INTERPHARM 2015 – Infektiologie

Hauptsache evidenzbasiert

Selbstmedikation bei Infektionen der oberen Atemwege

pj | Groß ist die Zahl der Patienten, die bei Infektionen der oberen Atemwege Rat in der Apotheke suchen, aber klein die Zahl evidenzbasierter Therapieoptionen. Wie die Patienten sinnvoll beraten werden können, erläuterte Dr. Monika Neubeck, Kaiserslautern.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Monika Neubeck

Obwohl Infektionen der oberen Atemwege zu den wichtigsten Bereichen der Selbstmedikation gehören, liegen nur wenige evidenzbasierte Therapieempfehlungen vor. Dies ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass viele der eingesetzten Wirkstoffe schon lange eingesetzt werden und neue Studien, die auf aktuellen Bewertungskriterien basieren, fehlen. Diese fehlenden Studiendaten dürfen nicht mit der Unwirksamkeit einer Therapie gleichgesetzt werden, vice versa dürfen positive Erfahrungen nicht mit dem evidenzbasierten Nachweis einer Wirksamkeit verwechselt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass für bereits zugelassene Mittel neue Studien durchgeführt werden, ist eher gering, da diese sehr viele Probanden einschließen müssten, um mögliche Unterschiede zwischen einzelnen Behandlungsarten aufzeigen zu können. So bleiben zur Beurteilung eines therapeutischen Vorgehens aktuelle Leitlinien, Datenbanken oder Veröffentlichungen hochwertiger Fachzeitschriften; Fortbildungen oder Publikationen von Firmen sollten nach Meinung von Neubeck kritisch betrachtet werden. Unter Berücksichtigung wissenschaftlich fundierter Daten sprach Neubeck folgende Empfehlungen aus:

Erkältung

Ein prophylaktischer Effekt von Zink ist evidenzbasiert nachgewiesen, allerdings nur bei der frühzeitigen Einnahme in Form hochdosierter Lutschtabletten (> 75 mg pro Tag); für niedrig dosierte Zubereitungen mit Zink-Ionen zum Schlucken liegt keine Empfehlung vor. Vitamin C reduziert das Erkältungsrisiko, was allerdings nur für Marathonläufer nachgewiesen wurde. Für Echinacin konnte ein möglicher Nutzen bei prophylaktischer Anwendung gezeigt werden, allerdings nur bei der Einnahme hochwertiger Präparate. Die Einnahme von Analgetika führt zwar zu einer Symptomlinderung, sollte aber Einzelfällen vorbehalten werden. Dasselbe gilt für α-Sympathomimetika, die zwar zu einer Linderung der Beschwerden führen, aber mit unerwünschten Wirkungen einhergehen können und den Gesundungsprozess nicht verkürzen. Für die häufig empfohlenen Tees, Einreibungen oder homöopathischen Mittel fehlen Wirksamkeitsnachweise auf der Basis qualitativ hochwertiger Studien.

Halsschmerzen

Für Ambroxol in Form von Lutschtabletten wurden in klinischen Studien eine Linderung der Symptome und eine Reduktion der Entzündung nachgewiesen. Von der Gabe lokaler Antiseptika wird abgeraten (Gefahr von Wundheilungsstörungen, Beeinträchtigung der Mundflora, Möglichkeit einer Allergisierung). Für Lutschtabletten mit Schleimdrogen wie etwa Isländisch Moos fehlt der Nachweis einer heilenden Wirkung, ihr umhüllender Effekt ist nur von kurzer Dauer. Ebenfalls nur kurze Zeit und oberflächlich wirken Gurgellösungen und Rachensprays. Besteht der Wunsch nach einer Gurgellösung, bevorzugt Neubeck Salbei-­haltige Präparate.

Was kann der Apotheker tun?

  • Empfehlen, was besser bewertet wird
  • Empfehlen, was nicht schadet
  • Informationen hinterfragen
  • Patient rechtzeitig zum Arzt schicken
  • Evidenzlücken mit Fachwissen füllen

Husten

Für Schleimlöser wie Ambroxol, Bromhexin oder Acetylcystein liegen bei Husten keine überzeugenden aktuellen Studien zur Wirksamkeit vor; die durchgeführten Studien werden als zu alt oder zu wenig umfangreich erachtet. Hustenstiller wie etwa Dextromethorphan sollten nur kurzfristig bei quälendem Reizhusten eingesetzt werden, ihr Nebenwirkungspotenzial ist dabei zu beachten. Die Wirksamkeit von Pelargonium-Extrakten wurde nur an einem kleinen Studienkollektiv gezeigt. In den Produktinformationen muss auf eine mögliche Lebertoxizität hingewiesen werden, die Häufigkeit ist nicht bekannt. Zubereitungen auf der Basis von Thymian oder Efeu wurden fast nur in Kombinationen mit anderen Heilpflanzen getestet, sodass Wirksamkeitsbelege keinen einzelnen Pflanzen zugeordnet werden können.

Mittelohrentzündungen

Bei Entzündungen wirkt Ibuprofen schmerzlindernd und entzündungshemmend, was allerdings nicht speziell bei Vorliegen einer Otitis media nachgewiesen wurde. Für die häufig praktizierte Gabe abschwellender Nasentropfen liegen keine evidenzbasierten Wirksamkeitsbelege vor, obwohl das Wirkprinzip logisch erscheint. Analgetika-haltige Ohrentropfen führen allenfalls zu einer geringen Schmerzlinderung, haben aber keinen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Sind Analgetika erforderlich, sollten diese systemisch gegeben werden. Für Hausmittel wie dem Auflegen von Zwiebelsäckchen liegt keine klinische Evidenz vor. Ein prophylaktischer Effekt von Xylitol konnte in kleineren Studien gezeigt werden, bei der langfristigen Anwendung dürften allerdings Probleme mit der Compliance auftreten.

Schnupfen/Sinusitis

Kurzfristig können abschwellende Nasentropfen zur Symptomlinderung eingesetzt werden. Glucocorticoid-­haltige Nasensprays beschleunigen die Heilung aufgrund ihrer antiinflammatorischen Wirkung, was allerdings nur für die höher dosierten und somit rezeptpflichtigen Präparate gezeigt wurde. Systemische α-Sympatho­mimetika sollten aufgrund ihres Missbrauchspotenzials weder einzeln noch in Kombination eingesetzt werden. Die Wirksamkeit Salz- oder Zink-haltiger Nasentropfen wurde bislang nicht nachgewiesen. |

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