Gesundheitspolitik

Nicht alles kostenlos machen!

Fritz Becker hat Hoffnungen beim elektronischen Medikationsplan

MERAN (diz) | Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands (DAV), ist sich „absolut sicher“, dass der Apotheker spätestens beim elektronischen Medikationsplan eine tragende Rolle spielen wird. Auch Mathias Arnold, Vizepräsident der ABDA, und Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), zeigten sich vergangene Woche in der berufspolitischen Veranstaltung im Rahmen des Pharmacon in Meran zuversichtlich: „Es geht nicht ohne Apotheker.“

Aber: „Wenn wir alles kostenlos machen, wenn wir jetzt schon kostenlos perfekte Lösungen anbieten, haben wir verspielt“, ist Becker überzeugt. Die Apotheker müssten zwar ihre Pflicht erfüllen, wenn Kunden ab Oktober ihren ärztlichen Medikationsplan auf Papier zur Überprüfung vorlegten, aber sie sollten nicht jetzt schon alles auf höchstem Niveau anbieten. Der DAV-Vorsitzende zeigte sich zuversichtlich, er habe die Hoffnung, dass sich das Blatt ab 2018 wende: „Die Zeit arbeitet für uns.“

Man habe bereits Politiker und Ärzteverbände überzeugen können, dass Apotheker beim Medikationsplan notwendig seien: „Selbst Krankenkassen sehen mittlerweile ein, dass wir wichtig sind.“ Die Apotheker müssten die Möglichkeit bekommen, als erste aufzuschlagen, wenn es um die Ausstellung des Plans gehe.

Foto: DAZ/diz

Mit der Einigung im Retax-Streit zeigte sich Fritz Becker (li.), Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), zufrieden. Weitere aktuelle Themen der Berufspolitik beleuchteten mit ihm Andreas Kiefer, BAK-Präsident (Mitte), und Mathias Arnold, ABDA-Vize, im Rahmen einer berufspolitischen Informationsveranstaltung auf dem Pharmacon in Meran.

E-Health – Apotheker sind gefragt

ABDA-Vize Arnold wies darauf hin, dass E-Health weit mehr sei als der Medikationsplan: „E-Health ist der Anschub zur digitalen Vernetzung.“ Über das Netzwerk laufe dann auch das E-Rezept, dafür brauche man politische Rahmenbedingungen. „Die daraus entstehenden Veränderungen werden uns alle betreffen. Das E-Rezept führt zwar zu einem Bürokratie­abbau, formfehlerbehaftete Verordnungen wird es dann nicht mehr geben. Aber“, so Arnold, „wir müssen dann beweisen, dass wir notwendig sind!“ Wissen abspeichern oder einen PC bedienen, das reiche nicht, „das ist nicht unsere Leistung“. Der Apotheker müsse als Vermittler dieses Wissens an den Patienten auftreten, „das ist unsere Aufgabe, die Patientenansprache, die Empathie“. In der digitalen Welt brauchen Menschen mehr denn je Menschen, denen sie vertrauen können, ist der ABDA-Vize überzeugt. In Portugal böten Apotheken ihren Patienten bereits Apps (z. B. Schrittzähler u. ä.) zur Unterstützung der Genesung an.

Nachwuchs begeistern

Der Erklärungsbedarf für die Patienten in der Apotheke werde zunehmen, davon ist auch Andreas Kiefer überzeugt, und damit dürfte der Personalbedarf in den Apo­theken steigen. Apotheker sollten sich dafür einsetzen, fügte Arnold hinzu, die Arbeit in der Apotheke nach außen positiv darzustellen, um Nachwuchs zu werben. „Geben Sie den Jugendlichen die Chance, die Arbeit in der Apotheke zu er­leben“, rief er den Teilnehmern zu. Leider sei eine ABDA-Plakataktion, die Schüler und Jugendliche auffordere, die Apotheke kennenzulernen, bei Apotheken auf nur geringes Interesse gestoßen.

