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Aus den Ländern
Eine Erfolgsgeschichte: 25 Jahre Fortbildung in Damp
Jubiläumstagung zur Tumortherapie
In seiner Begrüßung warb Ehmen für das Rx-Versandverbot. Allerdings seien zurzeit große Teile der SPD zu einer „Gruppe von Bedenkenträgern“ mutiert, die dem Wettbewerbsgedanken auf den Leim gegangen seien. Dazu fragte Ehmen: „Was hat die Politik in der Vergangenheit falsch gelenkt oder versäumt, dass jetzt ausländische Discounter die vermuteten Lücken füllen sollen?“ Das sei nur sinnvoll, wenn die Arzneimittelversorgung als reine Distribution gesehen werde. Doch die Apotheker hätten als freie Heilberufler eine andere Vorstellung von ihrer Tätigkeit, und die Patienten bräuchten die direkte Ansprache. Doch sieht Ehmen auch die ABDA gefordert, an Honorarsystemen zu arbeiten, die das pharmazeutische Leistungsportfolio abbilden. Eine ausschließliche Bindung der Vergütung an die Arzneimittelpackung werde dabei möglicherweise nicht zielführend sein.
Krebsentstehung und -prävention
Für den Jubiläumskongress hatte der Fortbildungsbeauftragte der Kammer, Prof. Dr. Walter Raasch, Lübeck, die Tumortherapie aus einer pharmazeutischen Perspektive aufbereitet. In den Vorträgen wurden jeweils pharmakotherapeutische Konzepte oder andere grundlegende Behandlungsaspekte vorgestellt. Prof. Dr. Theo Dingermann, Frankfurt/Main, beschrieb die Krebsentstehung und die Tumorbiologie. Demnach entstehen Tumorzellen aus einem Ungleichgewicht zwischen proliferationsfördernden und wachstumshemmenden Faktoren. Für die Umwandlung von Protoonkogenen in tumorauslösende Onkogene reicht dabei eine Veränderung auf einem Chromosom. Dagegen verlieren die tumorhemmenden Tumor-Suppressor-Gene ihre Wirkung erst, wenn die Gene auf beiden Chromosomen geschädigt sind. Doch wenn ein tumorfördernder Signalweg unterbunden wird, werden Tumorzellen mit einem anderen Wachstumsmechanismus selektioniert. Letztlich müsse das Immunsystem gestärkt werden, um verbleibende Tumorzellen zu eliminieren. Weitere Hoffnung sieht Dingermann darin, dass (hypothetisch) bei etwa einem Viertel aller Tumoren Viren oder Bakterien an der Kanzerogenese beteiligt sind. Dies könne Wege zur Impfprävention (s. HPV-Impfung gegen Zervixkarzinom) und zur Antibiotikatherapie eröffnen.
Zur Primärprävention verwies Prof. Dr. Alexander Katalinic, Lübeck, auf den Widerspruch zwischen der Evidenz und dem Verhalten der Menschen. Obwohl die Hälfte aller Tumoren durch Rauchverzicht, gesunde Ernährung und genügend Bewegung vermeidbar sei, habe die Verhaltensprävention wenig Erfolg. Hinsichtlich der Früherkennung kritisierte Katalinic reißerische Darstellungen angeblicher Schäden. Die Kritik beruhe oft auf falschen Erwartungen, denn ein Screening-Ergebnis sei keine Diagnose. Insbesondere bei den etablierten Screenings zu Brust- und Darmkrebs überwiege der Nutzen deutlich. Doch jeder müsse nach der Abwägung von Nutzen und Schaden zu einer informierten Entscheidung kommen, die zu respektieren sei.
Alte und neue Wirkprinzipien
Prof. Dr. Bernd Clement, Kiel, betonte, dass die klassischen Zytostatika weiterhin den zentralen Teil vieler Behandlungsleitlinien bilden. Dazu zählen die karzinogenen Alkylanzien, die durch Strangverknüpfung wirkenden Platin-Derivate, interkalierende Wirkstoffe, die sich in die DNA einschieben, Antimetaboliten, Folsäureantagonisten und Mitosehemmstoffe. Die Kombination mehrerer Konzepte, zunehmend in Verbindung mit neuen zielgerichteten Therapien, erhöht die Wirksamkeit, aber eine stratifizierte Therapie ist mit diesen Arzneistoffen selten. Außerdem berichtete Clement über die eigene Entwicklung eines dualen Inhibitors der Topoisomerase I und II und zeigte damit, dass weiterhin Zytostatika mit klassischen Targets entwickelt werden.
