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Mehr Transparenz

Pharmaunternehmen wollen Zuwendungen an Ärzte und Apotheker veröffentlichen

Von Kirsten Sucker | Die Pharmabranche hat ein Imageproblem. Vielen Menschen – vor allem gesunden – fällt es schwer, wertzuschätzen, was pharmazeutische Unternehmen erreicht haben: Immer mehr Leiden können behandelt oder geheilt werden, Krankheiten, die vor wenigen Jahren noch sicher einen raschen Tod zur Folge hatten, sind nun chronisch und gut behandelbar. Dennoch gilt „die Pharmaindustrie“ landläufig vor allem als profitorientiert. Ihr wird vorgeworfen, Studien zurückzuhalten, wenn sie nicht die erwünschten Ergebnisse bringen oder sie gleich zu manipulieren. Und ihr wird unterstellt, allzu großen Einfluss auf die Verordner oder sonstige Angehörige der medizinischen Fachkreise zu nehmen. Doch seit einigen Jahren versuchen vor allem forschende Pharmaunternehmen ihr Image zu verbessern – dabei setzen sie auf Selbstkontrolle. Jetzt wollen sie einen weiteren Schritt in die Transparenzoffensive gehen und ihre direkten und indirekten Zuwendungen an Ärzte, Apotheker und andere Angehörige der Fachkreise offenlegen. Damit dies gelingt, müssen ihre Partner seitens der Fachkreise allerdings mitziehen.

Es lässt sich nicht abstreiten: Pharmazeutische Unternehmen haben in der Vergangenheit immer wieder selbst Anlass gegeben, Zweifel an ihren Methoden zu nähren. Dafür sorgten etwa mondäne Ärztefortbildungen, wie sie vor nicht allzu langer Zeit noch gang und gäbe waren. Für Schlagzeilen sorgte vor einigen Jahren auch der Generikahersteller Ratiopharm, der Ärzte mit Zuwendungen animierte, vorzugsweise Ratiopharm-Produkte zu verordnen. Dieser Fall endete im März 2012 mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs. Darin kamen die Richter zu dem Schluss, dass ein Vertragsarzt nach dem geltenden Strafrecht nicht strafbar ist, wenn er von einem Pharma-Unternehmen Geschenke für die Verordnung von Arzneimitteln entgegennimmt. Seitdem gibt es eine breite politische Debatte, ob und wie der Korruption im Gesundheitswesen per Gesetz Einhalt geboten werden kann.

Die Anfänge der Selbstkontrolle

Mittlerweile sind viele pharmazeutische Unternehmen sehr bemüht, ihre Außenwahrnehmung zu verbessern. Schon vor gut zehn Jahren ist aus dem Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) heraus der Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) gegründet worden. Seine Mitglieder stehen eigenen Angaben zufolge für rund 75 Prozent des deutschen Pharmamarktes nach Umsatz. Der FSA überwacht seitdem die Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen und den Angehörigen der medizinischen Fachkreise – seit 2008 zudem die Kooperation mit Organisationen der Patientenselbsthilfe. Für diese beiden Bereiche hat der FSA Kodizes verabschiedet, die vom Bundeskartellamt auch als Wettbewerbsregel anerkannt sind. Wer gegen die hier normierten Grundsätze verstößt, muss nicht nur mit Sanktionen der FSA-Schiedsstelle rechnen, sondern kann auch vor den Zivilgerichten in Anspruch genommen werden.

Im Jahr 2008 gründete sich ein zweiter Verein mit dem Namen „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V.“ (AKG) – dieser hat seine Wurzeln im Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Kurzzeitig war der BPI beim FSA untergekommen – doch dann entschied er sich für einen eigenen Weg mit eigener Schlichtungsstelle. Die Zielsetzung ist die gleiche wie beim FSA: die freiwillige Selbstkontrolle mithilfe kodifizierter Wettbewerbs- und Verhaltensregeln. Allerdings sind die selbst auferlegten Vorgaben nicht ganz so weitgehend wie beim Schwesterverein. Unterschiede gibt es vor allem aber auch in der Mitgliederstruktur: Die derzeit 102 AKG-Mitglieder kommen vorwiegend aus dem mittelständischen Bereich.

