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„Das Rx-Versandverbot muss kommen!“

Kathrin Vogler von der Linken über Gesundheitsversorgung, Apothekenhonorar und Lieferengpässe

ms | Die Gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Kathrin Vogler, bevorzugt die Apotheke vor Ort, hat aber auch schon mit dem Versandhandel Erfahrungen gemacht. Warum sie Konzepte wie in Hüffenhardt ablehnt, wie sie das Thema Lieferengpässe angehen würde und welche Absichten sie hinter dem Vorgehen von DocMorris sieht, erzählt Kathrin Vogler im DAZ-Interview.

DAZ: Frau Vogler, haben Sie eine Stamm-Apotheke, in die Sie regelmäßig oder besonders gerne gehen?

Vogler: Ja, natürlich. Die besuche ich jeden Monat, um mein Rezept einzulösen. Sie liegt in meiner Nähe, das Personal ist freundlich und mein nicht ganz alltägliches Medikament ist hier immer vorrätig.

„Wenn wir eine flächendeckende Versorgung haben wollen, müssen wir bei den Ärztinnen und Ärzten beginnen.“

DAZ: Haben Sie auch schon mal in einer Versandapotheke bestellt?

Vogler: Ja, das habe ich – allerdings nicht für mich, sondern für meine Mutter. Sie war schwer behindert, mehrfach erkrankt und hatte eine sehr niedrige Rente. Sie brauchte regelmäßig OTC-Präparate, die ich tatsächlich im Versand bestellt habe, um ein paar Euro zu sparen. Dabei habe ich allerdings die Erfahrung gemacht, dass es einen starken Anreiz gibt, viel zu bestellen. Ab einem gewissen Mindestbestellwert zahlt man kein Porto mehr – da bestellt man schon mal etwas mehr als man eigentlich braucht. Und es hat nie jemand nachgefragt, wenn wir mal fünf Packungen Paracetamol und noch einmal ASS oder Diclofenac dazu bestellt haben.

DAZ: Was erwarten Sie grundsätzlich von einer guten Apotheke?

Vogler: Das, was ich auch persönlich schätze: Keine weiten Wege, das Eingehen auf individuelle Bedürfnisse, eine Beratung, auch ohne dass der Kunde selbst aktiv danach fragt – denn der steht hier häufig vor einer Hemmschwelle. Doch ich denke, die Apotheke kann sich auch weiterentwickeln, sie könnte etwa stärker in Präventionsaufgaben einbezogen werden. Schließlich ist sie für viele Menschen mit Beschwerden die erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen und auch ehe sie zum Arzt gehen. Da ist eine kompetente Beratung wichtig. Dieser Wert wurde mir gerade wieder deutlich, als ich in England war, wo bestimmte Arzneimittel frei im Supermarkt zu haben sind. Wenn ich da eine Frage zu einem Medikament hätte, könnte ich sie niemanden stellen.

Kathrin Vogler

Foto: Die Linke

Kathrin Vogler wurde 1963 in München geboren. Nach dem Abitur nahm sie ein Studium der Soziologie, Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität Münster auf, das sie jedoch nicht abschloss. Schon 1979 begann Vogler, sich politisch zu engagieren und trat dem Verband Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) bei, wo sie von 1990 bis 1994 als Landesgeschäftsführerin des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen und zwischen 1995 und 1999 als Bundesgeschäftsführerin arbeitete. 1983 trat sie in die SPD ein, verließ die Partei aber im Jahr 2001, wofür sie als Begründung die „geschlossene Unterstützung der SPD-Fraktion im Bundestag für den Krieg gegen Afghanistan“ angab. 2005 trat sie der WASG bei. Nach der Fusion mit der PDS im Jahr 2007 arbeitete Vogler als Kreisvorstandsmitglied auf Landesebene. Seit 2009 ist sie Mitglied des deutschen Bundestages und seit Dezember 2015 Gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke.

DAZ: Ist es Ihrer Meinung nach ein Problem, dass die Zahl der Apotheken sinkt? Sehen Sie hierdurch die flächendeckende Versorgung in Gefahr?

