Fotos: DAZ/A. Schelbert

Schmidt: „Wir fordern mehr politische Unterstützung!“

Lagebericht des ABDA-Präsidenten

diz | Mit deutlichen Worten forderte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in seinem Lagebericht auf dem Apothekertag mehr Unterstützung für die Leistungen der Apotheker. Auch in Zukunft seien die Apotheker bereit, ihre Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft zu erfüllen. Aber es fehle, so Schmidt, „das klare Bekenntnis der Politik zu einer leistungsgerechten, planbaren und sich weiterentwickelnden ökonomischen Basis für die freiberufliche Apotheke“. Die Politik müsse sich die Frage gefallen lassen, ob sie unser System der Arzneimittelversorgung in der Verantwortung der Apothekerinnen und Apotheker nicht nur erhalten, sondern auch weiterentwickeln wolle. Wenn ja, dann müssten die Gesundheitspolitiker handeln. Die Delegierten dankten Schmidt für seine Rede mit standing ovations. 

Der 3. Oktober 1990 gehört für Friedemann Schmidt „zu den zehn wichtigsten Tagen meines Lebens; welches die anderen neun sein mögen, überlasse ich Ihrer Fantasie“. Einer Vielzahl von glücklichen Umständen und dem entschlossenen Handeln vieler Personen sei es zu verdanken, dass es zum 3. Oktober 1990 kommen konnte. Aber: „Die Deutsche Einheit ist in ­allererster Linie ein Triumph von ­Freiheit und Selbstbestimmung über Repression und Gleichmacherei“, hob Schmidt hervor.

Er verband das Gedenken an den Tag der Einheit mit der aktuellen Flüchtlingskrise: Auch die Millionen von Menschen, die heute aus ihren Ländern fliehen, sind auf der Suche nach politischer Freiheit. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, „dass wir Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland alles in unserer Macht Stehende tun, um die Menschen, die zu uns kommen, zu unterstützen. Wir müssen hier helfen, weil wir Heilberufler sind“. Es gehe dabei in erster Linie um die medizinische und pharmazeutische Versorgung, bei dem sich das flächendeckende Apothekensystem bewähre. Es gehe aber auch um die Hilfe der Apotheker bei der notwendigen schnellen Integration. Schmidt: „Diese Menschen können ein Geschenk für unser Land sein.“ So könnten die Apotheken schnell und unbürokratisch Praktikums- und Ausbildungsplätze für ausländische Kolleginnen und Kollegen bereitstellen. „Es ist die Pflicht als Heilberufler, den Menschen zu helfen, die sich uns anvertrauen, egal, woher sie kommen und aus welchem Grund sie hier in Deutschland sind.“

Fotos: DAZ/A. Schelbert

Seine kämpferische Rede wurde von den Delegierten begeistert aufgenommen: ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bei seinem Lagebericht.

Freiberuflichkeit als Bekenntnis zur Freiheit

Schmidt erinnerte daran, wie er die Wendezeit erlebte, als er seine Apotheke übernahm (siehe hierzu auch das Gespräch mit ihm in der DAZ Nr. 40, S. 64: „Eine Erfolgsgeschichte“). Er sei froh, dass sich die Apothekerinnen und Apotheker damals zur Freiberuflichkeit bekannten. Deutlich rief Schmidt nach mehr politischer Unterstützung. „Wenn die Politik an einem einmal gewählten System festhält, muss sie es aktiv unterstützen, weiterentwickeln, stärken, gegen Angriffe von außen verteidigen, dafür werben, es nach Möglichkeit exportieren und sich national, europäisch und inter­national dafür einsetzen“, forderte Schmidt. Aber: „Freiberuflichkeit ist keine Floskel, nicht nur ein schönes Bekenntnis zur Freiheit, Eigenverantwortung und Subsidiarität“, so Schmidt. Freiberuflichkeit sei auch ein Organisationsprinzip, nach dem rund fünf Millionen als Freiberufler tätige Menschen in Deutschland, unter ihnen auch 50.000 Apothekerinnen und Apotheker und über 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihr Leben eingerichtet haben.

Freiberuflichkeit ist allerdings keine Einbahnstraße, konstatierte Schmidt. Während der Staat den Freiberuflern eigene Aufgaben überträgt, die dafür notwendigen Rechtssetzungskompetenzen und die erforderliche professionelle Autonomie, beschränken sich die Freiberufler selbst in der Ausübung ihrer Berufsfreiheit und verpflichten sich zur Erbringung von Gemeinwohlpflichten ohne Rücksicht auf eigene wirtschaftliche Interessen.