Der Transparenz-Kodex

Vor knapp zwei Jahren – und kurz nach der Veröffentlichung der Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs – ging dann der europäische Dachverband der forschenden Pharmaunternehmen (EFPIA) in die Offensive. Er kündigte an, künftig finanzielle Zuwendungen an Ärzte und medizinische Forschungseinrichtungen offenzulegen. Dieser sogenannte Transparenzkodex sollte an das US-amerikanische Vorbild – den „Physician Payment Sunshine Act“ – angelehnt sein. „Die Pharmaindustrie hat nichts zu verbergen“, so die Parole. Der EFPIA-Transparenzkodex führte Mindeststandards ein, die von den nationalen Verbänden verpflichtend umzusetzen waren. Der FSA stieg umgehend ein und legte Ende November 2013 seinen nächsten Kodex vor. Am 18. Juni 2014 wurde dieser „FSA-Transparenzkodex“ im Bundesanzeiger bekannt gemacht – auch er ist vom Bundeskartellamt als Wettbewerbsregel anerkannt. Er sieht vor, dass die FSA-Mitgliedsunternehmen nun sämtliche Zuwendungen an Angehörige der Fachkreise so genau wie möglich publizieren. 2016 sollen die ersten Veröffentlichungen dieser Art erfolgen – basierend auf Daten des Jahres 2015. Mitgliedsunternehmen, die gegen den Kodex verstoßen, drohen die gleichen Sanktionen wie bei Verstößen gegen die schon länger bestehenden FSA-Kodizes. Das können Geldstrafen bis zu 400.000 Euro zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen sein – inklusive Namensnennung im Internet.

Auch der AKG hat nach diesem Vorbild eine Transparenzregelung in seinen Verhaltenskodex aufgenommen. Anders als der FSA ist der AKG kein Mitglied der EFPIA und verzichtet daher auf einen eigenen verbindlichen und sanktionsbewehrten Transparenzkodex. Die Regelung ist vielmehr als „Soll-Vorschrift“ formuliert: Sie soll zu einer Offenlegung von mittelbaren und unmittelbaren vermögenswerten Zuwendungen der Mitgliedsunternehmen an oder zugunsten von Angehörigen der Fachkreise und Organisationen des Gesundheitswesens anhalten. Es handelt sich also lediglich um Empfehlungen, deren Einhaltung der Verein seinen Mitgliedern allerdings nahe legt.

Ross und Reiter sollen genannt werden

Ob nun verpflichtend für FSA-Mitglieder oder freiwillig für AKG-Mitglieder: Die Informationen über die Zuwendungen sollen künftig für jedermann zugänglich auf einer Webseite veröffentlicht werden. Jeder soll beispielsweise sehen können, welche Honorare an Ärzte oder auch Apotheker fließen und wer zu welchen Fortbildungsveranstaltungen eingeladen wird. Die Liste umfasst die Kategorien Sponsoring, Spenden, Dienstleistungs- und Beratungshonorare sowie Forschung und Entwicklung. Dabei soll lediglich in der Kategorie „Forschung und Entwicklung“ keine individuelle Namensnennung erfolgen. Hier werden nur die investierten Gesamtsummen veröffentlicht. So verhält es sich übrigens auch bei Anwendungsbeobachtungen von Ärzten, zu denen sich bereits Regelungen im FSA-Fachkreiskodex finden. In allen anderen Sparten ist es Ziel, den jeweiligen Partner beim Namen zu nennen. Auch die berufliche Anschrift wird erfasst, bei Ärzten zudem die Lebenslange Arztnummer (LANR).

Mit der Veröffentlichung der Geldflüsse soll das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine sachgerechte Produkt- und Therapieauswahl ohne wirtschaftliche Interessen sowie in einen lauteren Wettbewerb in der Arzneimittelindustrie gestärkt werden. Denn dass die Zusammenarbeit der Unternehmen mit den Angehörigen der Fachkreise wichtig und auch legitim ist, daran hält die Branche fest. Patienten erwarteten schließlich von ihrem Arzt, dass er ihnen Diagnose und Therapie erklärt. Und die Ärzte bräuchten das Wissen über Medikamente, die die Pharma-Unternehmen liefern. Eine gute und faire Zusammenarbeit sei also notwendig, damit Patienten die bestmögliche Therapie erhalten, so die Argumentation der Hersteller.

Achtung Datenschutz!

Und so laufen die Vorbereitungen für 2016 bei den Unternehmen jetzt auf Hochtouren. Sie brauchen Zeit, ihre internen Systeme anzupassen – oder sogar vollständig neu zu entwickeln. Zahlungsströme aus allen Abteilungen müssen ressort- und grenzübergreifend erfasst werden, um zu gewährleisten, dass alle relevanten Daten richtig und vollständig sind. Bei der Veröffentlichung der individuellen Zahlungen und Namen im Internet muss dann alles stimmen. Fehler darf sich ein Unternehmen nicht erlauben – schließlich handelt es sich um höchst sensible Daten. Aus datenschutzrechtlichen Gründen müssen die Ärzte, Apotheker und sonstigen Fachkreisangehörigen, die auf der Payroll der Pharmaindustrie stehen, daher in die Veröffentlichung ihrer Namen einwilligen. Anderenfalls bleibt den Unternehmen nur die sogenannte aggregierte Veröffentlichung: Ohne Einwilligung dürfen sie die geleisteten Zuwendungen nur unter der Gesamtsumme ihrer Zuwendungen im jeweiligen Jahr aufführen. Dies wird ihrem eigentlichen Anspruch an die Transparenz jedoch kaum mehr gerecht.

