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Feuilleton
Vom Exlibris bis zum Etikett
Holzschnitt – das Standardverfahren der Bilderreproduktion
Der Holzschnitt gilt als älteste druckgrafische Technik und ist in China schon im 4. Jahrhundert nachweisbar. In Europa war er ab den 1280er Jahren, als das Papier das Pergament zu ersetzen begann, bekannt. Einen kräftigen Aufwind erfuhr er, nachdem Johannes Gutenberg (um 1400 – 1468) den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden hatte. Der Holzschnitt konnte problemlos in den Bleisatz integriert und im gleichen Arbeitsgang gedruckt werden, weil es sich in beiden Fällen um Hochdruckverfahren handelt (d. h. die erhabenen Teile werden eingefärbt und auf Papier gedruckt).
Frühe Höhepunkte der botanischen Buchillustration stellen die Kräuterbücher von Otto Brunfels (1488 – 1534), Hieronymus Bock (1498 – 1554) und Leonhart Fuchs (1501 -1566) dar, deren Illustratoren (Zeichner und Holz- oder Formschneider) anerkannte Künstlerpersönlichkeiten waren. Ihre Pflanzenporträts unterscheiden sich nicht nur durch ihre naturgetreue Darstellung deutlich von den Holzschnitten des 15. Jahrhunderts, sondern sie heben sich auch durch individuelle Stilmerkmale voneinander ab.
Kupferstich – "feine Manier" für höhere Ansprüche
Schon um 1420 hatte sich (neben dem Holzschnitt) in Süddeutschland der Kupferstich verbreitet. Bei diesem Verfahren dient als Druckvorlage eine Kupferplatte, in die der Künstler mit einem Grabstichel das Negativ der Abbildung "gestochen" hat; beim "Stechen" wird jeweils etwas Material aus der Platte herausgehoben und entfernt. Die Vertiefungen nehmen die Farbe auf und bedrucken das Papier (Tiefdruck). Diese Technik erlaubte zwar eine differenziertere und geradezu "körperhafte" Wiedergabe der Motive, wie sie mit dem Holzschnitt nicht möglich war. Sie war aber mit dem Buchdruck nicht direkt vereinbar – man musste das Papier in zwei Vorgängen mit dem Text und den Illustrationen bedrucken. Deshalb blieb der Holzschnitt lange Zeit das bevorzugte Illustrationsverfahren für Bücher, zumal es begabten Künstlern gelang, die grobe Linienführung zu verfeinern und durch Schraffuren einen gewissen räumlichen Effekt zu erzielen.
Andere Tiefdruckverfahren mit Kupferplatten sind die Kaltnadelradierung und die Ätzradierung. Im ersten Fall werden die Linien mit einer Stahlnadel in die Druckplatte geritzt, wobei das emporgedrückte Material auf der Platte verbleibt und beidseits der Linie Stege bildet. Bei der Ätzradierung überzieht der Künstler die Kupferplatte mit einer säurebeständigen Schicht (aus Wachs, Gummiharz und Asphalt) und zeichnet in sie mit einer Radiernadel die Abbildung; dann taucht er die Platte in Säure, die an den radierten Stellen zum Kupfer gelangt und die Abbildung hineinätzt.
Der Kupferstich und seine Varianten dienten hauptsächlich zur Herstellung von Einzelblättern wie Stadtansichten, Heiligenbildern oder Kopien berühmter Gemälde. Aber auch mancher Gelehrte ließ trotz der immensen Kosten seine Werke mit Kupferstichen illustrieren. Der Göttinger Anatomieprofessor Albrecht von Haller (1708 – 1777) zum Beispiel beauftragte Georg Daniel Heumann (1691 – 1759), nach Zeichnungen seines Kollegen Christian Jeremias Rollin (1707 – 1781) die großformatigen "Icones anatomicae" zu stechen, die erstmals brillant den Verlauf der Arterien im menschlichen Körper abbildeten (8 Teile, 1743 – 1756).
Auch die handkolorierten Kupfertafeln in dem Werk "Pharmaceutische Waarenkunde oder Handatlas der Pharmakologie", einem Bildband zu "Vollständiges Real-Lexikon der medicinisch-pharmaceutischen Naturgeschichte und Rohwaarenkunde" von Eduard Winkler (Leipzig, ab 1840), sind ein schönes Beispiel für hochwertige wissenschaftliche Illustrationen.
