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Hepatitis C
Korrekte Einnahme sichert Therapieerfolg bei Hepatitis C
Europaweit sind etwa neun Millionen Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. In Deutschland wurden 2011 an das Robert Koch-Institut (RKI) 5027 Fälle von erstdiagnostizierter Hepatitis C gemeldet. Nach Einschätzung des RKI gehört Deutschland zu den Niedrig-Prävalenzregionen, wobei allerdings Risikogruppen wie injizierende Drogenkonsumenten und Migranten in den bevölkerungsbezogenen Surveys unterrepräsentiert sind. Zudem sind sich viele Betroffene wegen des häufig asymptomatischen oder unspezifischen Verlaufs ihrer Infektion nicht bewusst und begeben sich nicht in ärztliche Behandlung.
HCV – die "stille" Infektion
Das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist ein lineares, einsträngiges umhülltes RNA-Virus aus der Familie der Flaviviridae. Es ist genetisch sehr variabel, bisher wurden sechs Genotypen und mehr als 80 Subtypen beschrieben. In Europa und in den USA treten vorwiegend die Genotypen 1, 2 und 3 auf. Unterschiede in der Virulenz der Genotypen oder Subtypen wurden noch nicht nachgewiesen. Die Inkubationszeit kann zwei bis 26 Wochen betragen, liegt aber in der Regel bei sieben bis acht Wochen. Der Mensch ist der einzige bekannte natürliche Wirt. Etwa 25% der mit HCV Infizierten entwickeln eine akute, meist mild verlaufende Hepatitis. In etwa drei Viertel der Fälle verläuft die Infektion jedoch unbemerkt oder mit unspezifischen, grippeähnlichen Symptomen. Bei bis zu 85% der Infektionen entwickelt sich eine chronische Erkrankung, die durch Müdigkeit, unspezifische Oberbauchbeschwerden und Leistungsabfall sowie Juckreiz, Gelenkbeschwerden und schwankende Leberenzymwerte gekennzeichnet ist. Bei zwei bis 35% der chronisch Infizierten hat sich nach 20 bis 25 Jahren eine Leberzirrhose entwickelt. Da HCV zu den Onkoviren gehört, entwickelt sich häufig eine Krebserkrankung. Es wird geschätzt, dass weltweit 27% aller Fälle von Leberzirrhose und 25% der Fälle von hepatozellulärem Karzinom auf Hepatitis C zurückzuführen sind. Die chronische Hepatitis C ist derzeit der häufigste Grund für eine Lebertransplantation.
Therapie: komplex und nebenwirkungsreich
Die antivirale Therapie einer akuten Hepatitis-C-Infektion sollte innerhalb von drei bis vier Monaten nach Erkrankungsbeginn mit Interferon α oder pegyliertem Interferon α über 24 Wochen durchgeführt werden. Bei chronischer Hepatitis C können die Duale Therapie oder die Tripeltherapie zum Einsatz kommen. Bei der Dualen Therapie kombiniert man pegyliertes Interferon α (Peginterferon α-2a, Pegasys® , Peginterferon α-2b, PegIntron®) einmal wöchentlich s. c. mit Ribavirin zweimal täglich oral. Ribavirin ist ein Nukleosid-Analogon, das in vitro gegen verschiedene RNA- und DNA-Viren wirkt. Zur Behandlung der chronischen, das heißt länger als sechs Monate bestehenden Hepatitis C steht es als Hartkapsel und Lösung (Rebetol® , Lösung für Kinder ab drei Jahren zugelassen) bzw. Filmtabletten (Copegus®) zur Verfügung. Die Therapiedauer beträgt je nach Ansprechen 24 oder 48, selten auch 72 Wochen. Das Ansprechen der Hepatitis-C-Genotypen ist sehr unterschiedlich. Bei dem in Europa am meisten verbreiteten Genotyp 1 beträgt die Heilungschance mit Peg-Interferon und Ribavirin ca. 40 bis 50%, bei den Genotypen 2 und 3 liegen sie mit 70 bis 80% und bei 4 mit 60 bis 70% deutlich höher.
