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Eine echte Hilfe?

Ein Kommentar von Julia Borsch

Julia Borsch, Redakteurin der DAZ

Sie ist da! Die langersehnte Handlungsempfehlung der Bundesapothekerkammer zur rezeptfreien Abgabe von Notfallkontrazeptiva. Mit einem Umfang von zehn Seiten plus zweiseitiger Beratungscheckliste gibt sie teilweise sehr detaillierte Hinweise, an anderen Stellen hingegen bleibt sie recht unkonkret und lässt für die Abgabe relevante Fragen offen.

Was die Grenzen der Selbstmedikation betrifft, sind die Handlungsempfehlungen sehr ausführlich. ­Detailliert wird geschildert, welche Punkte abzufragen sind und in welchen Fällen ein Arztbesuch anzuraten ist. Ergänzt wird das ganze durch eine zweiseitige Checkliste, gegen die eine Vernehmung beim ­Ermittlungsrichter nichts ist, wie Dr. Reinhard Herzog treffend auf DAZ.online kommentiert. Auch bei der Altersfrage legt sich die BAK fest: „Die Abgabe an Mädchen unter 14 Jahren ohne Einverständnis eines Erziehungsberechtigten wird nicht empfohlen, Minderjährigen sollte immer ein (ggf. anschließender) Arztbesuch empfohlen werden.“ Damit wird die BAK dem Wunsch einiger Apotheker nach einer konkreten Empfehlung, der in der Diskussion vorab immer wieder zu vernehmen war, wohl gerecht. Ob es das tatsächlich braucht oder ob man an dieser Stelle nicht von einem Apotheker das notwendige Fingerspitzengefühl erwarten könnte, sei mal dahingestellt.

An anderer Stelle wird es dann weniger konkret. Ulipristalacetat wirke unabhängig vom Körpergewicht oder dem Body-Mass-Index, heißt es. Und bei Levonorgestrel ist das nicht der Fall? Diese Frage, die für die Beratung nicht unerheblich ist, bleibt unbeantwortet, denn bei Levonorgestrel wird die Gewichtsthematik völlig ausgeklammert. Vielleicht wäre an dieser Stelle die Empfehlung der EMA durchaus erwähnenswert gewesen, laut der auch Levonorgestrel unabhängig vom Gewicht für alle Frauen als geeignet erachtet wird. Ohnehin vermisst man Entscheidungshilfen, Hinweise oder Szenarien, wann das eine oder das andere Präparat zu bevorzugen ist oder beide gleich gut geeignet sind. Da sowohl Levonorgestrel als auch Ulipristalacetat rezeptfrei erhältlich sein werden, ist gerade das eine Frage, die vermutlich den einen oder anderen beschäftigt. Abgesehen von der zulassungsgemäßen Empfehlung, dass Ulipristal abzugeben ist, wenn der ungeschützte Geschlechtsverkehr mehr als 72 Std., aber nicht länger als 120 h zurückliegt, hält man sich diesbezüglich aber zurück.

Die „Pille danach“ ohne Rezept kommt, die BAK hat ihre „Handlungsempfehlungen“ geliefert. Um sich lehrbuchmäßig im stillen Kämmerlein umfassend in die Materie einzuarbeiten, sind sie wohl durchaus informativ und hilfreich. Was sie in der Praxis nützen wird sich zeigen. Denn echte Handlungsempfehlungen bietet das Papier nur bei der Frage, ob man der Patientin den Gang zum Arzt empfehlen soll oder nicht. Die sollte man als Apotheker bei der „Pille danach“ aber wie bei jedem anderen OTC ohnehin beantworten können – auch ohne zwölf Seiten Papier.

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