Mikronährstoffe

Folsäure nicht nur für junge Frauen

Welche Patienten noch profitieren

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Von Julia Podlogar und Martin Smollich | Folsäure ist in Form der Tetrahydrofolsäure als Coenzym an der Übertragung von C1-Resten im Aminosäure-, Purin- und Pyrimidinstoffwechsel beteiligt. Neben Leber und grünem Blattgemüse sind Weizenkeime und Sojabohnen gute Folat-Quellen. Die Versorgungssituation ist insgesamt unbefriedigend. Leitsymptom eines Folatmangels ist eine megaloblastäre Anämie; latente Mangelzustände können z. B. depressive Verstimmungen und Schlafstörungen zur Folge haben.

Nomenklatur

Unter dem Oberbegriff „Folsäure“ werden etwa 100 verschiedene Vit­amere zusammengefasst, die sich ­formal von der in der Natur nicht ­vorkommenden, aber biologisch voll aktiven Pteroylmonoglutaminsäure ableiten (Abb. 1). Häufig wird diese synthetisch hergestellte Verbindung als Folsäure im engeren Sinne bezeichnet, während man bei den natürlichen Vertretern von Folaten spricht. Die Vitamere der Folatgruppe unterscheiden sich durch den Hydrierungsgrad des Pteridinrings, die Substituenten der Stickstoffatome sowie die Länge der Glutamatseitenkette; neben Monoglutamaten kommen Pteroylpolyglutamate mit bis zu acht Glutamatresten vor. Die physiologische Wirkform ist die Tetrahydrofolsäure [1].

Alle unter Folsäure subsummierten Vitamere leiten sich von der in der Natur nicht vorkommenden Pteroyl­monoglutaminsäure ab.

Physiologische Funktion

Tetrahydrofolsäure (THF) fungiert im Intermediärstoffwechsel als Donator bzw. Akzeptor verschiedener C1-Substituenten (Methyl-, Methylen-, Methenyl-, Formyl- und Formimino-Reste), deren Einschleusung vor allem über die 5,10-Methylentetrahydrofolsäure erfolgt. Diese ist an drei entscheidenden Stoffwechselvorgängen beteiligt:

  • der Synthese des DNA-Bausteins Thymidilat,
  • der Synthese von Purinen, wobei die Formyl-THF als oxidierte Form der 5,10-Methylen-THF als Donor von C1-Resten fungiert und
  • der Remethylierung von Homocystein; hierbei ist die reduzierte Form 5-Methyl-THF Überträger der Methylgruppe [1].

An der Remethylierung von Homo­cystein ist auch Vitamin B12 entscheidend beteiligt; es übernimmt vorübergehend die Methylgruppe von der 5-Methyl-THF und überträgt sie anschließend unter Bildung von Methionin und THF auf Homocystein. Ein Vit­amin-B12-Mangel verursacht daher eine Akkumulation von 5-Methyl-THF und senkt die Verfügbarkeit freier THF; dieses auch als „Methyl-Falle“ bezeichnete Phänomen erklärt, warum ein Vit­amin-B12-Mangel die ­gleichen hämatologischen Veränderungen zur Folge hat wie ein Folatmangel [1].

Steckbrief Folsäure

Funktionen: Überträger von C1-Substituenten im Stoffwechsel

Nährstoffquellen: Leber, Sojabohnen, Blattgemüse

Risikofaktoren für Unter­versorgung: Schwangerschaft, Alkoholismus, Malabsorptionsstörungen

Symptome bei Mangel: Megaloblastäre Anämie, neurologisch-psychiatrische Symptome; bei Unterversorgung in der Schwangerschaft fetale Neuralrohrdefekte

Vorkommen und Besonderheiten der Versorgung

Folate sind in zahlreichen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln enthalten. Hohe Gehalte finden sich in Innereien, v. a. in Leber, während die meisten grünen Pflanzen, insbesondere Blattgemüse wie Spinat und Salat, mittlere Gehalte von 40 bis 200 µg/100 g enthalten. Einen Überblick über den Folat-Gehalt ausgewählter Lebensmittel bietet Tabelle 1.

