Foto: Feinstoff-Apotheke

Die besondere Apotheke

„Wie im Wunderland“

Warum die Feinstoff-Apotheke ihren Kunden magische Momente bietet

„Bekomme ich bei Ihnen auch ein Aspirin?“ – mit dieser Frage von Kunden muss Apotheker Christian Köstlin rechnen. Seine „Feinstoff-Apotheke“ im Stuttgarter Westen erinnert beim Betreten nicht sofort an eine Apotheke, wie man sie üblicherweise kennt. Und er tut auch viel dafür, dass seine Kunden ein anderes Bild von einer Apotheke bekommen. Er möchte ihnen eine „universelle Pharmazie“ bieten, eine Apotheke, „aus Wissen und Liebe gemacht“, wie es auf seiner Website heißt. Wie er dies genau macht und warum, das habe ich im Gespräch mit dem Apotheker erfahren. | Von Peter Ditzel

Wer in Stuttgart seine Apotheke „Feinstoff-Apotheke“ nennt, muss sich auch die Frage gefallen lassen, ob ein Hör- oder Schreibfehler vorliegt: Hätte sie vielleicht „Feinstaub-Apotheke“ heißen sollen angesichts des fast ständig ausgerufenen Feinstaub-Alarms in dieser Stadt? Nein, natürlich hat das nichts mit seinem Apothekennamen zu tun, schmunzelt Köstlin. „Den Namen Feinstoff haben wir für unsere Apotheke gewählt, weil es uns darauf ankommt, das Feinstoffliche, das Geistige in der Arznei zu sehen“, womit er schon ein Stück weit die Philosophie seiner Apotheke überbringt. „Allerdings“, so fügt er hinzu, „bin ich weit davon entfernt, jeden zur Homöopathie, zur Spagyrik, zur Anthroposophie bekehren zu wollen. Um das zu verstehen, da muss jeder sein Aha-Erlebnis haben. Wir machen unseren Kunden lediglich ein Angebot, auch an diese Therapierichtung zu denken oder es einmal damit zu versuchen. Wenn sie sich nicht darauf einlassen wollen, dann können wir ihnen selbstverständlich auch etwas anderes anbieten. Wir sind da einfach sehr flexibel.“

Es geht um eine Idee

Seine Hauptapotheke, die Kur-Apotheke in Welzheim, einem kleinen Ort in der Nähe von Stuttgart, hat Christian Köstlin von seinen Eltern übernommen. „Sie läuft, alles gut. Aber, so weitermachen bis zur Rente?“, fragt sich der 53-jährige Apotheker. Das ist ihm irgendwie zu wenig. Er sucht für sich eine neue Herausforderung, vor allem: Er will der Pharmazie einen neuen Impuls geben – und eröffnet im Februar 2017 in Stuttgart seine Filial-Apotheke, die Feinstoff-Apotheke.

„Meine Überlegung ging von der Frage aus: Wie können wir die Pharmazie bereichern?“, erklärt Köstlin seine Motivation, ein neues Projekt zu wagen. „Wir haben den Druck aus der Industrie, aber eines Tages braucht die uns nicht mehr. Wir sind kurz davor, wie ich meine, zum Erfüllungsgehilfen der Pharmaindustrie zu werden. Das sind wir auch in den Augen der Politik, deshalb haben wir von dieser Seite auch nichts zu erwarten. Wir denken immer, die Politik wird uns schützen – nein, sie wird das nicht tun. Wir selbst müssen etwas dafür tun. Freilich, viele von uns arbeiten viel, sie engagieren sich für ihre Patienten, aber so manche warten auch nur aufs nächste Rezept, beliefern es und das war’s. Das kann’s nicht sein“, so Köstlin. „Ich bin überzeugt, wir müssen näher an den Kunden ran, wir müssen vom Kunden her denken. Die Versandapotheken machen durch Algorithmen gesteuert dem Kunden Zusatzangebote und geben Empfehlungen. Aber wir scheuen uns, unserem Kunden, der vor uns steht, echte Empfehlungen zu geben, das anzubieten, was er wirklich braucht. Der eine braucht eine schulmedizinische Therapie und der andere braucht etwas Natürliches, Pflanzliches und manche brauchen auch beides.“

