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Arzneimittel und Therapie
Den Antibiotika-Einsatz optimieren
Procalcitonin als Marker für bakterielle Infektionen
Akute Infektionen der Atemwege sind eine Belastung für Patienten und das Gesundheitssystem. 2015 starben Schätzungen zufolge 2,74 Millionen Menschen weltweit an Infektionen der unteren Atemwege. Obwohl oftmals durch Viren verursacht, werden häufig Antibiotika zur Behandlung eingesetzt. Vor allem bei Erwachsenen ist es äußerst schwierig, zwischen bakteriellen und viralen Infektionen zu unterscheiden. Im Falle einer bakteriellen Atemwegsinfektion können etablierte Diagnosemethoden nicht in Echtzeit wiedergeben, ob der Erreger abgestorben ist und die Antibiotika nicht mehr benötigt werden.
Zwar konnte die mit bakteriellen Infektionen assoziierte Sterblichkeit reduziert werden, wenn frühzeitig eine Antibiotika-Therapie eingeleitet wurde, aber auf der anderen Seite haben die Verordnung von Antibiotika bei Patienten mit viraler Bronchitis sowie der längere Einsatz bei Patienten mit bakterieller Infektion zur Entwicklung von multiresistenten Erregern beigetragen.
Hilfreicher Marker bei Entzündungsreaktionen
Nun wurde in einer Metaanalyse von Forschern aus der Schweiz die Sicherheit der Procalcitonin-gesteuerten Behandlung bei Patienten mit akuten Atemwegsinfektionen analysiert. Ausgewertet wurden Studien, in denen Patienten mit Infektionen der Atemwege entweder Antibiotika auf Basis von Procalcitonin-Werten erhielten oder einer Standard-Antibiotikatherapie (Kontrolle) unterzogen wurden. Die primären Endpunkte waren die 30-tägige Mortalitätsrate und das spezifische Therapieversagen. Sekundäre Endpunkte waren der Antibiotika-Gebrauch, die Dauer des Krankenhausaufenthaltes und das Auftreten Antibiotika-assoziierter Nebenwirkungen. Die Auswertung der Daten von 6708 Patienten aus 26 Studien in zwölf Ländern ergab, dass in der Gruppe der Procalcitonin-gesteuerten Therapie mit 9% signifikant weniger Menschen verstarben als bei den Kontrollen (10%, adjustiertes Odds Ratio [OR] 95% KI 0,70 bis 0,99], p = 0,037). Die Therapiedauer konnte um 2,4 Tage reduziert werden (5,7 vs. 8,1 Tage). Zudem traten weniger Nebenwirkungen auf (16% vs. 22%). Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes änderte sich nicht.
Marker für Art und Verlauf einer Infektion
Procalcitonin ist das Prohormon von Calcitonin und wird von menschlichen Epithelzellen als Reaktion auf bakterielle Infektionen vermehrt ausgeschüttet und umgekehrt während Virusinfektionen herunterreguliert. Studien haben gezeigt, dass Procalcitonin-Konzentrationen während des Abklingens bakterieller Infektionen schnell sinken. Dadurch eignet es sich als Surrogat-Marker – sowohl zur Identifizierung bakterieller Infektionen als auch zur Verlaufskontrolle bei Antibiotika-Behandlungen. In den USA ließ die Zulassungsbehörde im Februar 2017 Procalcitonin als Biomarker zur Überwachung der Antibiotika-Therapie im Zusammenhang mit akuten Atemwegsinfektionen und Sepsis zu.
Die Verwendung von Procalcitonin klingt verheißungsvoll. Die unterschiedlichen Cut-off-Werte für Procalcitonin, die in klinischen Studien verwendet wurden, erschweren aber eine Umsetzung in die Krankenhausroutine. Außerdem werden Procalcitonin-Werte stark durch die Krankengeschichte des Patienten sowie weitere Untersuchungsbefunde beeinflusst.
Die endgültige Entscheidung über eine Antibiotika-Therapie wird letzten Endes immer noch in der Hand des Arztes liegen. Auch wenn der Einsatz von Procalcitonin noch nicht ausgereift ist, so ist es eine Option, Antibiotika-Verordnungen zu reduzieren – und das ist immer sinnvoll. |
Quelle
[1] Schuetz et al. E ect of procalcitonin-guided antibiotic treatment on mortality in acute respiratory infections: a patient level meta-analysis. Lancet Infect Dis 2017. http://dx.doi.org/10.1016/ S1473-3099(17)30592-3
[2] Fontela et al. Procalcitonin and antibiotic use: imperfect, yet e ective. Lancet Infect Dis 2017. http://dx.doi.org/10.1016/ S1473-3099(17)30593-5
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