Prisma

Litschi kann tödlich sein

Hypoglycin A führt zu Unterzuckerung

cae | In Indien starben in den letzten 20 Jahren zahlreiche Kinder an schweren Hypoglykämien nach dem Genuss von Litschipflaumen. Die toxikologischen Umstände wurden erst jetzt aufgeklärt.
Foto: Unclesam – Fotolia.com
Litschi ist eine tropische Frucht, die auch hierzulande bekannt ist. Unter besonderen Umständen, die hier nicht zu erwarten sind, ist sie giftig.

Der Litschibaum (Litchi chinensis, Sapindaceae) stammt aus Südchina und Vietnam und wird wegen seiner schmackhaften Früchte heute in vielen (sub-)tropischen Ländern angebaut, so auch im nordindischen Bundesstaat Bihar, wo die Vergiftungsfälle in der Umgebung der Stadt Muzaffarpur auftraten. Die besonders schwer geschädigten Kinder litten jeweils morgens an Krämpfen und Dysfunk­tionen des Gehirns und starben vor dem nächsten Tag. Als Ursache wurden giftige Schwermetalle, Pestizide oder Viren vermutet, doch hat man lange nicht intensiv nachgeforscht, vermutlich weil die Opfer ausnahmslos armen Familien angehörten.

Eine aktuelle Untersuchung ergab nun, dass die Opfer eine schwere Hypoglykämie aufwiesen. Es musste also ein Zusammenhang mit der Ernährung bestehen, der auch schnell gefunden wurde: Die betroffenen Kinder hatten abends eine große Menge Litschipflaumen verspeist, ohne noch etwas anderes zu essen. Litschipflaumen enthalten Hypoglycin A, ein Methylencyclopropan-Derivat der Aminosäure Alanin. Es trägt seinen Namen wegen seiner starken Blutzuckerspiegel-senkenden Wirkung, die schon seit Langem bekannt ist. Litschipflaumen gelten trotzdem als unbedenkliches Obst, weil sie in der Regel als Nachtisch verzehrt werden. Eine Gefahr besteht hingegen dann, wenn eine hungrige Person Litschipflaumen als Hauptspeise isst, denn einerseits nimmt sie nur sehr wenig Kohlenhydrate auf, andererseits hemmt das Hypoglycin A die β-Oxidation von Fettsäuren und damit die Gluconeogenese. Der Verzehr am Abend ist umso gefährlicher, weil nachts die Hypoglykämie nicht bemerkt wird, sodass schon am Morgen die schweren irreversiblen Folgeschäden auftreten.

Auch ein anderes tropisches Obst enthält Hypoglycin A: die Akipflaume, deren Stammpflanze (Blighia sapida) zur selben Familie wie der Litschibaum gehört. Sie ist in Westafrika heimisch und gelangte einst mit Sklaven nach Jamaika, wo die im Prinzip essbare Akipflaume im Laufe der Zeit viele Tausend Todesopfer forderte; die Symptomatik ist als „Jamaican vomitting sickness“ bekannt. |

Quelle

Shrivastava A, et al. Association of acute toxic encephalopathy with litchi consumption in an outbreak in Muzaffarpur, India, 2014: a case-control study. Lancet Global Health; Epub 30.1.2017

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