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Aus den Ländern
Digitalisierung bleibt Zukunftsmusik
Ein harmonischer 14. Sächsischer Apothekertag
Studierende der Universität Leipzig stellten unter der Melodie des Prinzen-Songs „Alles nur geklaut“ die Frage, was mit persönlichen Daten passiert, und eröffneten damit die Debatte um Vor- und Nachteile digitaler Technologien im Gesundheitswesen.
„Und das ist alles in der Cloud“
Das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (E-Health-Gesetz) sieht vor, bis 2018 alle Arztpraxen und Krankenhäuser an ein bundesweites Telematik-Netz anzuschließen, inklusive elektronischer Gesundheitskarte sowie elektronischer Patientenakten und Arztbriefe. Derzeit erfolgt die Kommunikation im deutschen Gesundheitswesen noch in der Hauptsache über Papier, Telefon und Telefax. Im Ausland werden schon weitaus mehr digitale Lösungen genutzt: telemedizinische Diagnose und Therapie, Monitoring per Apple Watch und Wearables, Diabetes-Therapien über Cloud-Computing und Selbstbehandlungsportale mit Online-Coaching. Was steht E-Health in Deutschland im Weg? Prof. Dr. Arno Elmer, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Gesundheit an der Hochschule für Ökonomie und Management Berlin, macht dafür unterschiedliche Interessengruppen und Gesundheitssektoren, eine hohe technische Komplexität, offene Finanzierungsfragen und die hierzulande strengen Anforderungen an Datenschutz und -sicherheit verantwortlich. Letztere sind nach Meinung des Referenten allerdings längst zu bewältigen und sollten dem Fortschritt nicht mehr im Wege stehen.
Maria Michalk, Gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, brachte es in der anschließenden Podiumsdiskussion auf den Punkt: Der Prozess der Digitalisierung ist weltweit nicht mehr aufzuhalten. „Wir müssen diesen Prozess mitgestalten, sonst gestaltet er uns.“
Menschlichkeit spielt erste Geige
Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und der Sächsischen Landesapothekerkammer, betonte das besondere Prinzip des Gesundheitswesens: Korrelationsdaten aus Big Data allein sind nicht hilfreich, vielmehr erfordert die Betreuung eines Patienten Individualität und eine persönliche Verantwortung von Arzt und Apotheker, um Einzellösungen zu finden. Ansonsten könne die Maschine arbeiten und eine Therapie auf Grundlage von Massendaten durchführen, so Schmidt. Datenauswertungen können die Arbeit im Gesundheitswesen allenfalls genauer machen.
Auftakt des pharmazeutischen Programms
Die Behandlung geriatrischer Patienten stellt eine Herausforderung dar und erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe.
Der Schmerz spielt mit einer Prävalenz von 50 bis 75 Prozent eine große Rolle im Alter. Dass die Behandlung jedoch oft unzureichend ist, lässt sich nach Meinung von Prof. Dr. Georg Kojda, Universitätsklinikum Düsseldorf, teilweise auf mangelhafte Kommunikation und Ängste zurückführen. Nach dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll mit Analgetika nicht nach Bedarf, sondern nach einem festen Schema behandelt werden. Probleme bereiten häufig die korrekte Verordnung von Arzneimitteln hinsichtlich Schmerzstärke und -art und die Erkennung von Nebenwirkungen, insbesondere bei multimorbiden Patienten. Einige nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Indometacin und Etoricoxib sowie das Opioid-Analgetikum Pethidin stehen auf der Priscus-Liste, einer Aufstellung potenziell inadäquater Medikationen für ältere Menschen. Therapiealternativen sind Paracetamol, Ibuprofen, Tramadol und Tilidin/Naloxon.
Therapiesicherheit im Duett
Multimorbidität im Alter geht in der Regel mit Multimedikation einher. Sie betrifft die Hälfte aller über 65-Jährigen. Apotheker Rico Prasser, Dippoldiswalde, berichtete von der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN). Im Medikationsmanagement nach ARMIN erfassen Apotheker die Gesamtmedikation im Rahmen einer „Brown-Bag-Analyse“, der Arzt priorisiert die Arzneimittel gemäß Leitlinien und führt eine medizinische AMTS-Prüfung durch. In der Apotheke wird weiterhin auf arzneimittelbezogene Probleme geprüft und der Medikationsplan bei OTC-Gebrauch gepflegt. Mit einer flächendeckenden Umsetzung des Medikationsmanagements rechnen die Projektpartner noch in diesem Jahr.
O-Ton: Viel Flüssigkeit!
Ein Medikationsplan enthält auch Hinweise zur Einnahme. Prof. Dr. Werner Weitschies, Universität Greifswald, kritisierte in diesem Zusammenhang die unpräzise Angabe „Mit ausreichend Flüssigkeit“. Der Schluckvorgang wird als Quelle von Medikationsproblemen oft übersehen. Untersuchungen belegen eine längere Verweilzeit von festen Peroralia in Speiseröhre und Magen, je weniger Flüssigkeit aufgenommen wurde. Bei einem typischen Schluckvolumen von 5 ml ohne zusätzliche Wasseraufnahme bleibt eine Tablette in über 90 Prozent der Fälle im Ösophagus hängen. Feste Darreichungsformen sind aus biopharmazeutischer Sicht nicht das Optimum, selbst mit ausreichender Flüssigkeit, stellte Prof. Weitschies klar. Die Einnahme muss grundsätzlich in aufrechter Position und mit möglichst viel Wasser (mind. 100 ml, besser 200 ml) erfolgen. Auch Schmelztabletten, die bei Kontakt mit Speichel schnell zerfallen, sollten nicht ohne Wasser eingenommen werden.
Ebenso kann die Nahrungsaufnahme die Bioverfügbarkeit eines Arzneistoffs maßgeblich beeinflussen. Bei einem positiven „Food-Effekt“ wird die Resorption durch eine verbesserte Löslichkeit gesteigert (z. B. Prednisolon, Metronidazol). Bei einem negativen „Food-Effekt“ sinkt die Bioverfügbarkeit durch Interaktion mit Nahrungsbestandteilen (z. B. L-Thyroxin, Omeprazol). Da es große interindividuelle Unterschiede gibt und die Einnahmehinweise in Gebrauchs- und Fachinformationen oft nicht eindeutig sind, rät Prof. Weitschies, Arzneimittel immer unter gleichen Bedingungen einzunehmen, um auf diese Weise eine Konstanz in der Wirkung zu erzielen. |
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