Die etwas andere Apotheke

Es gibt sie, die Apotheken, die eine besondere Philosophie haben, die außergewöhnliche Ideen verwirklichen oder eine besondere Stellung haben. Kurzum, Apotheken, die anders sind als andere. In unserer Rubrik „Die besondere Apotheke“ stellen wir solche Apotheken vor. Dieses Mal besuchten wir die Feinstoff-Apotheke in Stuttgart.

Für Köstlin ist es wichtig, wie er es nennt, „die geistige Komponente der Therapie zu sehen“, man könne nicht immer alles mechanistisch sehen. „Hat ein Patient Schmerzen, gibt die Schulmedizin eine analgetische Substanz, einen Stoff, der am Rezeptor andockt, die Schmerzleitung blockiert, fertig. Das mag meist helfen, ist aber zu kurz gedacht. Man sollte vielmehr fragen, wie es zum Schmerz kommt, was hinter der Erkrankung steckt. Allein schon dadurch, dass man über ein Krankheitsproblem mit dem Patienten spricht, ihn danach fragt, wann die Beschwerden zum ersten Mal aufgetreten sind und sich so den Ursachen nähert, hat man schon in vielen Fällen einen Hebel, um die Beschwerden zumindest zu lindern. Ich weiß, mit diesen Ansichten kann ich vielen Kollegen nicht kommen, aber es sind meine Erfahrungen.“

Foto: Feinstoff-Apotheke
Spannend wie im Wunderland: Die Offizin ohne Sichtwahl lädt zum Schauen, zum Entdecken und Verweilen ein.

Jeder Kunde ein Individuum

Sein Hauptanliegen: „Unsere Kunden müssen von uns so bedient werden, dass sie nach ihrem Besuch bei uns die Apotheke mit einem positiven Gefühl verlassen. Das kann ich zum einen mit der Stimmung hier erreichen: Freundlichkeit ist in unserer Apotheke elementar. Zum andern sehen wir jeden Kunden als Individuum mit seinen ihm eigenen Problemen, die wir versuchen, individuell zu lösen. Wir versuchen unsere Kunden zu erreichen, auf der geistigen Ebene, das ist der Ansatz für uns. Das Arzneimittel wirkt für mich unterstützend, ich sehe es nicht als primären Heilsbringer. Eine Krebstherapie wird doch auch erst dadurch richtig erfolgreich, wenn die Patienten an ihre Therapie glauben, aber auch, wenn sie an ihrem Leben etwas ändern. Die Industrie versucht zum Teil heute schon, eine individualisierte Therapie anzubieten, indem sie die zur genetischen Ausstattung des Menschen passenden Arzneistoffmoleküle anbietet. Wir versuchen das Individuelle am Menschen umfassender zu sehen. Der Mensch ist eben kein streng mechanistisches Modell.“

Foto: Feinstoff-Apotheke
Grauglänzende Zaubergewänder statt weißer Kittel: Das macht’s persönlicher und bringt das Team näher zum Kunden.

Vor dem Hintergrund dieses Ansatzes, dieser Denke ging Köstlin das Konzept für seine neue Apotheke an: „Wir hatten einen Raum, den wir versucht haben, unter anderen Vorzeichen zu gestalten. Klar, einige Erfordernisse müssen wir als Apotheke erfüllen wie Labor, Lagerräume etc.“, so der Apotheker. Einen durchgehenden Handverkaufstisch hat er in dieser Apotheke aber nicht, er hat sich für drei kleine HV-Inseln entschieden, die im Raum verteilt sind: „Für den Pharmazierat war das völlig neu, da hat er erstmal geschluckt.“

Foto: Feinstoff-Apotheke
Vom Geistigen ins Stoffliche – die Feinstoff-Apotheke will ihren Kunden magische Momente schenken.

