Arzneimittel und Therapie

Leitlinien-Update: Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK)

Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

Die S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der PAVK, an der 23 Fachgesellschaften unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Angiologie beteiligt waren, wurde überarbeitet. Die Grundzüge der PAVK-Therapie bleiben unverändert. Neu sind unter anderem erweiterte Therapieoptionen durch katheterinterventionelle Verfahren.

Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) handelt es sich um eine Durchblutungsstörung der die Extremitäten versorgenden Arterien und seltener der Aorta. Dies kann graduell (durch eine Stenose) oder komplett (Okklusion) sein. Die Hauptursache der chronischen PAVK ist mit etwa 95% die Arteriosklerose. In Deutschland leiden rund 4,5 Millionen Menschen an einer PAVK. Die Prävalenz steigt altersabhängig. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Nach dem Schweregrad der Symptome wird die PAVK in verschiedene Stadien eingeteilt (Klassifikation nach Fontaine, Klassifikation nach Rutherford, siehe Tab.).

Tab.: Klassifikation der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit nach den Fontaine-Stadien und Rutherford-­Kategorien
Fontaine
Rutherford
Stadium
Klinisches Bild
Grad
Kategorie
Klinisches Bild
I
asymptomatisch
0
0
asymptomatisch
II a
Gehstrecke > 200 m
I
1
leichte Claudicatio intermittens
II b
Gehstrecke < 200 m
I
2
mäßige Claudicatio intermittens
I
3
schwere Claudicatio intermittens
III
ischämischer Ruheschmerz
II
4
ischämischer Ruheschmerz
IV
Ulkus, Gangrän
III
5
kleinflächige Nekrose
III
6
großflächige Nekrose

Diagnostik

Bei Patienten mit Verdacht auf PAVK und Risikopatienten soll der Knöchel-Arm-Index (ABI) bestimmt werden. Die sogenannte Dopplerdruckmessung ist eine treffsichere Basisuntersuchung zum Nachweis der PAVK und zur Erfassung des kardiovaskulären Risikos hinsichtlich Morbidität und Mortalität bei PAVK-Patienten. Die farbkodierte Duplexsonografie (FKDS) nimmt eine Schlüsselrolle in der Therapieplanung vor invasiven Maßnahmen ein. Sie ist bezüglich der Stufendiagnostik die Methode der ersten Wahl zur Abklärung der Aorta und ihrer Äste sowie der Becken- und Beinarterien. Sind die Befunde nicht eindeutig, sind zusätzliche bildgebende Verfahren notwendig (z. B. Magnet­resonanzangiografie).

Was ist neu in der Therapie?

In der neuen PAVK-Leitlinie sind einige klare Grenzwerte weggefallen. So ist der bislang gültige Zielwert des Low Density Lipoproteins (LDL) von < 100 mg/dl ersatzlos gestrichen worden. Unabhängig vom LDL-Ausgangswert sind Statine zur Sekundärprophylaxe bei PAVK indiziert. Sie reduzieren Morbidität und Mortalität und verbessern nicht nur die kardiovaskulären Endpunkte, sondern auch die schmerzfreie Gehstrecke. Überdies wurde festgestellt, dass weder Nicotinsäure noch Omega-3-Fettsäuren einen zusätzlichen Effekt zu Statinen bei PAVK haben. Modifiziert wurde auch die Empfehlung zur Blutzuckersenkung (bislang: HbA1c < 7%). Tendenziell ist bei jüngeren Patienten ein HbA1c-Korridor von 6,5 bis 7,5% anzustreben, bei älteren Patienten sind Werte zwischen 7 und 8% tolerabel. Bezüglich des Blutdrucks heißt es lediglich, dass dieser kontrolliert und zur Reduktion der kardiovaskulären Mortalität behandelt werden sollte. In erster Linie werden hierfür ACE-Hemmer und Calcium­antagonisten empfohlen. Zur Sekundärprävention von kardiovaskulären Ereignissen ist ein Thrombozytenfunktionshemmer bei asymptomatischer und symptomatischer PAVK indiziert.

© DAZ

Sowohl Acetylsalicylsäure als auch Clopidogrel reduzieren die kardiovaskuläre Ereignisrate bei Patienten mit symptomatischer PAVK. Ein strukturiertes Gefäßtraining gilt neben dem Risikofaktorenmanagement als primäre Therapieoption und ist auf lange Sicht bezüglich Lebensqualität und Gehleistung mindestens so effektiv wie ein invasives Vorgehen. Als Medikamente zur Verbesserung der Gehstrecke werden Cilostazol bzw. Naftidrofuryl genannt. Diese sollten im Stadium der Claudicatio intermittens (IC) nur dann gezielt eingesetzt werden, wenn die Lebensqualität der Patienten erheblich eingeschränkt ist, die Gehstrecke unter 200 m liegt und ein Gehtraining nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden kann. Prostanoide werden aufgrund der aktuellen Studienlage in den neuen Leitlinien nur noch als Kann-Empfehlung genannt, wenn bei Patienten mit chronisch kritischer Extremitäten­ischämie (CLI) keine Revaskularisa­tion möglich ist. Die katheterbasierte endovaskuläre Revaskularisation ist nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung gegenüber einer gefäßchirurgischen Behandlung zu bevorzugen. Bevor eine Amputation in Betracht gezogen wird, sollten sämtliche Möglichkeiten der Revaskularisation ausgeschöpft werden. Grundsätzlich sollte eine vernünftige interdisziplinäre, stadiengerechte Abwägung zwischen Aufwand, Risiko und Ergebnis der Entscheidung für eine arterielle Rekonstruktion vorausgehen. Bezüglich der Gentherapie ist die Datenlage widersprüchlich. Diese kommt derzeit höchstens als individueller Heilversuch infrage.

Rauchstopp nicht vergessen

Im Allgemeinen wird die Bedeutung der PAVK von Ärzten und Patienten eher unterschätzt. Diagnostische und therapeutische Möglichkeiten werden oft nicht ausgeschöpft. Obgleich Rauchen unbestritten als wichtigster ­Risikofaktor für PAVK gilt, wird häufig die Raucherentwöhnung vernachlässigt. Dabei beeinflusst ein Rauchstopp nachweislich die Progredienz der PAVK. |

Quelle

S3-Leitlinie „Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), Diagnostik, Therapie und Nachsorge“, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Angiologie, Gesellschaft für Gefäßmedizin, 2015, AWMF-Register Nr. 065/003

Apothekerin Damaris Mertens-Keller

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