Bald nur noch Dienst nach Vorschrift?

Die Apotheker seien in Vorleistung gegangen und hätten der Politik und Gesellschaft ein Angebot gemacht, was Apotheker zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen beitragen könnten, wie sie die Gesundheitsvorsorge verbessern und die Arzneimittelversorgung weiterentwickeln können. Die Politik begrüße diese Vorschläge, aber habe sie nicht umgesetzt, z. B. im Präventionsgesetz. „Und im ­E-Health-Gesetz drohen sie erneut verspielt zu werden“, fügte Schmidt hinzu. Eine bedenkliche Haltung der Gesundheitspolitik. Manche fragten sich schon, ob die Gesundheitspolitik die Apotheker überhaupt noch ernst nimmt. Es reicht eben nicht, nur die ­Finanzierung innovativer Arzneimittel sicherzustellen, man muss auch den Therapieweg aktiv begleiten, zeigte sich Schmidt überzeugt. Die Apotheker haben hier ihre Hausaufgaben gemacht. Jetzt erwarten die Apotheker „wirksame politische Schritte in ­unsere Richtung“.

„Heilberufler sind keine Servicetechniker, weil Menschen keine Autos sind“, drückte es Schmidt plastisch aus: „Menschen müssen den Eindruck bekommen, mit ihren großen, aber auch mit ihren kleinen Sorgen ernst genommen zu werden.“ Das sei eine gewaltige Aufgabe für alle Heilberufe, eine Aufgabe, die zunehmend schwerer werde und zur „mission impossible“ werden könnte – „als Folge politischen Handelns bzw. politischen Unterlassens“.

Die Politik habe allerdings die Machtposition der Gesetzlichen Krankenkassen so gestärkt, dass heute ein fairer Interessensausgleich zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern praktisch unmöglich ist, stellte der ­ABDA-Präsident fest. Er beklagte, dass heute statt Verhandlungsergebnissen meist Schiedsstellenentscheidungen die Regel sind: „Wenn diese Entwicklung sich so fortsetzt, verliert die Selbstverwaltung der Heilberufe ihren Sinn, geht die Akzeptanz für die mit dem freiberuflichen Modell verbundenen Selbstbeschränkungen unter den betroffenen Heilberuflern verloren.“ Schmidt wurde noch deutlicher: „Freiberuflichkeit setzt berufliche Freiheit innerhalb bestimmter Grenzen voraus. Werden diese Grenzen durch die Engstirnigkeit der Controller in den gesetzlichen Krankenkassen immer enger gezogen, sind wir unsererseits auch nicht mehr bereit, unseren Versorgungsauftrag in der bislang gewohnten Großzügigkeit zu interpretieren, irgendwann gibt es dann auch in deutschen Apotheken so eine Art Dienst nach Vorschrift, auch wenn wir uns das selbst eigentlich überhaupt nicht vorstellen wollen.“ Die Gesundheitspolitiker sollten diese Entwicklungen schleunigst korrigieren, wenn sie das freiberuflich organisierte Gesundheitswesen erhalten wollten. Die Kassen setzten mittlerweile auf ein System der bürokratischen Gängelung und permanenten Überwachung. Das Vertrauen auf das gemeinsame Ziel der bestmöglichen Versorgung der Patientinnen und Patienten gehe dabei verloren. Um das Vertrauen der Menschen zu erhalten, brauche es Nähe, Zuwendung, Empathie und Verantwortungsgefühl – dies sei unbezahlbar, die Apotheker böten dies Tag für Tag.


Der Preis der Arbeit

Aber Arbeit und Leistung haben auch ihren Preis, konkretisierte Schmidt seine Forderung. Seit über zehn Jahren verhandelten die Apotheker mit der Gesundheitspolitik über den Preis der Arbeit. Allerdings fehlt schon ein Mindestmaß an Übereinstimmung bei der Leistungsbewertung, wie Schmidt herausstellte. Der ABDA-Präsident wörtlich: „Wir sind aufgrund der unmöglichen Formulierung im § 78 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln in die Rolle des Bittstellers verwiesen, der auf eine günstige Gelegenheit warten und dann in einem völlig ungeregelten Prozess und ohne jeden verbindlichen Rechtsanspruch bei der Politik vorsprechen muss mit der Bitte, sich doch einmal mit dem Thema einer gerechten Honorierung der Arbeit von zehntausenden Apothekerinnen und Apothekern und ihrer Mitarbeiter zu beschäftigen.“ Eine unakzeptable Situation, mit falscher Steuerungswirkung und: Es fehlt an einem Mindestmaß von Planungssicherheit für den Berufsstand, stellte er fest. Ohne Planungssicherheit könne der Apotheker nicht in seine Apotheke investieren, und infolgedessen könne die Leistungsfähigkeit des Berufsstandes nur unzureichend genutzt werden.