Vogler: Ich denke, es reicht nicht aus, sich die Zahl zu vergegenwärtigen. Hier muss man in die Struktur schauen. In Berlin lacht man mich aus, wenn ich etwas von fehlenden Apotheken erzähle. Hier ist die Versorgung natürlich nicht in Gefahr, wenn eine Apotheke schließt. Aber es gibt kleine Apotheken auf dem Land oder in Kleinstädten, für die kein Nachfolger zu finden ist. Das macht uns natürlich besorgt, denn natürlich braucht auch die dortige Bevölkerung die Apotheke – gerade auch mit ihren Nacht- und Wochenenddiensten.

DAZ: Welche Lösungsvorschläge haben Sie dann, auch für die medizinische Versorgung insgesamt?

Vogler: Wir können die Versorgung im Gesundheitswesen natürlich nicht nur für eine Berufsgruppe planen. Denn hier spielt alles zusammen: Die Apotheke braucht die Ärztinnen und Ärzte, diese wiederum brauchen die Apotheken und die Gesundheitsfachberufe. Wenn wir eine flächendeckende Versorgung haben wollen, müssen wir bei den Ärztinnen und Ärzten beginnen. Da würde unser Konzept der solidarischen Gesundheitsversicherung schon einmal helfen. Dieses sieht vor, dass alle jetzt privat Versicherten in die gesetz­liche Krankenversicherung einbezogen werden. Das heißt für die Ärzte, dass sie mit jedem Patienten mit gleichem Krankheitsbild das Gleiche verdienen und nicht nach dem Sozialstatus der Patienten entlohnt werden. Das nimmt den Anreiz, sich gerade dort niederzulassen, wo viel Gutverdiener und Privatversicherte leben. Ländliche Räume und Stadtteile mit ärmerer Bevölkerung könnten umgekehrt attraktiver werden, weil man dort mehr verdienen könnte. Und sind die Ärzte vor Ort, bleiben auch die Apotheken erhalten.

Wir sollten aber auch darüber nachdenken, ob wir bei der Apothekenvergütung so etwas wie eine Versorgungskomponente einbauen könnten. Dazu habe ich allerdings noch kein fertiges Konzept in der Tasche, das muss man sich gut überlegen. Die Notdienstpauschale ist schon ein Stück eines solchen versorgungsorientierten Konzeptes, damit sammeln wir bereits gute Erfahrung. Das könnte man nun auf den Prüfstand stellen und sich überlegen, wie man diesen Ansatz weiterentwickeln könnte.

„Es ist wirklich eine Schande, dass die Bundesregierung es nicht hinbekommen hat, regulierend einzugreifen. Das Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel hätte kommen können – und kommen müssen.“

DAZ: Ein Konzept à la Hüffenhardt ist für Sie sicherlich keine Lösung für schwindende Apotheken auf dem Land?

Vogler: Ich finde es unverantwortlich, die Arzneimittelversorgung in die Hand von technischen Systemen zu legen. Das geht überhaupt nicht – selbst, wenn am Ende möglicherweise ein Pharmazeut sitzt. Es ist einfach was anderes, dem Patienten direkt gegenüberzustehen.

Foto: DAZ/Sket
„Unverantwortlich, die Arzneimittelversorgung in die Hände von technischen Systemen zu legen.“ Kathrin Vogler (Die Linke) im DAZ-Interview

DAZ: Kommen wir zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016, das den deutschen Apotheken nach wie vor große Sorgen bereitet. Waren Sie von der Entscheidung überrascht?

Vogler: Ja, das war ich. Und ich war verärgert. Ich finde es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass das Gericht den freien wirtschaftlichen Wettbewerb über die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung gestellt hat. Bei dem einen reden wir über Patientensicherheit und über Menschenrechte, bei dem anderen nur darüber, wie viel Profit man machen kann.

DAZ: Welche Befürchtungen haben Sie, wenn DocMorris & Co. weiterhin beliebig hohe Rabatte gewähren können?

Vogler: Zur Rose hat sich jetzt über einen Börsengang vorgenommen, nochmal 200 Millionen Schweizer Franken zu generieren, um den Versand auszubauen, vor allem in Deutschland. Wenn das investiert ist, hat der Konzern natürlich die Möglichkeit, seine Marktanteile weiter zu vergrößern. Schon im laufenden Jahr zeigt die Entwicklung, dass sich die Umsatzanteile zum Versand erheblich verschieben – das wird weitergehen. Es ist wirklich eine Schande, dass die Bundesregierung es nicht hinbekommen hat, da regulierend einzugreifen. Das Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel hätte kommen können – und kommen müssen, schon um Zeit zu gewinnen. Erfahrungsgemäß wird es immer schwieriger, je mehr Geld schon investiert worden ist. Man sieht ja, dass DocMorris-Vorstand Max Müller ordentlich Gas gibt, auch was die politische Verankerung betrifft. So hat er kürzlich auch die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) zu einem Besuch in Heerlen bewegt. Ich glaube nicht, dass die Erfolgsaussichten für ein Rx-Versandhandelsverbot besser werden, je länger man damit wartet.

