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Gesundheitspolitik
Null-Retax, Leitbild, Lieferengpässe
Berufspolitisches Forum beim Pharmacon diskutiert aktuelle Fragen
Das jüngste Urteil des Bundessozialgerichts, das Retaxationen auf Null zulässt und für rechtens erklärte, müsse man zwar hinnehmen, so Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV). Aber es könne nicht angehen, dass dies selbst bei geringsten Formfehlern greife. Denn pharmazeutisch seien die Patienten ordentlich versorgt worden. Daher: „Auf Null – das kann‘s nicht sein“, so Becker, „jetzt ist die Politik gefordert.“ Er könne sich vorstellen, dass ein entsprechender Passus im SGB V geändert werde, damit bei Formfehlern von Arzt oder Apotheker Rezepte geheilt werden können.
Auch Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, betonte, es könne nicht angehen, dass eine erbrachte Leistung von den Kassen nicht bezahlt werde, „das ist unhaltbar“. Er schlug dem Auditorium daher eine Resolution vor (siehe Kasten), die die Apothekerinnen und Apotheker einstimmig annahmen.
Lieferengpässe – mehr als ärgerlich
Das Thema Lieferengpässe sei endlich in der Politik angekommen, so ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Die Ursachen dafür, dass manche Arzneimittel nicht ausreichend zur Verfügung stünden, seien vielschichtig. Die Auswirkungen der Rabattverträge seien hierfür genauso verantwortlich, so Schmidt, wie eine aggressive Preispolitik der Hersteller, Strategien zur Kostenoptimierung, Reduzierung von Reserven. Und Kiefer ergänzte, dass Hersteller ihre Ware auch in andere Länder verkauften, in denen mehr Gewinn erzielt werde. Deutschland sei auch Exportland für Arzneimittel, so Becker. Wenn dadurch Engpässe entstünden, sei es Aufgabe der Apotheker, dies zu zeigen. Kiefer überlegte, ob es sinnvoll sein könnte, Engpässe und Kontingentierungen von Ware an die Bundesapothekerkammer zu melden, um gegenüber der Politik Daten vorweisen zu können.
Nach Auffassung von Schmidt muss nach außen verdeutlicht werden: „Die Apotheken sorgen dafür, dass aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe werden.“ Hinweise aus der Politik, man solle überlegen, ob Lieferengpässe durch Anlegen nationaler Reserven, durch Aufstockung der Läger beim Großhandel oder in den Apotheken verhindert werden könnten, wies der ABDA-Präsident zurück. Das habe schon zu DDR-Zeiten nicht funktioniert.
Resolution
„Die beim Fortbildungskongress Pharmacon der Bundesapothekerkammer versammelten Apothekerinnen und Apotheker fordern den Gesetzgeber auf, durch eine Gesetzesänderung die Möglichkeit von Null-Retaxationen einzuschränken. Immer dann, wenn die Retaxation Folge geringfügiger Formfehler von Arzt und Apotheker ist, muss den Apotheken zumindest der Einkaufswert der an den Patienten abgegebenen Arzneimittelpackung erstattet werden. Denn in diesen Fällen ist der Patient pharmazeutisch gut versorgt worden.
Die Einschränkung von Null-Retaxationen korrigiert nicht nur ein Missverhältnis zwischen einem kleinen, für die Versorgung des Patienten unbedeutenden Formfehler und einer teilweise großen wirtschaftlichen Einbuße der Apotheke. Sie ist auch eine Anerkennung für die von den Apotheken geleistete Arbeit bei der Versorgung der Versicherten in einem kaum mehr überschaubaren System von Rabattverträgen. Der Schutz vor exzessiven Retaxationen ermöglicht den Apothekenteams, sich weiterhin auf ihre pharmazeutische Aufgabe zu konzentrieren und sicherzustellen, dass aus Lieferengpässen keine Versorgungsengpässe für ihre Patienten werden.“
Leitbild ja, aber ...
Das erarbeitete Leitbild, das als Entwurf vorliegt, wird zwar weitgehend akzeptiert, aber wie die Diskussion zeigte, wirft es noch Fragen auf. So erklärte Kiefer, dass es beispielsweise nicht angedacht sei, einen Nachweis der Pflichtfortbildung zu verankern.
Als drängendes Problem wurde die Frage gesehen, wie die Apotheken vor dem Hintergrund des Leitbilds garantieren können, das Personal für die neuen Aufgaben zu haben. Wenn wie in Nordrhein-Westfalen die Finanzierung von PTA-Schulen nicht mehr gesichert ist und Schulen schließen, wird es immer schwerer, PTA zu finden.
Unsicherheit besteht beim Thema Medikationsmanagement, das als Dienstleistung Eingang ins Leitbild gefunden hat. Hier sind noch Präzisierungen notwendig, machte Becker deutlich: „Wir brauchen Standards, klar definierte Leistungen, um Verträge mit den Krankenkassen aushandeln zu können. Wenn wir diese Dienstleistung jetzt verramschen, haben wir keine Chance mehr, etwas dafür zu bekommen.“ Wie Thomas Benkert, Vizepräsident der Bundesapothekerkammer (BAK) ergänzte, erarbeitet die BAK bis Herbst ein Curriculum, das alle interessierten Apothekerinnen und Apotheker durchlaufen können, um das notwendige Grundwissen für ein Medikationsmanagement zu erwerben. Für diejenigen, die sich mit dem Medikationsmanagement über das Grundwissen hinaus befassen wollen, stehen der Ausbildungsgang zum Medikationsmanager, wie er in Bayern angeboten wird, oder zum Manager für Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), wie ihn die Apothekerkammer Westfalen-Lippe seit 2012 anbietet, zur Verfügung. Kiefer hob hervor: „Wir müssen jeden in die Lage versetzen, das Medikationsmanagement umzusetzen.“
Ein erster Anfang, das Medikationsmanagement in der Praxis zu erproben, sei mit der Arzneimittelinitiative von Sachsen-Thüringen, bekannt unter dem Kürzel Armin, gemacht. Es habe zahlreiche Hindernisse und Bedenkenträger gegeben, räumte ABDA-Präsident Schmidt ein, bis das Projekt an den Start gehen konnte. Der Zeitrahmen sei angesichts dieser Probleme aber angemessen gewesen. Allerdings sei bis jetzt eine größere Bereitschaft vonseiten der Apotheken zu sehen, bei Armin mitzumachen, als von Ärzten, das müsse sich ändern. Was die finanzielle Seite bei Armin betreffe, so Becker, sei sichergestellt, dass Arzt und Apotheker das gleiche Honorar bekämen: „Wir konnten eine höhere Honorarforderung durchsetzen als die Ärzte dachten.“
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