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Arzneimittel und Therapie
Keine Betablocker mehr für alle?
Bei Herzinsuffizienz mit Vorhofflimmern keine verbesserte Prognose
Nach heutigen medizinischen Erkenntnissen zur Pathogenese der Herzinsuffizienz spielen physiologische Adaptationsmechanismen, wie die Aktivierung des sympatho-adrenergen Systems und die damit assoziierte langanhaltende Vermittlung einer peripheren Vasokonstriktion, eine zentrale Rolle. Die Gabe von antiadrenergen Substanzen, wie Betablockern, welche die Senkung der sympathischen Überaktivität zur Folge haben, scheint daher, trotz der bekannten negativ inotropen Wirkung auf die Herzmuskelzelle, indiziert. Mehrere klinische Studien bestätigten seither eine signifikante Prognoseverbesserung durch die Zusatztherapie mit Betablockern bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Tatsächlich empfehlen sowohl europäische als auch US-amerikanische Leitlinien Betablocker als Klasse-1A-Therapeutika [1, 2].
Zweifel am Nutzen
Dennoch verblieben einige Zweifel bezüglich des effektiven Nutzens von Betablockern, insbesondere bei Personen mit weiteren Komorbiditäten wie Vorhofflimmern, oder einigen Patientengruppen wie älteren Personen und Frauen, da die Daten früherer Studien keine ausreichende statistische Signifikanz aufwiesen. Da die Durchführung weiterer klinischer Studien unwahrscheinlich ist, wurde diesbezüglich die „Beta-Blockers in Heart Failure Collaborative Group“ um den Wissenschaftler Dipak Kotecha vom Centre for Cardiovascular Sciences der University of Birmingham ins Leben gerufen. Diese Forschergemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die Behandlung der Herzinsuffizienz mittels Betablockern zu optimieren und offene Fragen bezüglich der Sicherheit und Effektivität der Therapie zu beantworten.
Bei Vorhofflimmern ohne Nutzen
Eine nun im Lancet veröffentlichte Metaanalyse diente dazu, den Nutzen einer Therapie mit Betablockern bei Personen mit Herzinsuffizienz sowie gleichzeitig auftretendem Vorhofflimmern zu überprüfen [3]. Hierzu wurden die individuellen Patientendaten aus zehn randomisierten, Placebo-kontrollierten klinischen Studien verglichen, welche die Effektivität von Betablockern bei Herzinsuffizienz analysierten und wurde als Primärziel der Analyse das Auftreten von Todesfällen definierten. Mittels Elektrokardiogrammen wurde das eventuelle Vorhandensein von Vorhofflimmern verifiziert. Insgesamt wurden 18.254 Patientendaten bewertet, von denen 13.946 (76%) einen normalen Sinusrhythmus aufzeigten und von denen bei 3066 Personen (17%) die Diagnose Vorhofflimmern zu Behandlungsbeginn bestätigt wurde. Die mittlere Nachbeobachtungszeit belief sich auf 1,5 Jahre, in denen 2237 Patienten mit normalem Sinusrhythmus (16%) und 633 Patienten mit Vorhofflimmern (21%) verstarben. Die Metaanalyse bestätigte eine signifikante Reduktion der Mortalitätsrate bei Patienten mit Sinusrhythmus (HR 0,73; 0,67bis 0,80; p < 0,001) gegenüber Placebo, jedoch nicht für Personen mit gleichzeitig auftretendem Vorhofflimmern (HR 0,97; 0,83 bis 1,14; p = 0,73). Im Unterschied zu der erwarteten Senkung der Mortalitätsrate für Personen ohne Vorhofflimmern war der Vorteil einer Therapie mit Betablockern gegenüber Placebo für Patienten mit Komorbidität nicht gegeben. Dies bestätigte sich bei unterschiedlichen Subanalysen der Patientenpopulationen. Das Ergebnis war daher unabhängig von Alter, Geschlecht, linksventrikulärer Auswurffraktion, Herzfrequenz, medikamentöser Behandlung zu Therapiebeginn oder weiteren individuellen Parametern.
Nach Meinung der Forschergruppe ist der Nutzen einer Therapie mit Betablockern bei Patienten mit Herzinsuffizienz und gleichzeitigem Vorhofflimmern nicht erwiesen, sodass keine Prognoseverbesserung bezüglich der Mortalitätsrate zu erwarten ist. Demnach sollten Betablocker bei Personen mit gleichzeitig tachykarder Herzrhythmusstörung auch nicht mehr als Standardtherapeutikum angesehen und ebenso nicht gegenüber anderen medikamentösen Therapien bevorzugt eingesetzt werden.
Individuell therapieren
Aufgrund der Daten dieser groß angelegten Metaanalyse ist es ersichtlich, dass für die individuelle Therapie unterschiedlicher Patientengruppen, einschließlich solcher mit Vorhofflimmern, eine Anpassung der international gültigen Leitlinien vonnöten ist. Ein Ausschluss von bisher anerkannten Standardtherapien ist jedoch nicht ausreichend, um die Effektivität der jeweiligen Behandlungen zu erhöhen. Die Frage nach entsprechenden Alternativmedikationen wurde diesbezüglich noch nicht beantwortet und sollte daher im Fokus nachfolgender Studien stehen.
Quelle
[1] McMurray JJ, Adamopoulos S, Anker SD et al. ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. Eur Heart J 2012;33:1787–1847
[2] Yancy CW, Jessup M, Bozkurt B et al. 2013 ACCF/AHA Guideline for the Management of Heart Failure: A Report of the American College of Cardiology Foundation/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines. Circulation 2013;128:e240–319
[3] Kotecha D et al. Efficacy of betablockers in patients with heart failure plus atrial fibrillation: an individual-patient data meta-analysis. Lancet (2014) Early Online Publication, 2 September 2014. doi:10.1016/S0140-6736(14)61373-8
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