Prisma

Betazellen aus der Retorte

Perspektive für somatische Zelltherapie bei Typ-1-Diabetes

cae | Wenn die Insulin-produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstört sind, könnte in ferner Zukunft die Transplantation von Beta-ähnlichen Zellen eine ­Therapieoption für Patienten mit Typ-1-Diabetes sein.

Schon 2014 hatten Forscher in San Francisco Fibroblasten aus der Haut von Diabetes-Mäusen zu induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) reprogrammiert und u. a. mithilfe verschiedener kleiner Wirkstoffmoleküle in Endoderm-ähnliche Zellen ver­wandelt. Aus dem Endoderm (inneres Keimblatt des Embryos) entstehen mehrere endokrine Organe wie die Schilddrüse, die Leber und auch die Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Indem sie diesen natürlichen Prozess nachahmten, hatten die Forscher schließlich Beta-ähnliche Zellen gewonnen, die wie die Betazellen des Pankreas Insulin synthetisierten. Darauf transplantierten sie diese Zellen denselben Mäusen, denen sie die Fibroblasten entnommen hatten, und schon innerhalb der folgenden Woche normalisierte sich der erhöhte Blutglucosespiegel der Tiere – ein Beweis, dass die transplantierten Zellen „funktionierten“ [1].

Foto: photophonie – Fotolia.com

Die Forscher der ETH Zürich verwendeten für ihre Experimente Zellen vom Bauchfett eines Mannes.

Eine Arbeitsgruppe der ETH Zürich um Martin Fussenegger hat nun einen innovativen Weg zur Gewinnung von Beta-ähnlichen Zellen beschritten, indem sie eine Art „genetische Software“ zur Differenzierung von iPS-Zellen ­entwickelte. Sie transferierte die Gene mithilfe von Plasmiden in iPS-Zellen, die sie zuvor durch die Reprogrammierung menschlicher Fettzellen gewonnen hatte. Die manipulierten Zellen exprimieren den G‑Protein-gekoppelten Rezeptor MOR9-1, der extrazelluläre Vanillinsäure bindet und in Abhängigkeit von deren Konzentration verschiedene Signalkaskaden im Zellkern triggert. Dabei spielen der Transkriptionsfaktor VanA1 und der Vanillinsäure-­responsive Promotor P3VanO2 eine wesentliche Rolle.

Die drei wesentlichen Transkriptionsfaktoren, die die Zelldifferenzierung steuern, heißen Pdx1 (pancreatic and duodenal homeobox 1), Ngn3 (neuro­genin 3) und MafA (V-maf musculo­aponeurotic fibrosarcoma oncogene ­homologue A). Ihre Gene konnten die Forscher relativ einfach mit Vanillinsäure anschalten und (im Fall von Pdx1 und Ngn3) auch wieder ausschalten, um in vitro den natürlichen Prozess exakt zu imitieren [2]. Am Anfang des Differenzierungs­prozesses ist nur Pdx1 aktiv. Wenn es eine bestimmte Konzentration erreicht hat, beginnt ein elftägiges Wechselspiel mit Ngn3 und MafA, dessen Resultat Beta-ähnliche Zellen sind (s. Grafik). Bei etwa 75 Prozent der manipulierten Zellen führte dieses Verfahren zum Erfolg (in vitro): Die Beta-ähnlichen Zellen synthetisierten, wenn sie gegenüber Glucose exponiert waren, Insulin, allerdings in geringerer Menge als echte Betazellen.

Differenzierung einer induzierten pluripotenten Stammzelle (iPS-Zelle) zur Beta-­ähnlichen Zelle mithilfe der drei Transkriptionsfaktoren Pdx1, Ngn3 und MafA. Am Tag 0 beginnt das Wechselspiel der Transkriptionsfaktoren, das mithilfe einer in die Zelle eingebauten „genetischen Software“ durch Vanillinsäure gesteuert wird.

Medizinrechtlich wären Beta-ähnliche Zellen als somatische Zelltherapeutika einzustufen, wenn sie in ferner Zukunft zur Anwendung kommen sollten. Chancen auf eine Arzneimittelzulassung haben sie nur, wenn gewährleistet ist, dass sie nicht zu Tumorzellen entarten. Zudem müssen sie mit einem Schutz gegen das Immunsystem des jeweiligen Patienten versehen werden, damit sie nicht genauso vernichtet werden wie einst dessen Betazellen. |

Quellen

[1] Li K, et al. Small Molecules Facilitate the Reprogramming of Mouse Fibroblasts into Pancreatic Lineages. Cell Stem Cell 2014;14:228-236

[2] Saxena P, et al. A programmable synthetic lineage-control network that differentiates human IPSCs into glucose-sensitive insulin-secreting beta-like cells. Nature Commun; Epub 11.4.2016

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