Tab. 1: Folat-Gehalt ausgewählter Lebensmittel (nach [4]).
Lebensmittel
Folat (µg FÄ/100 g)
Hühnerleber (gegart)
380
Rinderleber
170
Weizenkeime
500
Feldsalat
145
Rosenkohl
101
Spinat (frisch)
78
Hühnerei
67
Kartoffeln
3

Die Bioverfügbarkeit von Folaten, die aus pflanzlichen Lebensmitteln geringer ist als aus tierischen, hängt von der Anzahl der Glutamat-Reste ab. ­Polyglutamate werden nur eingeschränkt resorbiert, da sie vor der Absorption durch spezifische Glutamyl-Carboxypeptidasen in die entsprechenden Monoglutamate überführt werden müssen. Monoglutamate, die in einer gemischten Kost zu ca. 25% vorkommen, werden dagegen sehr gut resorbiert; dasselbe gilt für synthetische Folsäure in Vitaminpräparaten und angereicherten Lebensmitteln [1]. Aufgrund der unterschiedlichen Bioverfügbarkeit von Folaten aus der Nahrung und synthetischer Folsäure wurde der Begriff des Folat-Äquivalents eingeführt. Da die Verfügbarkeit von Folaten aus gemischter Kost mit durchschnittlich etwa 50% angegeben wird, die von synthetischer Folsäure auf nüchternen Magen jedoch nahezu 100% beträgt, gilt:

  • 1 µg Folat-Äquivalent ˆ= 1 µg Nahrungsfolat ˆ= 0,5 µg synthetische ­Folsäure.

Bei der Einnahme mit Nahrung sinkt die Bioverfügbarkeit von synthetischer Folsäure auf etwa 85%, ­so dass dann gilt:

  • 1 µg Folat-Äquivalent = 1 µg Nahrungsfolat = 0,6 µg synthetische Folsäure.

Möchte man also die Gesamtzufuhr aus Nahrungsfolaten und angereicherten Lebensmitteln oder Folsäure-Präparaten berechnen, wird folgende Formel angewandt [3]:

  • µg Folat-Äquivalent = µg Nahrungsfolat + 1,7 × µg synthetische Folsäure

Aufgrund der hohen Oxidations- und Hitzeempfindlichkeit von Nahrungsfolaten sind vor allem beim Kochen von Fisch, Fleisch oder Gemüse hohe Zubereitungsverluste von ca. 50% zu berücksichtigen; deutlich günstiger im Sinne einer Folat-Zufuhr sind dagegen Braten (ca. - 30%), Dünsten (ca. - 5%) oder Rohkost-Verzehr (keine Folat-Verluste) [2].

Das menschliche Hauptspeicherorgan für Folate ist die Leber. Die hier gespeicherte Reserve von 3 bis 16 mg ­Folat kann die wünschenswerte Serumfolatkonzentration bei fehlender Zufuhr über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen aufrechterhalten [3].

Zufuhrempfehlungen

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Frauen und Männer eine tägliche Zufuhr von 300 µg Folat-Äquivalente (FÄ). In Schwangerschaft und Stillzeit ist die empfohlene Folatzufuhr mit 550 µg bzw. 450 µg FÄ pro Tag deutlich erhöht; eine inadäquate Versorgung in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Neuralrohrdefekte, außerdem ist sie mit ­einem erhöhten Abort- und Frühgeburtsrisiko, geringem Geburtsgewicht und fetalen Wachstumsverzögerungen assoziiert [3]. Auch Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sollten zur Prävention von Neuralrohrdefekten zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung 400 µg synthetische Folsäure in Form eines Vitaminpräparates einnehmen; die Einnahme sollte – bei geplanten Schwangerschaften – möglichst mindestens vier Wochen vor Beginn der Schwangerschaft begonnen und bis zum Ende des ersten Trimenons beibehalten werden. Durch die mütterliche Folat-Abgabe über die Muttermilch ist auch in der Stillzeit der Folat-Bedarf erhöht.