Köstlin hat auch seinen Schreibtisch am Rand der Offizin stehen, eine Art offenes Büro. Wie überhaupt die Apotheke sehr offen wirkt, ohne Barrieren, ohne Grenzen. Das soll symbolisieren, dass auch wir offen sind und auf den Kunden zugehen.

Seine Feinstoff-Apotheke sieht Köstlin als „Projekt“, denn ihm ist bewusst: „Geld verdient ist mit einer Neueröffnung erst mal für lange Zeit nichts“. Zumal die Apotheke nicht die 1a-Lauflage hat. Allerdings gibt es im Umfeld seiner Apotheke einige Ärzte: „Die Kunden müssen uns noch entdecken, aber ich denke, es wird“, ist sich Köstlin sicher. Ihm ist auch klar, dass sich diese Filiale irgendwann auch mal selbst tragen muss: „Aber es geht mir jetzt um diese Idee. Und wenn die stimmt, wenn der Geist dahinter stimmt“, so ist er überzeugt, „dann trägt sie sich irgendwann. Wir sind nach neun Monaten noch in der Aufbauphase, doch es geht langsam, aber stetig bergauf.“

Foto: Feinstoff-Apotheke
Der Brunnen ist in die Abbildung einer historischen Apotheke integriert – Details, die das Magische beleben.

Ein bisschen Magie und Mystik

Von außen wirkt die Feinstoff-Apotheke eher unscheinbar, man könnte sie fast übersehen, wäre da nicht das rote A, das auf eine Apotheke hinweist. Hat man die Apotheke betreten, erlebt man eine Überraschung, sodass sich einige fragen, „bin ich hier richtig?“. „‚Das ist ja spannend hier, wie im Wunderland‘, sagte uns vor Kurzem eine Kundin, ‚es gibt überall etwas zu entdecken!‘“. In der Tat, die Offizin lädt zum Schauen, zum Entdecken, zum Verweilen ein: Warmer Holzfußboden, keine Sichtwahl, nur wenige Freiwahlregale an den Wänden, keine üblichen Handverkaufstische, sondern die drei im Raum verstreuten Beratungsinseln, in einer Ecke ein großer Vorhang und dahinter ein Tischchen mit zwei Stühlen – nur wenig deutet auf das bekannte Bild von einer Apotheke hin. Keine Grenzen, keine Barrieren – möglich wurde dies dadurch, dass er auf die Sichtwahl, die einer Barriere bedarf, verzichtete. Auf den wenigen Regalböden aus feinem Holz stehen nur Produkte für die Freiwahl, Fläschchen und Packungen, meist mit Essenzen, Cremes und Ölen, Tees und Nahrungsergänzungsmitteln. Auf drei Großbild-Monitoren an den Wänden laufen unterschiedliche Anzeigen, beispielsweise eine freundliche Begrüßung der Kunden und der Wunsch, die Kunden mögen sich hier wohlfühlen. Die Monitore sind mit Holz umrahmt und wirken so fast wie Bilder. Auch die Klimaanlage ist versteckt eingebaut. „Es sind solche Kleinigkeiten, auf die wir hier sehr geachtet haben – und irgendwann stimmte dann das Gesamtkonzept“, freut sich Köstlin, der auf die Einrichtung seiner Apotheke besonderen Wert legte. „Wir wollen bei der Möblierung eine Wertigkeit vermitteln, die ausdrückt, dass die Apotheke etwas Besonderes ist, dass sie den Kunden ernst nimmt. Es macht zudem Spaß, sich mit hochwertigen Möbeln zu umgeben. Ich kann es nicht brauchen, wenn man auf billig laminierten Oberflächen arbeitet, die sich nach Kunststoff anfühlen. Dabei war es nicht besonders teuer, wertige Möbel anzuschaffen und dieses Konzept umzusetzen. Aber man muss die Ideen haben.“ Zur besonderen Atmosphäre in der Apotheke tragen außerdem eine angenehme Beduftung bei, eine dezente Hintergrundmusik, ein Brunnen, darüber hängt an der Wand ein als Poster aufgezogenes großes Bild einer historischen Apothekenszene. Selbst die Ausgabestelle für die Arzneimittel aus dem versteckt eingebauten Kommissionierautomaten zelebriert den besonderen, den mystischen Charakter des Medikaments: An einer Wand ist eine Wendelrutsche angebracht, die an der oberen Austrittsstelle von einer stilisierten Sonne umgeben ist; am unteren Entnahmepunkt mündet sie in eine Art Mondschale, in die das Arzneimittel fällt.

