wert von (maximal) 0,8% des Warenwertes ist nach der Lebenserfahrung ein relevanter Einfluss auf das Verordnungs- und Abgabeverhalten der Ärzte ausgeschlossen“, heißt es im Urteil. |

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