Tab. 2: D-A-CH-Referenzwerte für die tägliche Folat-Zufuhr.
Alter
Folat (µg-Äquivalent/d)
0 bis < 4 Monate
601
4 bis < 12 Monate
801
1 bis < 4 Jahre
120
4 bis < 7 Jahre
140
7 bis < 10 Jahre
180
10 bis < 13 Jahre
240
ab 13 Jahre
300
Schwangere
550
Stillende
450

1 Schätzwert, abgeleitet vom Folat-Gehalt der Frauenmilch

Versorgungslage in Deutschland

Die Versorgung der Bevölkerung mit Folaten ist insgesamt nicht zufriedenstellend. Gemäß der Nationalen Verzehrstudie II aus dem Jahr 2008 nehmen Männer im Median 207 µg/d und Frauen 184 µg Folat-Äquivalente zu sich; 79% der Männer und 86% der Frauen erreichten die damals noch geltende Zufuhrempfehlung von 400 µg/d nicht. Daher werden neben der Empfehlung an Frauen im gebärfähigen Alter, perikonzeptionell 400 µg Folsäure pro Tag zu supplementieren, verschiedene Möglichkeiten der Folsäure-Anreicherung von Lebensmitteln diskutiert. Bei einer flächendeckenden Anreicherung in Mehl, wie sie beispielsweise seit 1998 in den USA praktiziert wird, könnte die Folat-Zufuhr der gesamten Bevölkerung, einschließlich sozial benachteiligter Gruppen, gleichmäßig und vorhersehbar erhöht werden – eine derartige Maßnahme würde jedoch voraussetzen, dass die Folsäure-Anreicherung anderer Lebensmittel (z. B. Salz) eingeschränkt wird, um ein Überschreiten des UL (upper intake level) von 1000 µg Folsäure zu vermeiden [7]. Andererseits könnte eine Verbesserung der individuellen Folat-Versorgung auch dadurch erreicht werden, dass den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zum täg­lichen Verzehr von Obst und Gemüse Folge gefolgt wird, was für einen Großteil der Bevölkerung nicht zutrifft. Die sicherste Methode zur Prävention von Neuralrohrdefekten bleibt zwar wahrscheinlich die – oft nicht gewährleistete – Einnahme entsprechender Supplemente vor und zu Beginn der Schwangerschaft. Andererseits deuten Daten aus den USA an, dass die Einnahme von Folsäure-Supplementen seit der Einführung der Fortifikation von Mehl, durch die z. B. die Inzidenz einer Spina bifida nach verschiedenen Untersuchungen um 20 bis 30% zurückging [13], keinen Einfluss mehr auf die Häufigkeit von Neuralrohrdefekten hat. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die durch die Anreicherung erzielten Erfolge durch zusätzliche Supplementation ausreichen bzw. nicht weiter zu steigern sind [14]. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat in einer aktuellen Stellungnahme Nutzen und Risiken einer flächendeckenden Folat-Anreicherung von Lebensmitteln bewertet und kommt zu dem Schluss, dass diese für Deutschland nicht zu empfehlen sei. Als Begründung wird eine potenzielle Überversorgung bestimmter, besonders anfälliger Bevölkerungsgruppen angeführt, z. B. älterer Menschen und Kinder; außerdem gebe es bereits eine Reihe angereicherter Lebensmittel, mit denen der Bedarf leicht zu decken sei. Da von einer Fortifikation ausschließlich Schwangere bzw. deren Kinder profitieren würden und für alle anderen Bevölkerungsgruppen kein Nutzen bestehe, solle man sich auf die Steigerung der Folsäure-Aufnahme ausschließlich in der Zielgruppe der Frauen im gebärfähigen Alter konzentrieren [15].

Mangel / Unterversorgung

Neben den bekannten Folgen für das ungeborene Kind bei mütterlicher Unterversorgung, äußert sich ein Folsäure-Mangel vor allem durch Blutbildveränderungen, wobei die typische megaloblastäre Anämie auch ein Anzeichen eines Vitamin-B12-Mangels sein kann; das gleichzeitige Auftreten neurologischer Symptome kann darauf hindeuten. Neben unzureichendem Verzehr folathaltiger Lebensmittel können Malabsorptionsstörungen bei z. B. Zöliakie, atrophische Gastritis oder Kurzdarmsyndrom die Versorgung beeinträchtigen. Auch genetische Ursachen kommen infrage; so hat eine Mutation im Folat-Transporter SLC46A1 bereits im Säuglingsalter megaloblastäre Anämien, Mukositis, rezidivierende Infekte, neurologische Defizite und Krampfanfälle zur Folge [2]. Allgemeine Zeichen eines Fol­säuremangels sind Appetitverlust, Wachstumshemmung, Alopezie, ­Dermatitis, Muskelschwäche und ­Depression [2].