Foto: Feinstoff-Apotheke
Von der Sonne in die Mondschale – selbst die simple Arzneiausgabe eines Kommissionierers wird hier zu etwas Mystischem.

Und dann tritt hinter einer Wand eine Apothekerin oder eine PTA mit einem Lächeln hervor, gekleidet nicht im weißen Kittel oder im T-Shirt, sondern gehüllt in einen grau-glänzenden Stoffumhang in feiner Knitteroptik. Wenn einem jetzt eine Assoziation zu einer Harry-Potter-Atmosphäre einfällt, wenn einen das an Begriffe wie Magie und Mystik erinnert, liegt man nicht verkehrt. Denn ein Stück weit ist das so gewollt, wie es mir der Apotheker erklärt. „Wir versuchen, zu unseren Kunden eine persönliche Beziehung aufzubauen, deswegen haben wir auch keine weißen Kittel. Weiß bedeutet immer: Rühr mich nicht an, wir im weißen Kittel sind die Fachleute und du, Kunde, bist für uns das Objekt, der Krankheitsfall. Aber das ist für uns nicht der richtige Ansatz. Wir wollen viel näher an den Kunden ran.“

Foto: Feinstoff-Apotheke
Christian Köstlin möchte für seine Kunden die Pharmazie zu etwas Besonderem, persönlich Erlebbarem machen.

Dem Apotheker ist bewusst, dass die wehenden Umhänge wie Zaubergewänder wirken, „mir geht es auch ein bisschen um Magie“, philosophiert Köstlin. „Apotheken wirken oft streng, zu streng wissenschaftlich und rational. Als Apotheker habe ich doch auch den Auftrag, das wissenschaftlich Strenge und Komplizierte auf eine verständliche Kunden­ebene zu transportieren. Mit meinem Ansatz versuche ich den geistigen Überbau mit einzuflechten. Zum Auftrag des Apothekers gehört für mich die Vermittlung, wie man den geistigen Ansatz eines Arzneimittels in das Stoffliche überträgt – und daher habe ich meine Apotheke Feinstoff-Apotheke genannt. Schaut man heute in die Welt, so verschwinden viele Rituale, das Spirituelle spielt eine immer geringere Rolle. Die großen Rituale fehlen. Dabei brauchen die Menschen doch genau das. Sie suchen die magischen Momente in ihrem Leben. Es ist eine Art geistige Nahrung. Und wir wollen die Menschen auch ein bisschen überraschen.“

Auch Paracelsus, der große Alchemist des 16. Jahrhunderts, ist in der Feinstoff-Apotheke zugegen in Form von Zitaten, die an den Wänden und an der Decke der Apotheke in Schönschrift angebracht sind: „Er passt für mich zur geistigen Komponente, die im Arzneimittel steckt“, erklärt es Köstlin. „Wenn man jemanden mit der Therapie nicht seelisch berührt, dann wird es nichts. Wenn man im medizinischen Bereich effektiv arbeiten will, muss man ans Unterbewusstsein gehen. Wir können zumindest einen Anstoß geben, darüber nachzudenken, woher eine Erkrankung kommen kann.“