Mit der Tripeltherapie lassen sich bei Patienten mit Genotyp 1 höhere Heilungsraten erzielen. In Studien mit pegyliertem Interferon, Ribavirin und Telaprevir lag diese beispielsweise bei therapienaiven Patienten zwischen 69 und 75%, bei einer Boceprevir-haltigen Tripeltherapie bei 66%.
Belastende Nebenwirkungen können die Compliance der Patienten jedoch beeinträchtigen; so leiden Patienten unter Boceprevir sehr häufig unter Anämie und Geschmacksstörungen, bei der Kombinationsbehandlung mit Telaprevir können zu jedem Zeitpunkt schwere Hautausschläge auftreten.
Wie kann man sich vor einer HCV-Infektion schützen?Eine Hepatitis-C-Impfung ist derzeit noch nicht verfügbar. Das Virus wird fast ausschließlich durch Blut übertragen. Die Übertragung durch Sexualverkehr ist selten, aber möglich; das Risiko steigt während der Menstruation und bei verletzungsträchtigen Sexualpraktiken und kann durch Kondomgebrauch reduziert werden. Zum Schutz vor Übertragung auf anderen Wegen sollten Tätowierungen und Piercings nur unter sterilen Bedingungen durchgeführt werden. Wer mit einem HCV-Infizierten zusammenlebt, darf Rasierer, Nagelscheren und Zahnbürsten nicht gemeinsam benutzen. Spritzen wie Heparin-, Insulin- oder Interferonspritzen dürfen nicht in den Hausmüll gegeben werden. Sie müssen in speziellen Behältnissen gesammelt und gesondert (beim Arzt, in der Klinik oder Apotheke) entsorgt werden. Drogenkonsumenten sollten Spritzbestecke niemals gemeinsam benutzen. Beim Umgang mit fremdem Blut sollte man Schutzhandschuhe tragen und Blutflecken mit Desinfektionsmittel entfernen. Nach 1991 übertragene Blutprodukte sind in Deutschland sicher; Tests auf HCV werden routinemäßig durchgeführt. |
Einnahmehinweise genau befolgen!
Boceprevir (Victrelis®) und Telaprevir (Incivo®) wirken nur dann effektiv, wenn sie im Acht-Stunden-Rhythmus mit einer fettreichen Mahlzeit eingenommen werden. So war beispielsweise in klinischen Untersuchungen mit Telaprevir die Exposition gegenüber dem Wirkstoff nach einer fettreichen, hochkalorischen Mahlzeit (56 g Fett, 928 kcal) im Vergleich zu einer normokalorischen Mahlzeit mit standardisiertem Fettanteil (21 g Fett, 533 kcal) um 20% erhöht. Im Vergleich zur Einnahme von Telaprevir nach einer standardisierten normokalorischen Mahlzeit war die Exposition (AUC) bei Einnahme auf leeren Magen um 73%, bei Einnahme nach einer kalorienreduzierten, proteinreichen Mahlzeit (9 g Fett, 260 kcal) um 26% und bei Einnahme nach einer kalorien- und fettreduzierten Mahlzeit (3,6 g Fett, 249 kcal) um 39% reduziert. Zur Unterstützung der Patienten, deren Medikamentenlast sehr hoch ist, wurden Erinnerungs-Hilfsmittel entwickelt (s. Kasten). Wichtig sind außerdem Hinweise zur Teilbarkeit und Integrität der Darreichungsformen. Beispielsweise müssen Incivo®-Tabletten im Ganzen geschluckt und dürfen weder zerbrochen, gekaut oder aufgelöst werden. Copegus®-Tabletten dürfen aufgrund der Teratogenität von Ribavirin keinesfalls zerbrochen oder gedrückt werden.