DAZ: Hätte Minister Hermann Gröhe seinen Gesetzentwurf für das Rx-Versandverbot zur Abstimmung im Bundestag gestellt – hätte die Fraktion Die Linke ihn unterstützt?

Vogler: Klar, sicher. Nur weil es von der CDU kommt, stimmen wir ja nicht gegen etwas, das wir seit 2009 immer wieder gefordert haben. Wir sind ja froh, wenn sich andere Parteien vor dem Licht solcher Ereignisse unserer Position annähern.

DAZ: Was halten Sie von den Vorschlägen von SPD und Grünen, zeitlich begrenzt einen Boni-Deckel einzuführen?

Vogler: Der Boni-Deckel ist nichts als weiße Salbe auf dem Problem und löst gar nichts. Er hätte den Prozess höchstens ein bisschen aufgehalten. Ich bleibe dabei: Das Rx-Versandhandelsverbot muss so schnell wie möglich kommen.

„Zur Rose und DocMorris geht es nur darum, eine Investitionsmöglichkeit für Kapitalbesitzer zu schaffen und damit den Apothekenmarkt in Deutschland auf­zurollen, zu deregulieren und sich dabei eine Monopolstellung zu verschaffen.“

DAZ: Apothekern wird im Zusammenhang mit der Versand-Debatte vorgeworfen, Innovationen im Bereich der Digitalisierung abzublocken – gerade auch von den Versendern selbst. Sehen Sie das auch so?

Vogler: Das ist absoluter Bullshit. Der Versand hat überhaupt nichts mit Digitalisierung zu tun, das ist schlicht und ergreifend ein Konzept, wie man herkömmliche Logistik und Großhandelskonzepte auf den Apothekenmarkt überstülpt. Das ist Amazon fürs Gesundheitswesen und eine kapitalgetriebene Markteroberungsstrategie. Es ist doch so: In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase, in der wir jetzt schon lange stecken und weiter stecken werden, suchen viele Kapitalbesitzer nach Anlageformen, die Ertrag versprechen. Auch zur Rose und DocMorris geht es nur darum, eine Investitionsmöglichkeit für Kapitalbesitzer zu schaffen und damit den Apothekenmarkt in Deutschland aufzurollen, zu deregulieren und sich dabei eine Monopolstellung zu verschaffen. Wenn man dem tatenlos zusieht oder es sogar noch schönredet, wie es Frau Zypries tut, hat man nicht verstanden, worum es geht. Mit Digitalisierung und Innovation hat das Ganze jedenfalls nichts zu tun. Sie können doch sehen, wohin diese Entwicklung im Einzelhandel geführt hat: Die Innenstädte vieler kleinerer Orte sind verödet, es gibt keine Läden mehr. Bei Hundefutter oder Schuhen mag dann die Bestellung und der Versand in Ordnung sein – hier lässt sich planen und der Beratungsbedarf ist überschaubar. Bei akut benötigten Arzneimitteln sieht das anders aus – was macht eine junge Mutter am Samstagnachmittag mit einem Kind mit Mittelohrentzündung, wenn es keine Apotheke in der Nähe gibt? Zäpfchen im Internet bestellen? Das ist doch Unsinn! Und das ist auch DocMorris klar. Sie zielen aufs Rosinenpicken, sie wollen die Chroniker mit regelmäßigen Rezepten und wenig Beratungsbedarf abfischen. Für die Apotheken vor Ort bleibt dann nur die Akutversorgung – so lässt sich eine Apotheke aber nicht aufrechterhalten. Dann kommen wir an den Punkt, dass die Leute sagen werden, sie wollen die Medikamente auch bei Aldi kaufen, weil es ja keine Apotheke mehr gibt.

DAZ: Könnten Sie sich für bestimmte unterversorgte Regionen möglicherweise alternative Apothekenformen vorstellen?