Als „smarte“ Option stellte Dr. Walter Häuser, Lübeck, Therapien vor, die gezielt gegen die Eigenschaften eines Tumors gerichtet sind. Da auch diese Arzneistoffe oft mehrere Ziele angreifen, haben auch sie viele unerwünschte Wirkungen, teilweise sogar mehr als klassische Zytostatika. Sogar die gezielt konzipierten Antikörper haben oft drastische Nebenwirkungen bis zu anaphylaktoiden Reaktionen. Zu den zielgerichteten Therapien zählen hormonell wirksame Stoffe, zytotoxische Wirkstoffe mit eingeschränktem Wirkspektrum und Biological Response Modifiers, die die Immunantwort auf die Tumorzellen beeinflussen. Dazu gehören niedermolekulare Immunmodulatoren wie Thalidomid und Imiquimod, Zytokine, monoklonale Antikörper und Kinaseinhibitoren.
Die neueste Klasse unter den Tumortherapeutika bilden die Checkpoint-Inhibitoren. Viele sehen großes Potenzial darin, aber die Anwendung konzentriert sich bisher auf das maligne Melanom. Die Dermatoonkologin Dr. Katharina Kähler, Kiel, erklärte, dass dieser immuntherapeutische Ansatz auf Tumoren mit einer hohen Mutationsrate zielt – und damit vorzugsweise auf epitheliale Tumoren. Während früher bereits nach einem Jahr zwei Drittel der Patienten mit einem metastasierten Melanom verstarben, sei dies bei der maximalen heutigen Therapie erst nach etwa fünf Jahren so. Zum Einsatz kommen der CTLA-4-Antikörper Ipilimumab und die PD-1-Rezeptor-Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab, neuerdings insbesondere als Kombination beider Ansätze. Als Klasseneffekte treten Fatigue und Autoimmunreaktionen auf, insbesondere Colitis, Hypophysitis, Hepatitis und Hautausschlag. Davon sei die Colitis mit einer möglichen Darmperforation lebensbedrohlich, aber dies sei bei schneller Reaktion beherrschbar. Da die immunvermittelten Nebenwirkungen oft erst nach Wochen oder Monaten auftreten, sollten Apotheker bei solchen Patienten auf Durchfall als Zeichen für eine Colitis achten. Frontale Kopfschmerzen könnten für eine Hypophysitis sprechen.
Beratung über Nebenwirkungen
Apotheker Jörg Riedl, Lübeck, betonte den großen Beratungsbedarf der Patienten – und somit die Beratungsmöglichkeiten der Apotheker – bezüglich der Nebenwirkungen von Tumortherapien. Trotz ähnlicher Wirkprinzipien haben insbesondere die oral angewendeten Kinaseinhibitoren jeweils ganz andere Nebenwirkungsspektren. Als Grundlage für evidenzbasierte Empfehlungen könne die S3-Leitlinie zur supportiven Therapie bei onkologischen Patienten dienen. Riedl mahnte, den Einsatz von Protonenpumpenhemmern kritisch zu hinterfragen, weil die pH-Wert-Anhebung die Bioverfügbarkeit einiger Tumortherapeutika massiv beeinträchtigen könne.
Dr. Marc Heidbreder, Lübeck, warnte vor vielen dubiosen Methoden der Alternativmedizin, die sich typischerweise auf ungenau dargestellte Einzelfallberichte, Verschwörungstheorien oder die Verwechslung mit seriösen Verfahren stützen. Er mahnte, die sogenannte Chemosensitivitätstestung, die Vorhersagen zur Wirkung der Chemotherapie verspreche, dürfe nicht mit Mutationsanalysen verwechselt werden, die für den Einsatz vieler moderner Tumortherapeutika notwendig sind.
Zum Abschluss betrachtete Prof. Dr. Christoph Rehmann-Sutter, Lübeck, ethische Aspekte der Zuwendung am Lebensende. Zuwendung bedeute auch, dem Patienten zuzuhören und ihn zur Geltung kommen zu lassen. Als Ergebnis einer Interviewserie mit Sterbenden leitete Rehmann-Sutter ab, dass Wünsche von Sterbenden nicht nur ein Recht seien, sondern auch eine Aufgabe, die die Betroffenen im inneren und äußeren Dialog lösen müssten.
Umfangreiches Kongressprogramm
Zusätzlich zum wissenschaftlichen Programm wurden in Damp Praxisfortbildungen für PTA und PKA geboten. Als Kontrast zum ernsten Fortbildungsthema feierten die Gäste beim Galaabend am Samstag das Damper Jubiläum und amüsierten sich großartig mit dem Entertainer Bastian Sick, der auf lustige Weise Tücken der deutschen Sprache demonstrierte.
Kammergeschäftsführer Frank Jaschkowski betonte, dass die Abendveranstaltung noch nie so gut besucht war wie in diesem Jahr. |
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