Schmidt blickte auf die Geschichte der Honorarverhandlungen seit dem Jahr 2004 zurück, „im Grund keine ökonomische, wie sie es eigentlich sein sollte, sie ist eine politische Geschichte“. Die Gesundheitspolitik habe zu keinem Zeitpunkt zu der mit den Apothekern gemeinsam 2003 getroffenen ­Entscheidung gestanden, die apothekerliche Vergütung mit dem neuen System des preisunabhängigen Fix­zuschlags leistungsgerechter und planbarer zu machen. Immer wieder erfolgten Eingriffe. Natürlich haben die Apotheker auch einiges erreicht, resümierte Schmidt, und die wirtschaftliche Situation stabilisieren können, aber: „Wir können doch nicht zulassen, dass das erreichte Niveau jetzt für weitere zehn Jahre eingefroren und die Apothekerinnen und Apotheker damit von einer insgesamt positiven wirtschaft­lichen Entwicklung unseres Landes abgekoppelt werden.“

Worum es bei der Honorar­findung geht

Schmidt fragte, worum es bei der ­Honorarfindung eigentlich gehe, um einen angemessenen Preis für eine ­definierte Leistung oder um ein sozialverträgliches Apothekereinkommen? Etwa ein Durchschnittseinkommen? Wer sollte das definieren? Er meinte, das klinge nach Sozialismus. Denn auch Apotheken, die nicht das Durchschnittseinkommen erreichen, sind unverzichtbar für die Versorgung in der Fläche. Es sei jetzt Aufgabe der Apotheker, die Indikatoren für eine gute Versorgung zu definieren und mit den Erwartungen der Gesellschaft abzugleichen.

Zur Honorarfrage wurde der ABDA-Präsident noch konkreter. Es gehe hier letztlich um die Frage, welchen Preis eine Arbeitseinheit des Apothekers habe. Schmidt wörtlich: „Unsere Arbeitseinheit ist die Abgabe einer Arzneimittelpackung – darauf und auf den Ausgangspreis für diese Einheit haben wir uns 2004 mit der Politik verständigt.“ Es sei eine richtige Entscheidung gewesen, auch heute noch, „wenn auch der Preis für unsere Arbeitseinheit ebenso regelmäßig überprüft und angepasst wird ...“, so Schmidt. Und er konkretisierte seine Forderung: Es gehe dabei nicht um die Zahl der Arbeitseinheiten also um mehr Geld für mehr Arbeit, was in einer freien Gesellschaft ohnehin selbstverständlich sein sollte. „Es geht um eine angemessene Vergütung der einzelnen Arbeitseinheit“, präzisierte es Schmidt. Aber seit Jahren werden berechtigte Forderungen nach angemessener Beteiligung politisch motiviert blockiert. „Wir wollen auch dabei sein, wenn es in Deutschland bergauf geht“, fügte Schmidt unter großem Beifall des ­Auditoriums hinzu.

In Deutschland liege der Versorgungsgrad mit Apotheken schon unter dem EU-Durchschnitt, es gebe zu wenige Apothekerinnen und Apotheker, zu wenige Studienplätze und massive Probleme bei den Assistenzberufen, stellte der ABDA-Präsident abschließend fest. Seine Erwartungen an die Politik: Sie sollte sich für ein Kräftegleichgewicht zwischen Leistungserbringern und Kassen einsetzen, das Angebot der Apotheker, mehr Verantwortung im System übernehmen zu wollen, unterstützen und sich zu einer leistungsgerechten Basis für die freiberufliche Apotheke bekennen. Wenn die Gesundheitspolitiker das System der ­Arzneimittelversorgung weiterentwickeln wollen, „müssen sie handeln. Wir haben einen Anspruch darauf und die Patientinnen und Patienten haben ihn auch“, so Schmidt. |

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