Lässt sich das den Kunden vermitteln? „Wir wollen etwas Heimeliges, eine Atmosphäre, in der man sich wohl fühlt. Deshalb haben wir z. B. nicht die übliche Sichtwahl. Klar, manche Kunden fragen dann schon mal, ob sie bei uns auch Aspirin bekommen. Keine Sorge, unser Kunde bekommt bei uns alles. Aber wir wollen mit unserem Ansatz das Spek­trum weiten. Wir führen alles, sie bekommen alles, aber wir stellen es nicht in den Vordergrund, deshalb stehen bei uns Aspirin, Voltaren und Grippostad nicht in der Sichtwahl wie in anderen Apotheken, wo sie Druck machen: Verkauf mich!“ Aber die Apotheke lebt doch vom Verkauf, frage ich nach: „Natürlich“, räumt Apotheker Köstlin ein, „auch wir leben davon, dass wir diese Produkte empfehlen, verkaufen, aber wir versuchen dies in einer ganzheitlichen Weise, auch wenn das Wort ganzheitlich schon abgenutzt ist. Wir versuchen mit einem breiteren Blick auf den Kunden, auf seine Beschwerden zu schauen. Es geht uns darum, gemeinsam mit dem Kunden einen Lösungsansatz für seine Beschwerden zu finden und dabei soll das Industrieangebot den Blick nicht einengen. Letztlich ist der Apothekerberuf doch ein Heilberuf, wir werden aber oft in die Ecke des Kaufmanns gedrängt. Freilich, wir müssen auch kaufmännisch handeln, dürfen aber das Heilberufliche dabei nicht vergessen“, ist Köstlin überzeugt.

Foto: Feinstoff-Apotheke
Das rote Apotheken-A weist auf eine Apotheke hin. Aber ansonsten ist in dieser Apotheke vieles anders als in anderen. Vor allem: Sie will sich näher am Kunden präsentieren, barrierelos, heimeliger, mit Wohlfühl-Atmosphäre.

Um das Konzept für Christian Köstlins Feinstoff-Apotheke zu verstehen, hilft auch der Untertitel weiter, den er seiner Apotheke zur Seite stellte: „Universelle Pharmazie… ja“, lacht der Apotheker, „in Stuttgart ist dieser Begriff nicht einfach, da er an die umstrittene Sekte ‚Universelles Leben‘ erinnert, die vor Jahren in Stuttgart für negative Schlagzeilen sorgte. Für mich drückt dieser Begriffe allerdings sehr schön die Ganzheitlichkeit aus, die universelle Komponente der Pharmazie, mit der wir uns unseren Kunden nähern wollen.“

Modern, breit aufgestellt, kundennah

Bei aller Mystik, Magie und naturheilkundlichen Grundausrichtung tritt die Feinstoff-Apotheke als zeitgemäße Apotheke auf, die technisch und konzeptionell auf der Höhe der Zeit ist. Köstlin: „Wir sind QM-zertifiziert, das hilft uns die Herstellungsprozesse zu steuern. Das steht unserer Philosophie nicht entgegen. Wir wollen eine Apotheke, die topmodern ist von der Ausstattung und Technik her. Wir haben beispielsweise auch einen Abholautomaten, an dem Kunden ihre bestellte Ware rund um die Uhr abholen können. Wir haben alle modernen Hilfsmittel im Hintergrund. Dennoch, der Mensch steht für uns im Vordergrund. Alle Technik soll nur dazu dienen, dass wir den Menschen besser bedienen. Das macht Spaß.“

In der Feinstoff-Apotheke arbeiten eine Filialleiterin, eine Apothekerin, eine PTA und eine PKA. Wie haben seine Mitarbeiterinnen die feinstofflichen Ideen ihres Chefs aufgenommen? „Natürlich waren einige anfangs ein wenig verunsichert, als ich sagte, wir ziehen diese Gewänder an. Da musste ich schon für eine Idee kämpfen. Von ‚geht gar nicht’ bis ‚warum nicht‘ war alles dabei. Eine Mitarbeiterin meinte, die Apotheke sei so schön geworden, jetzt müsse man doch auch schöne weiße Kittel tragen. Da habe ich ihr erklärt, dass die Abkehr vom Weiß für mich etwas Elementares ist. Als die ersten positiven Rückmeldungen von den Kunden kamen, haben meine Mitarbeiter rasch gemerkt, dass es doch etwas Besonderes ist, dass es klasse ist. Heute ist das kein Problem mehr.