Keine AMNOG-Polizei

Den unlängst diskutierten Vorschlägen eines Kassenvertreters, den Apotheker als „AMNOG-Polizist“ einzusetzen, der die Kasse informieren solle, wenn ein Arzt ein Präparat nicht indikationsgerecht einsetze, erteilte Kiefer eine Absage. Da sei es besser, wenn Apotheker und Arzt im Rahmen der Medikationsbegleitung miteinander redeten, denn: „Die ärztliche Therapiefreiheit ist sehr hoch!“ Auch Arnold ist davon überzeugt, dass diese Fragen dann innerhalb des heilberuflichen Netzwerks geklärt werden sollten in enger Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker.

Retaxeinigung – jetzt folgt der Feinschliff

„Ganz klar, ich bin zufrieden“, antwortete Becker auf die Frage, wie er die Einigung mit dem GKV-Spitzenverband vor der Schiedsstelle im Retaxstreit bewertet. „Der gordische Knoten ist jetzt durchschlagen, wir haben eine klare Lösung, der beide Seiten zugestimmt haben.“ Allerdings müsse jetzt noch der Feinschliff folgen.

Wenn er auf die Verhandlungsrunden mit dem GKV-Spitzenverband vor der Schiedsstelle zurückblicke – „das war jetzt die vierte Runde, jede Runde ging über sieben Stunden“ – freue er sich, wenn jetzt endlich eine klare Lösung vorliege, der beiden Seiten zugestimmt haben, resümierte Becker. Was wäre passiert, wenn es nicht zu einer Mehrheitsentscheidung gekommen wäre, wenn nicht alle zugestimmt hätten? „Klar, der Verlierer hätte geklagt“, vermutet Becker, „dann wären wir vor den Sozialgerichten gelandet, bis zum Bundessozialgericht. Und bekanntlich hat dieses Gericht schon einmal gesagt, dass Nullretaxationen in Ordnung sind“.

Mit dieser Einigung sei man an einen Punkt gekommen, wo man Rechtssicherheit habe, „daran kann man sich nun entlanghangeln“, zeigte sich Becker überzeugt. Jetzt sei er dazu bereit, mit der einen oder anderen Krankenkasse noch den Feinschliff dieser Einigung hinzubekommen. Natürlich sei es klar, dass man bei einer fehlenden Arztunterschrift ein Rezept nicht beliefern dürfe, „das werden alle Gerichte so sehen“.

Wie geht es weiter?

Der Verbandschef machte deutlich, dass jetzt die juristischen Formulierungen des Vertrags umgehend in verständliche Regelungen für die Praxis umgesetzt werden müssten, „eine große Aufgabe“. Auch viele Retaxationen, die derzeit noch auf Eis lägen, weil man die Ergebnisse der Schiedsstellenverhandlungen abwarten wollte, würden unter dem neuen Licht betrachtet und „wir werden dafür Lösungen finden – das ist die Aufgabe der Landesorganisationen in den nächsten Tagen und Wochen“.

Genauso muss der GKV-Spitzenverband – und daran ließ Becker keinen Zweifel – die erzielte Einigung herunterbrechen auf die einzelnen Krankenkassen, damit diese dann ihre Retaxzentren anweisen, gemäß der Einigung zu verfahren.

Mehr miteinander reden

Ist mit der aktuellen Einigung zwischen Apothekerverband und Krankenkassenspitzenverband schon ein neuer Frühling ausgebrochen? „Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling“, konterte Mathias Arnold, Vizepräsident der ABDA. Aber die Einigung zeige, so seine Meinung, dass die in den letzten Jahren beobachtete starke Ökonomisierung in unserer Gesellschaft nicht zum Ziel führe, auch nicht das sektorale Denken. Die Einigung zeige, so Arnold, dass es besser sei, miteinander zu reden.

Auch die Patienten, die immer mehr Daten über sich selbst sammeln, werden selbstbewusster, begegnen dem Arzt auf Augenhöhe und haben andere Ansprüche. Das sind die neuen Herausforderungen für die Krankenkassen und die Leistungserbringer, „Herausforderungen“, so Arnold, „die man nur bewältigt, wenn man miteinander redet.“ |

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