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Sonnenschutz
Was Sonnenschutzmittel so alles anrichten
Ein Gastkommentar von Priv.-Doz. Dr. Margret Schlumpf und Prof. Dr. Walter Lichtensteiger
In den vielen Publikationen über Sonnenschutzprodukte fehlen meistens Meldungen über mögliche andersartige Wirkungen der in den Produkten enthaltenen chemischen UV-Filtersubstanzen. Wir finden es wichtig, dass an geeigneter Stelle zumindest auf weitere mögliche Wirkungen dieser aktiven Chemikalien hingewiesen wird. Wir stützen uns auf neue wissenschaftliche Publikationen sowie auf Berichte von einem Kongress in Kopenhagen (COW2017).
UV-Filter sind nicht nur in Sonnencremes enthalten, sie werden auch weiteren Kosmetika wie Make-ups, Gesichts- und Körpercremes, Lippenstiften, Shampoos und Duschmitteln zugegeben; gemäß Gesetz müssen sie auf der Packung deklariert sein.
Belastung der Umwelt
Chemische UV-Filter erreichen die Umwelt (Ökosphäre) direkt über die Verschmutzung des Wassers durch Badende sowie indirekt über Abwasser aus Haushaltungen und öffentlichen Waschanlagen, da diese Stoffe von Kläranlagen nicht vollständig eliminiert werden.
Die direkte Umweltbelastung mit UV‑Filterchemikalien wurde erstmals für Seen in der Vulkaneifel beschrieben. Inzwischen sind chemische UV-Filter in vielen im Wasser lebenden Tieren wie Fischen, Krebsen, Schnecken und Muscheln nachgewiesen worden. Das bedeutet, dass tierische und menschliche Nahrungsketten auch mit Chemikalien aus Kosmetika belastet sind (neben den im Wasser vorhandenen Resten von Arzneimitteln und weiteren Fremdstoffen).
Außerordentlich empfindlich auf Fremdeinflüsse reagieren Korallen. Ihre
wunderschön farbigen Teppiche, die sie zu einem Touristenmagnet machen,
sind weltweit bis zu 60% am Ausbleichen. Gründe dafür sind neben
erhöhten Temperaturen und exzessiver UV-Einstrahlung auch Einwirkungen
von Chemikalien, insbesondere von chemischen UV-Filtersubstanzen. Diese
können Virus-Erkrankungen bei Korallen begünstigen und die Bleichung
weiter vorantreiben. Daher wird der Gebrauch von Sonnencremes in
Öko-Parkanlagen von Mexiko zunehmend verboten. Neuerdings will auch
Hawaii aus denselben Gründen Verbote für Sonnencremes mit organischen
Chemikalien anstrengen.
Gesundheitsrisiken: Vitamin‑D-Mangel und Hormonwirkungen
Eine weiterer Nachteil der allzu freizügigen Handhabung von Sonnencremes, speziell solchen mit hohem Lichtschutzfaktor, ergibt sich daraus, dass wir damit während der sonnenreichsten Zeit des Jahres die Verfügbarkeit von Vitamin D stark senken, denn Vitamin D wird mithilfe von UV‑B-Strahlen des Sonnenlichts in der Haut synthetisiert.
Hinsichtlich der Wirkung von chemischen UV-Filtern beim Menschen bestehen noch große Datenlücken. Wir greifen hier nur zwei Aspekte auf: Wirkungen auf Spermien und auf die Entwicklung von Föten.
Eine dänische Forschungsgruppe um Niels Skakkebaek und Anders Rehfeld hat entdeckt, dass diverse chemische UV-Filter einen hochspezifischen Calciumkanal von menschlichen Spermien beeinflussen. 13 von insgesamt 29 gesetzlich zugelassenen UV-Filtern bewirkten in sehr niedrigen Konzentrationen eine Öffnung dieses „CatSper“-Calciumkanals, die zu einer starken Aktivierung der Spermien führt. Natürlicherweise wird der Vorgang im Eileiter durch das Hormon Progesteron ausgelöst. Diese Aktivierung der Spermien ist nötig zur Befruchtung der Eizelle. Wenn sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort (z. B. im Nebenhoden des Mannes) anstatt im Eileiter der Frau stattfindet, kann das die Fertilität stören.
Weiterhin gibt es zunehmend Berichte über vorgeburtliche Belastungen mit chemischen UV-Filtern. Verschiedene UV-Filter, z. B. Benzophenon-3, sind im Fruchtwasser und im Nabelschnurblut von Neugeborenen sowie im Blut ihrer Mütter nachgewiesen worden, was zeigt, dass diese Substanzen auch die Plazentaschranke durchbrechen und in den Fötus gelangen können. In dieser frühen Lebensphase steuern natürliche Sexualhormone wichtige Entwicklungsvorgänge. Gewisse UV-Filter sind hormonaktiv. Stoffgemische aus Chemikalien mit hormonartiger Wirkung können die natürlichen Entwicklungsprozesse bei Tieren und Menschen stören. Umso wichtiger sind Analysen von Fremdstoffen in Mutter-Kind-Paaren. Am besten wäre es, solche Expositionen während sensitiver Lebensphasen möglichst zu reduzieren. |
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