Holzstich und Steindruck – besser und preiswerter
Mit der Erfindung des Holzstichs (Xylografie) durch den englischen Ornithologen Thomas Bewick (1753 – 1828) bot sich eine willkommene, weil weniger arbeitsintensive und zudem preisgünstige Alternative zum Kupferstich an. Während der Holzschneider weiches Obstbaumholz verwendet, in das er die Motive parallel zur Maserung schneidet, benutzt der Xylograf quer zur Faser aufgeschnittenes Hartholz, das sogenannte Hirnholz, das ähnlich wie eine Kupferplatte mit Sticheln bearbeitet werden kann. Das Verfahren wurde so weit entwickelt, dass sogar Fotografien auf Hirnholz übertragen und in einwandfreier Qualität gedruckt wurden. Somit wurde die Xylografie auch für den Zeitungsdruck interessant und erst um 1900 durch die fotomechanisch gerasterte Autotypie (Georg Meisenbach, um 1880) verdrängt.
Die Lithografie (Steindruck) gab der Gebrauchsgrafik enorme Impulse. Alois Senefelder (1771 – 1834), ein technisch ambitionierter Schauspieler und Theaterschriftsteller, hatte sie erfunden, indem er das Motiv mit fetthaltiger Tusche seitenverkehrt auf eine plangeschliffene Solnhofener Platte (Jurakalk) zeichnete und anschließend die gesamte Oberfläche mit einer Lösung aus Gummi arabicum und verdünnter Salpetersäure bestrich, um den Gegensatz zwischen der lipophilen Tusche und dem hydrophilen Stein zu verstärken. Mit einer lipophilen Farbe und einer "Stangenpresse" konnte er dann die Zeichnung auf Papier drucken. Erstmals wies eine Druckplatte eine völlig plane Oberfläche auf und erzeugte das Druckbild nur aufgrund chemisch-physikalischer Unterschiede (Flachdruck).
Die Lithografie verbreitete sich schnell, und nachdem Senefelder 1826 erstmals der Farbendruck gelungen war, waren die Tage der Handkolorierung gezählt. Damit gab sich aber der Erfinder noch nicht zufrieden, sondern er experimentierte weiter mit Metalldruckplatten und schuf damit letztendlich die Grundlage für die Weiterentwicklung des Steindrucks zum Rollenoffset (seit 1912), dem wohl heute noch am häufigsten angewandten Druckverfahren.
Grafisches Design als Werbemittel
Mit der beginnenden Industrialisierung erschlossen sich auch den Gebrauchsgrafikern völlig neue Geschäftsfelder. Zur Illustration von Büchern und Zeitschriften kam nun die Gestaltung von Geschäftsdrucksachen und anderer Gebrauchsgrafik hinzu. Nicht zuletzt die Apotheker wurden geschätzte Kunden der Grafiker. Neben individuell gestalteten Brief- und Rechnungsbögen und Nachweisbüchern für Gifte und Betäubungsmittel benötigten sie auch Rezeptformulare, Etiketten, Papiertüten und viele andere Artikel, die neben ihrem eigentlichen Zweck auch als Werbeträger geeignet waren.
Noch größer und vielfältiger war der Bedarf der noch jungen, aber rasch expandierenden pharmazeutischen Industrie. Bedarfslieferanten wie die Kartonagenfabrik Melsbach in (Bad) Sobernheim und H. C. Steinmüller in Dresden spezialisierten sich auf diese Branche und beschäftigten Grafiker, die mit den spezifischen Erwartungen der Apotheker vertraut waren. Neben Massendrucksachen rund um die Offizin wurden in den grafischen Ateliers auch Exlibris, Urkunden, Privilegien und zahlreiche andere Akzidenzdrucksachen entworfen, die den Zeitgeschmack vom 19. bis zum frühen 20. Jahrhundert widerspiegeln und Apothekengeschichte erzählen.
Reinhard Wylegalla
AusstellungBrandenburgisches Apothekenmuseum Altmarkt 24, 03046 Cottbus Telefon (03 55) 2 39 97, www.niederlausitzer-apothekenmuseum.de Führungen dienstags bis freitags 11 und 14 Uhr, samstags und sonntags 14 und 15 Uhr sowie nach Vereinbarung Broschüre "Graphik in der Apotheke", 32 S., 3,– Euro + Versandkosten |
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