SMS-Erinnerungsservice unterstützt ComplianceDie neuen HCV-Proteasehemmer Victrelis® und Incivo® müssen genau alle acht Stunden mit einer fettreichen Mahlzeit eingenommen werden. Zur Unterstützung der Compliance hat die Deutsche Leberhilfe e.V. einen SMS-Erinnerungsservice eingerichtet. Wer ihn nutzen will, muss sich unter http://sms-service.leberhilfe.org/de/smsservice/page.html registrieren, dies ist auch anonym möglich. Die eingegebene Handynummer unterliegt dem Datenschutz und wird streng vertraulich behandelt. Die Firma Janssen-Cilag stellt auf der Website www.richtigwichtig.de unter anderem einen interaktiven Incivo®timer für die ersten zwölf Therapiewochen zur Verfügung. Patienten definieren nach ihren Alltagsgewohnheiten und ihrer beruflichen Einbindung die Uhrzeit, zu der sie das erste Mal Incivo® einnehmen wollen – automatisch werden die beiden anderen Zeitpunkte für die Tabletteneinnahme angezeigt. Außerdem enthält die Website viele weitere nützliche Tipps zur Ernährung (auch in Form eines Kochbuches) und zur Hautpflege. |
Ausblick: neue Wirkstoffe in der klinischen Prüfung
Weitere antivirale Substanzen gegen Hepatitis C werden zurzeit in Studien untersucht, darunter auch in Interferon-freien Kombinationstherapien. Experten rechnen damit, dass zwischen 2015 und 2016 die ersten Interferon-freien Kombinationstherapien die Marktreife erlangen könnten.
In einer Phase-I-Studie wurde Danoprevir, ein Inhibitor der HCV NS3/4A-Protease, in Kombination mit der Substanz RG7128, ein nukleosidischer Polymerase-Inhibitor, erfolgreich an therapienaiven Patienten mit Genotyp 1 bzw. solchen, bei denen die Interferon-basierte Standardtherapie versagt hatte, getestet.
Mit dem von der Firma Gilead entwickelten Nukleotid-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir konnte kürzlich eine Phase II-Studie erfolgreich abgeschlossen werden. Sie hatte unter anderem ergeben, dass Sofosbuvir bei therapienaiven Patienten der Genotypen 1, 2 und 3 über einen Zeitraum von zwölf Wochen effektiv ist.
In Phase III befinden sich der NS5A-Polymerase-Hemmer Daclatasvir und der NS3-Polymerasehemmer Asunaprevir (beide Bristol-Myers Squibb). Ebenfalls in Phase III wird derzeit Faldaprevir, ein HCV-NS3/4A-Protease-Inhibitor, geprüft. Studien der Phase IIb zur Interferon-freien HCV-Therapie zeigen nach einer Mitteilung der Firma Boehringer Ingelheim Heilungsraten von bis zu 85%. Eingeschlossen waren Patienten mit den am häufigsten verbreiteten Genotypen 1a und 1b, Faldaprevir wurde darin einmal täglich oral eingenommen.
Die klinische Entwicklung des Cyclophyllin-Inhibitors Alisporivir des Schweizer Pharmakonzerns Novartis wurde im April 2012 nach einem ungeklärten Todesfall bei einer klinischen Studie durch die US-Arzneimittelbehörde FDA vorerst gestoppt. In der Studie war Alisporivir in Kombination mit Peginterferon und Ribavirin getestet worden.
QuelleEpidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI), Nr. 38 vom 24. September 2012.Fachinformation Incivo®, Stand März 2012.Fachinformation Victrelis®, Stand November 2012.Fachinformation Rebetol®, Stand April 2012.Fachinformation Copegus®, Stand Juli 2012.Website der Deutschen Leberhilfe e.V., www.leberhilfe.org Website der Deutschen Leberstiftung e.V., www.deutsche-leberstiftung.de Hepatitis C, RKI-Ratgeber für Ärzte vom Robert Koch-Institut (RKI), Stand Januar 2012.Gane E, et al. Oral combination therapy with a nucleoside polymerase inhibitor (RG7128) and danoprevir for chronic hepatitis C genotype 1 infection (Inform-1): a randomised, double-blind, placebo-controlled, dose-escalation trial. Lancet (2010) 376, 1467 – 1475.Gane EJ, et al. Nucleotide polymerase inhibitor sofosbuvir plus ribavirin for hepatitis C. N Engl J Med. 2013 Jan 3; 368(1): 34 – 44. doi: 10.1056/NEJMoa1208953.Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und des Kompetenznetzes Hepatitis, Stand September 2009 (wird derzeit überarbeitet, Fertigstellung 06/2013 geplant)
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
DAZ 2013, Nr. 9, S. 48
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