Arzneimittel und Therapie

Geringe Evidenz weiter abgeschwächt

Ein Gastkommentar von Prof. Dr. Timm Bauer und Prof. Dr. Christian Hamm, Gießen

Prof. Dr. Timm Bauer

In der im British Medical Journal veröffentlichten Analyse wurde der Einfluss einer Betablocker-Therapie auf das Gesamtüberleben bei Patienten nach Myokardinfarkt untersucht, die weder eine Funktionseinschränkung der linken Herzkammer (Ejektion Fraktion ≤ 40%) noch klinische Zeichen einer Herzinsuffizienz aufwiesen [1]. Die Autoren konnten zeigen, dass zwar eine frühzeitige Gabe von Betablockern mit einer niedrigeren 30-Tages-Mortalität assoziiert war, aber eine Weiterführung der Therapie über ein Jahr nicht mit einer niedrigeren Fünf-Jahres-Mortalität einherging.

Hierbei handelt es sich um eine sehr wichtige Fragestellung. Seit geraumer Zeit bestehen Zweifel, ob bei Patienten mit moderner Akutbehandlung des Herzinfarkts mittels Kathetertechnik (primäre perkutane Koronarintervention, PCI) und optimierter Sekundärprophylaxe mit Statinen, die keine Herzinsuffizienz entwickeln, eine dauerhafte Betablocker-Therapie notwendig ist. Die widersprüchliche bzw. schwache Evidenz für den Nutzen einer solchen Therapie spiegelt sich auch im Empfehlungs- und Evidenzgrad der Europäischen Leitlinien (IIa B) wider [2], und wird durch die vorliegende Studie weiter infrage gestellt.

Prof. Dr. Christian Hamm

Allerdings weist die aktuelle Untersuchung wichtige Limitationen auf, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen. Wir haben es hier mit einer retrospektiven Analyse eines Registers (French Registry on Acute ST-elevation and non ST-elevation Myocardial Infarction, FAST-MI) und nicht mit einer randomisiert kontrollierten Studie zu tun. Auch wenn aufwendige statistische Adjustierungsverfahren angewendet wurden, können Stör­variablen nie sicher ausgeschlossen werden. Ferner war die Gruppe der Patienten ohne dauerhafte Betablocker-Therapie sehr klein (N = 153). Auch wurde der Effekt einer Betablocker-Therapie nur auf das Gesamtüberleben und nicht auf die kardiovaskuläre Mortalität und andere wichtige Endpunkte untersucht.

Zusammenfassend lassen die Ergebnisse dieser Studie den Nutzen einer langfristigen Betablocker-Therapie bei Postinfarktpatienten ohne Herzinsuffizienz unwahrscheinlich erscheinen. Möglicherweise wird in den kommenden Leitlinien der Empfehlungsgrad weiter abgeschwächt werden. Um aber diese Frage abschließend beurteilen zu können, ist eine randomisiert kontrollierte Studie notwendig. Dessen ungeachtet profitieren Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion nach Myokardinfarkt nachweislich von einer dauerhaften Betablocker-Therapie.

Quellen

[1] Puymirat E, et al. β blockers and mortality after myocardial infarction in patients without heart failure: multicentre prospective cohort study, BMJ 2016;354:i4801

[2] Steg PG, et al. Task Force on the management of ST-segment elevation acute myocardial infarction of the European Society of Cardiology (ESC). ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur Heart J 2012;33:2569-2619

Prof. Dr. Timm Bauer

Prof. Dr. Christian Hamm

Universitätsklinikum Gießen

Medizinische Klinik I


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