Indikationen für die ­Supplementation

Die wichtigste Zielgruppe für eine ­Folsäuresupplementation sind Frauen im gebärfähigen Alter. Vor allem bei ungeplanten Schwangerschaften ist die Folsäureversorgung entsprechend der Versorgungslage der Allgemeinbevölkerung oft defizitär. Die WHO hat für Frauen, bei denen die Entstehung einer Schwangerschaft nicht ausgeschlossen ist, einen erhöhten Referenzwert für Folat in Erythrozyten vor­geschlagen (400 ng/ml bzw. 906 nmol/L), der nach aktuellen Daten von 95% der Frauen zwischen 18 und 49 Jahren nicht erreicht wird [16]. Dies ist problematisch, weil der Schluss des Neuralrohrs bereits etwa sechs Wochen nach Beginn der letzten ­Menstruation erfolgt – zu diesem Zeitpunkt wissen die Frauen häufig noch gar nicht, dass sie schwanger sind. ­Erstaunlicherweise ist aber das Ein­nahmeverhalten auch bei geplanten Schwangerschaften nicht zufriedenstellend, wie verschiedene ­Erhebungen gezeigt haben. Bei einer Befragung von Wöchnerinnen in ­Sachsen-Anhalt im Jahr 2000 gaben beispielsweise 65% der Frauen an, die Schwangerschaft geplant zu haben; ­allerdings hatten nur 7% von ihnen Folsäure in ausreichender Dosierung und über den empfohlenen Zeitraum eingenommen, obwohl die Empfehlung etwa drei Vierteln von ihnen ­bekannt war [9].

Neben der Prävention von Neuralrohrdefekten wurde auch eine Verringerung des Risikos autistischer Erkrankungen durch die perikonzeptionelle Einnahme von Folsäure beschrieben [8]. Außerdem gibt es Hinweise auf günstige Auswirkungen auf das Auftreten von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und angeborene Fehlbildungen des Herzens, der Harnwege und der Gliedmaßen [9].

Toxikologie

Ein Upper Intake Level (UL) wurde lediglich für synthetische Folsäure publiziert; er liegt für Erwachsene bei 1000 µg/d und für Kinder und Jugendliche zwischen 200 µg und 800 µg/d. In den vom Bundesinstitut für Risikobewertung herausgegebenen Höchstmengenempfehlungen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln wird ein maximaler Gehalt von 200 µg Folsäure pro Tagesdosis vorgeschlagen, wobei für Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere die übliche Empfehlung von 400 µg/d gilt. Die Zufuhr von Folaten unterliegt keiner Begrenzung.

Aktuelle Entwicklungen

Folsäure und Krebs. Ein häufig angeführtes Argument gegen eine flächendeckende Folsäure-Anreicherung von z. B. Mehl ist die Befürchtung, eine langfristig erhöhte Folsäure-Zufuhr könne ebenso wie ein Folsäure-Mangel das Krebsrisiko erhöhen. Die zellulären Funktionen der Folsäure bei der Synthese, Reparatur und Stabilität der genomischen DNA sowie die Beeinflussung von Tumorsuppressorgenen durch DNA-Methylierung machen diese Annahme plausibel. Tatsächlich muss diese Fragestellung sehr differenziert betrachtet werden. Zum einen beziehen sich entsprechende Verdachtsmomente ausschließlich auf synthetische Folsäure; für Folate aus der Nahrung wurde dagegen sogar eine inverse Korrelation zwischen der Höhe der Zufuhr und dem Risiko für Darm-, Brust- und Prostatakrebs festgestellt [18 – 20]. Auch für synthetische Folsäure aus Supplementen bzw. angereicherten Lebensmitteln wurde für die Allgemeinbevölkerung in einer großen Meta-Analyse mit über 50.000 Teilnehmern nach fünf Jahren kein Einfluss einer Folsäure-Fortifikation auf die Inzidenz von Krebserkrankungen festgestellt [11]. Der untersuchte Zeitraum ist allerdings für die sich häufig über Jahrzehnte hinziehende Karzinogenese möglicherweise zu kurz gewählt; außerdem könnte sich auch eine geringe Risikoerhöhung bei Personen mit bereits bestehenden Risikofaktoren, z. B. bei familiärer Disposition oder Krebserkrankungen in der Anamnese, negativ auswirken.