Vogler: Nein, ich denke, wir sollten am bestehenden System festhalten, das Botendienste und zum Beispiel auch Zweigapotheken ermöglicht. Im Übrigen sollten wir auch das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Kern beibehalten. Es geht hier um persönliche Verantwortung. Denkbar wäre noch, eine Trägerschaft von Apotheken in öffentlicher Hand, wenn sich in einer Region kein Apotheker findet. Aber Apotheken in Form einer Kapitalgesellschaft finde ich vollkommen falsch.

DAZ: Wie können Sie sich die Honorierung der Apotheken in Zukunft vorstellen? Und was erwarten Sie vom Gutachten, das gerade im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wird?

Vogler: Ich schätze bei dem Gutachten wird nicht viel herauskommen. Ich wäre dafür, mal ganz auf null zu gehen und sich zu überlegen, wie die fachliche Arbeit von Apotheken honoriert werden sollte. Denn im Moment erfolgt die Vergütung ja in erster Linie packungsbezogen. Schon vor vier Jahren habe ich auf Podiumsdiskussionen gesagt, Apotheker sollten auch dafür honoriert werden können, dass sie mal kein Arzneimittel abgeben. Zu viele Patienten erhalten Medikamente, die nicht aufeinander abgestimmt sind – hier gibt es also wichtige Aufgaben für Apotheker. Ich finde ganz spannend, dass diese Idee plötzlich auch ganz viele andere Leute aufgreifen. Das zeigt sehr schön, dass man auch aus der Opposition heraus Impulse geben kann.

Allerdings: Wie man das System der Apothekenvergütung nun umstellen kann, ohne Schaden anzurichten, muss man noch herausfinden. Reformen im Gesundheitswesen sind ja immer eine Art Operation am offenen Herzen. Dazu sollen sich alle an einen Tisch setzen – inklusive Patientenvertretern und Kassen. Neben der schon angesprochenen Versorgungskomponente, die mir vorschwebt, ist mir auch noch wichtig, dass die Apotheken nicht in einen weiteren Preiswettbewerb gehen.

DAZ: Sie könnten sich also vorstellen, dass Apotheken in unterversorgten Regionen mehr Geld bekommen?

Vogler: Zum Beispiel. Das darf sich aber nicht auf den Patienten auswirken. Es darf also nicht darauf hinauslaufen, dass die Apotheke in bester Lage Rabatte gewähren kann, während die auf dem Dorf vom Patienten Zuschläge fordert.

„Reformen im Gesundheits­wesen sind ja immer eine Art Operation am offenen Herzen.“

DAZ: Kommen wir noch zu einem anderen Thema, das die Apotheker in den letzten Jahren als Dauerbrenner beschäftigt: Lieferengpässe …

Vogler: Auch hier bin ich ein bisschen stolz auf unsere Arbeit in der Opposition. Ich denke, mit unseren kleinen Anfragen und beständigem Nachbohren haben wir dieses Thema überhaupt erst auf die politische Ebene hochgezogen – übrigens mit Unterstützung einiger Apothekerinnen und Apotheker, die uns Material geliefert haben. Anfänglich sagte die Bundesregierung stets, die Engpässe seien kein Problem, weil es keine Versorgungsengpässe seien. Handlungsbedarf sah sie daher nicht. Dann nahm Herr Gröhe das Thema aber mit in seinen Pharmadialog. Was dabei rausgekommen ist, ist natürlich ein Witz.

DAZ: Haben Sie Vorschläge, wie mit diesem Problem umgegangen werden soll?

Vogler: In der nächsten Legislaturperiode müssen wir mehr erreichen als einen Jour Fixe, bei dem alle mal miteinander reden. Wir müssen zu gesetzlichen Verpflichtungen kommen, nicht nur für die Meldung von Engpässen. Das ist zwar wichtig, nutzt alleine aber auch nichts. Die Industrie muss auch verpflichtet werden, sensible Medikamente vorrätig zu halten. Problematisch ist natürlich auch die zunehmende Konzentration im Pharmamarkt. Wenn es nur noch eine Produktionsstätte für ein Arzneimittel oder einen Impfstoff gibt – was machen wir denn, wenn es dort zum Beispiel mal brennt? Das mag man sich gar nicht vorstellen. Vielleicht müsste man mal über eigene Produktionsanlagen nachdenken – etwa unter der Oberhoheit der Weltgesundheitsorganisation.

