Die Seite 3

Die „Spiegelprobe“

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Ob ein bestimmtes Verhalten strafbar ist oder nicht, könne man in den allermeisten Fällen mit dem gesunden Menschenverstand beantworten – und indem man sich selber frage, ob man sich morgens noch im Spiegel ansehen könne, wenn man sich so verhalte. Diesen Ratschlag des Justiziars der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Uwe Kriessler, kann man natürlich auch auf das neue Anti-Korruptionsrecht im Gesundheitswesen anwenden.

Viele Apotheker sind sich trotzdem unsicher, was erlaubt ist und was nicht, wie eine Aktion von DAZ.online und DAZ zeigt. Unsere Leserinnen und Leser konnten ihre Fragen zu den neuen Paragrafen und ihren Konsequenzen stellen, renommierte Experten im Apotheken- wie im Strafrecht haben sie in den letzten Tagen und Wochen auf DAZ.online beantwortet. Die wichtigsten Aspekte und Antworten haben wir für Sie noch mal zusammengefasst (s. „Legal oder korrupt?“ auf S. 22 dieser DAZ).

Wie tief die Verunsicherung ist, kann man daran sehen, dass sich manche Apotheker fragen, ob sie den benachbarten Ärzten dieses Jahr wie gewohnt eine Flasche Wein zu Weihnachten schenken dürfen (keine Angst, so lange die Geschenke „sozialadäquat“, also nicht zu teuer sind, ist das völlig unproblematisch). Auf der anderen Seite zeigen die Fragen auch, wie weit mancher Kollege offenbar zu gehen bereit ist, um Ärzte in der Nachbarschaft zu halten oder gar anzusiedeln.

Dass auffallend niedrige Mieten für eine Arztpraxis in den dem Apotheker gehörenden Räumlichkeiten gleich über der Apotheke zu gewissen Fragen führen, wird wohl niemanden wundern. Und man darf wohl mit Fug und Recht davon ausgehen, dass ein Apotheker, der einen fünf- oder gar sechsstelligen Zuschuss zum Um- oder Ausbau einer Praxis gibt, eine gewisse Gegenleistung des Arztes erwartet.

Insgesamt scheint sich aber zu bewahrheiten, dass die Apotheker durch die Änderungen am Gesetzestext in letzter Minute, die die Vorteilsannahme bei Bezug von Arzneimitteln weitgehend von der Strafbarkeit ausnimmt, von den neuen Regelungen weit weniger betroffen sind, als anfangs gedacht. So sind Rabatte des Großhandels oder der pharmazeutischen Unternehmen wohl in keinem Fall strafbar (anders könnte es jedoch bei kostenlosen Blutzucker- oder anderen Messgeräten aussehen).

Doch eines sollte immer bedacht werden: Auch wenn ein Verhalten vielleicht nach den neuen Paragrafen nicht strafbar ist – wenn Ihnen Ihr gesunder Menschenverstand und/oder ihr Moralempfinden sagen, dass es nicht in Ordnung ist, dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einem anderen Gesetz nicht erlaubt. Oder zumindest unanständig.


Benjamin Wessinger

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