Folsäure und Schlaganfallprävention. Positive Effekte einer Folsäure-Supplementation im Hinblick auf kardiovaskuläre Erkrankungen werden seit Längerem diskutiert. In einer groß angelegten Studie an 20.702 Hypertonie-Patienten wurde der Einfluss einer täglichen Einnahme von 800 µg Folsäure zusätzlich zu Enalapril auf das erstmalige Auftreten eines Schlaganfalls untersucht. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil sich in der Folsäure-Gruppe eine signifikant erniedrigte Schlaganfallrate zeigte (2,7% vs. 3,4%). Dieser Effekt war in der Subgruppe mit den initial niedrigsten Folat-Plasmaspiegeln besonders ausgeprägt [12].

Folsäure und Depressionen. Da Patienten mit depressiven Erkrankungen häufig erniedrigte Folat-Spiegel aufweisen, wurde untersucht, ob eine Supplementierung den Krankheitsverlauf ­positiv beeinflusst. Tatsächlich führte die gleichzeitige Gabe von 5 mg Folsäure pro Tag zusätzlich zu 20 mg Fluoxetin zu einer stärkeren Verbesserung der Symptomatik als Fluoxetin allein [17]. Zwar bringt eine Hypersupplementation bei bereits ausreichender Versorgung keinen Vorteil, es gilt aber als belegt, dass ein defizitärer Folsäure-Status die Ansprechrate auf SSRI verschlechtert.

Beratungstipps für die ­Apotheke

Aufklärungsdefizite. Die Bedeutung einer perikonzeptionellen Folsäure-Supplementation zur Prävention von Neuralrohrdefekten kann gar nicht genug betont und vermittelt werden – vor allem vor dem oben beschriebenen Hintergrund, dass ein bedeutender Anteil der Schwangeren den ihnen eigentlich bekannten Empfehlungen nicht folgt. Für kaum einen anderen Nährstoff ist der Zusammenhang mit einer embryonalen Fehlbildung so eindeutig wie bei Folsäure in Bezug auf die Vermeidung von Neuralrohrdefekten. Auch das Apothekenteam ist hier in der Verantwortung, im persönlichen Gespräch – beispielsweise bei der Abgabe eines Schwangerschaftstests – gezielt entsprechende Aufklärung zu leisten.

Welche Dosierung für Schwangere? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine perikonzeptionelle Supplementation von 400 µg synthetischer Folsäure pro Tag. Daneben gibt es jedoch auch die Empfehlung, 800 µg täglich einzunehmen. Diese stützt sich auf eine der wenigen randomisierten, placebokontrollierten Studien zum Thema – aufgrund des eindeutigen Nutzens einer Folsäure-Supplementation wären derartige Studien an Schwangeren heute ethisch nicht vertretbar –, in der sich das Risiko eines Neuralrohrdefekts durch Einnahme von 800 µg Folsäure im Vergleich zur Nicht-Einnahme um 100% reduzierte (0/2104 vs. 6/2052) [10]. Ob dieser Effekt auch bei einer Dosis von 400 µg pro Tag aufgetreten wäre, lässt sich nicht sicher sagen; zahlreiche Beobachtungsstudien legen jedoch die Effektivität dieser Dosierung nahe [9].

Interaktionen mit Arzneimitteln. Die Einnahme von Folsäure kann sowohl die erwünschten als auch die unerwünschten Wirkungen des Folsäure-Antagonisten Methotrexat abschwächen. Letzteres macht man sich bei der einmal wöchentlichen Gabe von Folsäure am Tag nach der bei den meisten Indikationen üblichen wöchentlichen Gabe von Methotrexat zunutze. Pemetrexed (Alimta®) ist ebenfalls ein Folsäure-Antagonist, der zur Behandlung des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms und des malignen Pleuramesothelioms eingesetzt wird. Zur Reduktion der Toxizität müssen die Patienten eine Woche vor Therapiebeginn, während der ­Therapie und bis drei Wochen nach Therapieende Folsäure supplementieren (350 – 1000 µg/d). Verschiedene Antikonvulsiva (Valproat, Phenytoin, Carbamazepin) können sowohl den ­Serum-Folatspiegel senken als auch selbst durch die gleichzeitige Einnahme von Folat in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt werden. Sulfasalazin kann durch Beeinträchtigung der ­Folsäure-Resorption einen Mangel hervorrufen [2]. |