DAZ: Zuweilen werden im Zusammenhang mit Lieferengpässen auch Parallel- und Reimporte von Arzneimitteln genannt …

Vogler: Ja – aber das ist kein nationales Problem, sondern etwas das man EU-weit angehen müsste. Unter der slowakischen Ratspräsidentschaft hatte man versucht, eine Initiative anzustoßen, in Europa gemeinsam gegen Lieferengpässe vorzugehen. Die Bundesregierung hat das allerdings abgelehnt. Sie ist offenbar der Auffassung, dass wir in Deutschland besser fahren, wenn wir uns nicht verständigen, sondern unsere ökonomische Machtstellung nutzen, um aus den Nachbarländern die Vorräte abzukaufen. Das ist für mich das Gegenbeispiel europäischer Solidarität. Wenn wir in diesen Bereichen als Bremser auftreten, muss man sich nicht wundern, wenn andere Länder an anderer Stelle auch nicht solidarisch sein wollen. Auch die nach dem Pharmadialog zunächst geplante Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge ging in diese Richtung. Hier wollte man sich einen schlanken Fuß machen: Wenn andere Länder den wirklichen Preis nicht öffentlich einsehen können, bleiben die Preise dort höher als sie sein müssten, weil viele den deutschen Preis als Referenzpreis betrachten. Glücklicherweise kam es dazu nicht.

„Ich wünsche mir eine große Initiative für mehr öffentliche und industrieunabhängige Arzneimittelforschung“

DAZ: Welches gesundheitspolitische Thema gehört für Sie als oberstes auf die Agenda für die kommende Legislaturperiode?

Vogler: Zum einen müssen wir uns dringend nochmal mit dem AMNOG und der Preisfestsetzung im ersten Jahr auseinandersetzen. Es ist wirklich notwendig, das Ergebnis der Preisverhandlungen auf das erste Jahr rückwirken zu lassen. Darüber hinaus wünsche ich mir eine große Initiative für mehr öffentliche und industrieunabhängige Arzneimittelforschung. Unsere Fraktion will dafür einen Forschungsfonds von 500 Millionen Euro jährlich bereitstellen – das kann natürlich nur ein Startimpuls sein. Ein aktuelles Beispiel wäre Methadon, das verschiedene Forscher und Ärzte als wirkungsvolles Krebsmittel sehen, für das es jedoch keine klinischen Studien gibt. Es gibt auch keine Firma, die In­teresse hat, dies näher zu erforschen. Hier hakt unsere Fraktion deshalb gerade mit einer kleinen Anfrage bei der Bundesregierung nach. Wir meinen: In solchen Fällen, ist die öffentliche Hand gefragt – und die Ergebnisse solcher Forschung blieben dann auch nicht privatisiert in einem Unternehmen, sondern würden im öffentlichen Interesse verwendet. Auch die Cannabis-Begleitforschung wäre ein Fall für den von uns vorgeschlagenen Fördertopf.

DAZ: Und welche Themen stehen für Sie im Apothekenbereich an vorderster Stelle?

Vogler: Da wünsche ich mir für den Beginn der Wahlperiode nochmals eine Initiative für das Rx-Versandverbot auf die Beine stellen zu können. Danach sollte es eine Art runden Apotheken-Tisch geben, an dem man sich mit all den offenen Fragen beschäftigt. Was ist mit dem Medikationsplan? Was mit dem Präventionsgesetz? Warum sind Apotheken nicht dabei – welche Rolle könnten sie spielen? Was ist mit einer beratungsorientierten Vergütung? Das wird nicht alles in einer Legislaturperiode abzuarbeiten sein – aber man muss zumindest damit anfangen.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Vogler! |

DAZ-Sommerinterviews

Vor der Bundestagswahl im September hat die DAZ bei allen Parteien, die eine realistische Chance auf den Einzug in den Bundestag haben, wegen eines Interviews angefragt.

Die Gespräche mit Kordula Schulz-Asche, Grüne (DAZ 2017, Nr. 31, S. 18), Michael Hennrich, CDU (DAZ 2017, Nr. 32, S. 18) und Sabine Dittmar, SPD (DAZ 2017, Nr. 33, S. 20) sind bereits erschienen.

Die FDP und die AfD konnten leider keinen Interview-Termin möglich machen.

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