Daher werben die Unternehmen nun um Akzeptanz und die Mitwirkung aus den Kreisen der Ärzte und Apotheker. Manche – etwa GlaxoSmithKline – sind bereits einen Schritt weiter und fordern schon jetzt bei jedem Vertrag mit einem Fachkreisangehörigen eine Einwilligungserklärung für eine künftige Veröffentlichung der Daten. Dies ist nicht immer ein leichtes Unterfangen. Doch die Hersteller wollen ihren Partnern vor Augen führen, dass die Veröffentlichung auch für sie Vorteile hat. Es schaffe Vertrauen, wenn ein Patient genau einsehen könne, wie eine etwaige Zusammenarbeit seines Arztes mit pharmazeutischen Unternehmen aussieht. Es soll klar werden: Hinter jeder Geldleistung steht auch eine Gegenleistung. Beide Seiten haben mit der Veröffentlichung ihrer Verbindungen die Chance, aus der „Mauschelecke“ herauszukommen. Für einige Fachkreisangehörige könnten die Veröffentlichungen auch das wissenschaftliche Renommee aufbessern. Nicht zuletzt: Funktioniert die Selbstkontrolle der Industrie, können vielleicht gesetzliche Regelungen verhindert werden – oder ihnen jedenfalls eine Richtung gegeben werden, die von den Betroffenen vorgezeichnet ist.

Formen der Einwilligung

Ist der Partner grundsätzlich überzeugt, gibt es für die Unternehmen zwei Möglichkeiten, die Einwilligungserklärungen einzuholen. Zum einen können sie dem Arzt oder Apotheker bei einer erstmaligen Zusammenarbeit ab 2015 eine einmalige auf alle zukünftigen Kooperationen bezogene Einwilligungserklärung mit der Bitte um Unterzeichnung vorlegen. Zum anderen besteht die Option, für jede einzelne Kooperation eine Einwilligung einzuholen. Die Vor- und Nachteile liegen auf der Hand. Vor allem für die Industrieseite ist eine generelle Einwilligung selbstverständlich komfortabel, ist sie doch sehr viel weniger aufwendig. Schwierig kann es allerdings werden, wenn die Fachkreisangehörigen zwar grundsätzlich mit der Veröffentlichung ihrer Daten einverstanden sind, aber einzelne Kooperationen – möglicherweise nachträglich – nicht veröffentlicht wissen wollen. Soll jede Einwilligungen für eine Zusammenarbeit einzeln eingeholt werden, kann der technische Aufwand für beide Seiten allerdings ebenfalls groß sein. In beiden Fällen gilt: Die Einwilligung kann in Schriftform oder elektronisch erteilt werden. Wirksam ist sie aber nur, wenn sie in verständlicher Form alle konkreten Informationen darüber bietet, wer die Daten verarbeitet und welche Daten zu welchem Zweck verarbeitet werden. Und: Eine einmal erteilte Einwilligung kann jederzeit formlos widerrufen werden.

Die AKG verweist darauf, dass die Einwilligung stets freiwillig ist. Sie dürfe insbesondere nicht daran geknüpft werden, dass nur mit ihr ein Vertrag – etwa ein Referentenvertrag – zustande kommt. Jeder Arzt oder Apotheker könne frei entscheiden, ob seine Daten in der Liste veröffentlicht werden. Doch es gibt auch Unternehmen, die eine abschlägige Entscheidung des Arztes zwar respektieren, aber dennoch Wert auf die individuelle Veröffentlichung legen. So behält sich etwa das FSA-Mitglied GlaxoSmithKline vor, die Zusammenarbeit mit Fachkreisangehörigen jedenfalls vorübergehend ruhen zu lassen, wenn die Gegenseite einer individuellen Veröffentlichung nicht zustimmt.

Es bleibt nun abzuwarten, wie die Fachkreisangehörigen bei der Initiative mitziehen. Bei der Veröffentlichung der Zuwendungen von Pharmaunternehmen an Patientenorganisationen hat sich jedenfalls gezeigt, dass diese Transparenz keinen Nachteil mit sich gebracht hat.

Autorin

Kirsten Sucker-Sket ist Redakteurin im Hauptstadtbüro der Deutschen Apotheker Zeitung. Sie hat in Berlin Jura studiert und behält für die DAZ neben der Gesundheitspolitik und rechtlichen Themen die Verbändelandschaft im Blick.


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