Literatur

[1] Hahn A et al. Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 3. Auflage 2015

[2] Biesalski HA. Vitamine und Minerale: Indikation, Diagnostik, Therapie. Thieme Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2016

[3] Deutsche Gesellschaft für Ernährung: D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 2016

[4] Der kleine Souci-Fachmann-Kraut. Lebensmitteltabelle für die Praxis. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 5. Auflage 2011

[5] Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel: Nationale Verzehrstudie II, 2008

[6] Weißenborn A et al. Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. J Consumm Prot Food Saf doi.org/10.1007/s00003-017-1140-y

[7] Weißenborn A, Przyrembel H [Hrsg.]. Folsäureversorgung der deutschen Bevölkerung, Bundesinstitut für Risikobewertung, 2005

[8] Surén P et al. Association between maternal use of folic acid supplements and risk of autism in children. JAMA. 2013 February 13;309(6):570–57

[9] Brönstrup A. Folat und Folsäure Herausforderungen für die Praxis. Ernährungs Umschau 9/2007, S. 538-544

[10] Czeizel AE, Dudas I. (1992) Prevention of the first occurrence of neural-tube defects by periconceptional vitamin supplementation. N Engl J Med 327:1832–5

[11] Vollset SE et al. Effects of folic acid on overall and site-specific cancer incidence during the randomised trials: meta-analyses of data on 50 000 individuals. Lancet. 2013 March 23;381(9871)

[12] Huo Y, Li J, Qin X, et al. CSPPT Investigators. Efficacy of folic acid therapy in primary prevention of stroke among adults with hypertension in China: the CSPPT randomized clinical trial. JAMA. doi:10.1001/jama.2015.2274

[13] Mosley BS et al. Neural Tube Defects and Maternal Folate Intake Among Pregnancies Conceived After Folic Acid Fortification in the United States. Am J Epidemiol 2009;169:9–17

[14] Viswanathan M et al. Folic Acid Supplementation for the Prevention of Neural Tube Defects An Updated Evidence Report and Systematic Review for the US-Preventive Services Task Force. JAMA.2017;317(2):190-203.doi:10.1001/jama.2016.19193

[15] Bundesinstitut für Risikobewertung: Nutzen-Risiko-Abwägung einer flächendeckenden Anreicherung von Mehl mit Folsäure. Stellungnahme Nr. 027/2017 des BfR vom 13. September 2017

[16] Mensink GBM, Weißenborn A, Richter A (2016). Folat. 13. DGE-Ernährungsbericht Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.), Bonn, S. 47–51

[17] Venkatasubramanian R et al. A randomized double-blind comparison of fluoxetine augmentation by high and low dosage folic acid in patients with depressive episodes. J Affect Disord. 2013;150:644-8

[18] Larsson SC et al. A Prospective Study of Dietary Folate Intake and Risk of Colorectal Cancer: Modification by Caffeine Intake and Cigarette Smoking. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2005;14(3). March 2005

[19] Sanjoaquin MA et al. Folate intake and colorectal cancer risk: A meta-analytical approach. Int J Cancer, 2005. https://doi.org/10.1002/ijc.20648

[20] Qin X, Cui Y, Shen S, et al. Folic acid supplementation and cancer risk: a meta-analysis of randomized controlled trials. Int J Cancer. 2013 Sep 1;133(5):1033-41

Autoren

Dr. rer. nat. Julia Podlogar, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation und Klinische Pharmazie. Krankenhausapothekerin im Herz-Jesu-­Krankenhaus Münster-Hiltrup.



Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Seit 2013 Professor für Klinische Pharmakologie und Pharmakonutrition; Leiter des Studiengangs Clinical Nutrition an der praxisHochschule Köln. Herausgeber des Fachblogs Ernaehrungsmedizin.blog.

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