Man muss sich suchen und finden.“ Heute sei sein Team gut aufgestellt, so Köstlin, jeder habe seine Schwerpunkte: „Wir haben eine Mitarbeiterin, der die Naturheilkunde am Herzen liegt, eine andere ist für schulmedizinische Fragen zuständig. Eine meiner Mitarbeiterinnen ist Ägypterin, weshalb auch arabisch sprechende Kunden in die Feinstoff-Apotheke kommen, die sich hier gut aufgehoben fühlen. Wir haben auch Kontakt mit einer großen Kita, es kommen viele Mütter mit Kindern zu uns.“

Wie kommen Allopathie und Homöopathie in seiner Apotheke zusammen? „Ich komme selbst von der Naturwissenschaft her, habe knallharte Chemie gelernt. Aber immer versucht, ein bisschen über den Tellerrand zu schauen. Ich habe sogar mal Homöopathie-Vorlesungen bei den Medizinern gehört“, erklärt es mir der Apotheker, „und ich habe die Kammerfortbildung zur Naturheilkunde und Homöopathie durchlaufen, die ich sehr gut fand. Eigentlich hat ein Apotheker in seiner Ausbildung doch ein sehr breites Spektrum, aber wir engen es sehr oft ein auf Begriffe wie evidenzbasiert. Und das hindert uns mitunter daran, etwas Anderes, etwas Neues auszuprobieren.“

Verstehen die Kunden, was seine Apotheke vermitteln will? Wie sind die Kunden-Reaktionen? „Durchaus positiv“, ist sich Köstlin sicher, „wir merken schon, dass die Kunden uns gegenüber aufgeschlossen sind. Sie nehmen sich Zeit, bei uns zu verweilen, sich von uns beraten zu lassen. Sie schätzen die einladende Atmosphäre in der Apotheke, sie schauen sich um, freuen sich über die Details, die Zitate an der Wand, den Brunnen. Es spricht sich herum, dass wir etwas Besonderes sind, sie empfehlen uns weiter, da bin ich mir sicher.“ Seine Apotheke findet man mit einer modern gestalteten Seite im Internet und auch auf Facebook ist die Feinstoff-Apotheke vertreten. Ab und an macht er schon mal einen Flyer mit besonderen Angeboten, aber das steht bei ihm nicht im Mittelpunkt. „Man hat es selbst in der Hand, ob die Kunden kommen oder nicht. Von der Politik darf man hier keine Hilfe erwarten. Die Kunden kommen, wenn man gut ist, wenn man sein Geschäft vor Ort gut macht. Dann braucht man auch die Versender nicht zu fürchten. Man verliert sie, wenn man nicht bietet, was sie suchen“, so Christian Köstlin.

Und seine Meinung zu den Zukunftsperspektiven, zum Medikationsmanagement und zum Medikationsplan? „Mit dem Medikationsplan haben wir eine Bauchlandung hingelegt“, so der Apotheker. „Wir sollten uns in der Politik noch selbstbewusster darstellen und sagen: Ohne uns geht das nicht! Ich unterstütze den Weg, in Richtung Medikationsmanagement zu gehen. Es ist die Zusammenarbeit mit dem Arzt, auf die es hier ankommt. Diese Zusammenarbeit mit den Ärzten, das Vertrauen der Ärzte – das müssen wir uns in vielen Fällen hart erarbeiten. Aber es lohnt sich. Freilich, wenn man alles nur unter monetären Gesichtspunkten sieht – für den Medikationsplan bekomme ich vielleicht mal ein paar wenige Euro, streiche womöglich noch ein paar Arzneimittel weg und bekomme dadurch noch weniger – wenn man dies so sieht, wird das nichts. Es geht in Zukunft auch um eine adäquate Honorierung, beispielsweise für die Medikationsanalyse.“ Und darüber ist sich Apotheker Christian Köstlin im Klaren: „Letztlich können wir beim Kunden nur durch unsere Arbeit und mit Vertrauen punkten.“ |

Autor

Peter Ditzel ist Herausgeber der DAZ – Deutsche Apotheker Zeitung

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