Phytotherapie

Erkältungshusten

Von falschen Hoffnungen und wirksamen Phytopharmaka

Sabine Werner | Die Therapie eines hartnäckigen Erkältungshustens ist eine alltägliche Beratungssituation in der Apotheke. Häufigste Ursache ist eine akute Infektion der oberen Atemwege. Da auch ein banaler Erkältungshusten oft quälend ist, erwartet der Patient in der Apotheke Hilfe, vor allem bei einer längeren Krankheitsdauer. Dass die Erwartungen von Patienten an die Geschwindigkeit, mit der ein Erkältungshusten wieder abklingt, meist falsch sind, zeigte eine Studie aus den USA.

Der Arbeitskreis um den Epidemiologen Mark H. Ebell ließ 493 Erwachsene die Symptomdauer bei Atemwegsinfekten mit Leitsymptom Husten schätzen. Im Durchschnitt tippten sie dabei auf einen Zeitraum von 6,5 bis 9,3 Tagen. Die Auswertung mehrerer Studien ergab jedoch eine tatsächliche durchschnittliche Krankheitsdauer von 17,8 Tagen – also rund doppelt so lang wie von den Patienten erwartet [1].

Hintergrund der Studie war die Frage, wie lange ein von Husten geplagter Patient abwartet, bevor er zum Arzt geht und diesen um die Verschreibung eines Antibiotikums bittet. In den USA ist die Verschreibungsrate von Antibiotika bei Infektionen der Atemwege noch deutlich höher als in Deutschland – die Autoren berichten von 50% aller Patienten die den Arzt aufsuchen. Als eine mögliche Ursache wird die fordernde Erwartungshaltung vieler Patienten diskutiert – eine These die durch die Ergebnisse der neuen Studie gestützt wird, da die meisten Patienten die Krankheitsdauer offensichtlich falsch einschätzen und ungeduldig werden.

Der größte Teil der Atemwegsinfektionen ist viral bedingt. Hier ist eine Antibiotikatherapie nicht sinnvoll. Das belegt auch eine aktuelle Studie, die zeigt, dass erwachsene Patienten mit einer unkomplizierten Bronchitis nicht von einer Therapie mit Amoxicillin profitieren (siehe Artikel "Antibiose bei Bronchitis?" in dieser Ausgabe der DAZ). Für eine bakteriell bedingte akute Bronchitis errechneten Cochrane-Reviewer unter einer Antibiotikatherapie nur eine mittlere Verkürzung der Krankheitsdauer um 0,58 Tage [2] – die der Patient mit dem Risiko von Nebenwirkungen, vor allem der Schädigung der natürlichen Bakterienflora von Darm und Scheide, mit dem Risiko allergischer Reaktionen und mit einer erhöhten Rezidivneigung bezahlen muss. Für das Gesundheitssystem bedeuteten diese unnötigen Antibiotikatherapien unnötige Kosten und ein gesteigertes Risiko einer Resistenzentwicklung bei den Erregern. Somit ist auch eine gelbgrüne Verfärbung des Sekrets – früher als Hinweis auf eine bakterielle Infektion als Startsignal für eine Antibiotikatherapie gewertet – keine Indikation für eine Antibiotikatherapie.

Blickt man auf die Situation in Deutschland, so werden hier deutlich weniger Antibiotika verschrieben als in den USA. Eine Studie des Robert Koch-Instituts in Zusammenarbeit mit der Berliner Charité ergab immerhin eine Verschreibungsrate von 18% Antibiotika bei Patienten die wegen Atemwegsinfekten den Arzt aufsuchten [3]. Von den deutschen Patienten scheint keine starke Erwartungshaltung hinsichtlich Antibiotikaverschreibung auszugehen, über 90% der 1076 befragten Patienten gaben an, Antibiotika nur zu nehmen wenn es ihnen absolut notwendig erscheint. Und selbst von den 10,5%, die die Verschreibung eines Antibiotikums wünschten, gaben drei Viertel an, sie würden darauf verzichten, wenn der Arzt das Antibiotikum für unnötig hält. Immerhin 41% der Patienten wissen, dass Antibiotika bei Erkältungen oder Grippe nicht wirksam sind.

Bis zu acht Wochen Husten sind normal

Was nehmen wir von diesen Ergebnissen mit in den Apothekenalltag? Zunächst die Information, dass ein Husten, der "nach einer Woche noch nicht weg ist" ein ganz normaler Erkältungshusten ist und noch keinen Grund für einen Arztbesuch darstellt. Ausnahmefälle, in denen sofort ein Arzt aufgesucht werden sollte, sind im Kasten "Grenzen der Selbstmedikation" zusammengestellt. Die S3-Leitlinie zur Therapie erwachsener Patienten mit Husten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) [4] setzt den zeitlichen Rahmen sogar noch etwas großzügiger an als die Epidemiologen aus Georgia: Der infektionsbegleitende Husten kann bei einer akuten Bronchitis bis zu vier Wochen dauern. In dieser Zeit ist der Hustenreiz wichtig als zusätzlicher Reinigungsmechanismus zur mukoziliären Clearance, er wird benötigt um überschüssiges oder stark viskoses Sekret aus den Atemwegen zu entfernen. Der akuten Infektion anschließen kann sich ein postinfektiöser Husten, der bis acht Wochen nach Erkrankungsbeginn anhalten kann. Als Ursache für letzteren werden eine vorübergehende Steigerung der bronchialen Reaktionsbereitschaft oder eine Schädigung des Bronchialepithels durch die Infektion diskutiert. Auch ein postinfektiöser Husten bedarf keiner medikamentösen Therapie, er ist selbstlimitierend.

Husten – Grenzen der Selbstmedikation


  • Abhusten von blutigem oder eitrigem Sekret

  • Schmerzen in der Brust

  • Atemnot

  • hohes Fieber

  • Verdacht auf allergische Erkrankung der oberen Atemwege (Husten meist kombiniert mit Juckreiz und Niesanfällen)

  • Verdacht auf Aspiration eines Fremdkörpers (vor allem Kinder, ältere Personen; plötzliches Einsetzen des Hustens)

  • Husten nach Einatmung giftiger Dämpfe (Arbeitsunfall; Verdacht auf "Schnüffler"; Achtung: ein Lungenödem kann sechs bis 48 Stunden nach einem beschwerdefreien Intervall auftreten!)

  • Aufenthalt in Ländern mit hoher Tbc-Prävalenz, Tbc-Kontaktpersonen

  • ältere Patienten (> 75 Jahre)

  • Immunsupprimierte Personen (HIV-Infizierte!)

  • extrem starke Raucher

  • anamnestisch bekanntes Malignom

  • Einnahme von Medikamenten, die als Nebenwirkung zu Reizhusten führen, z. B. ACE-Hemmer

Hustenmittel – wenig Evidenz

Also "abwarten und Tee trinken"? Genau das will der Kunde, der mit quälendem Erkältungshusten die Apotheke aufsucht, nicht. Leider fällt das Urteil der DGP-Leitlinie für die meisten OTC-Präparate mit Indikation Husten eher verhalten aus. Zu den wenigsten Präparaten gibt es klinische Studien, die heutigen Ansprüchen an eine evidenzbasierte Therapie genügen.

Hustenmittel lassen sich in zwei Gruppen einteilen, die Expektoranzien gegen produktiven Husten einerseits, die Antitussiva gegen einen nicht-produktiven ("trockenen") Husten andererseits. Bei produktivem Husten ist das Hauptziel der Therapie, das Sekret aus den Atemwegen zu entfernen, so dass die Hustenrezeptoren nicht mehr gereizt werden und der Hustenreiz gemindert wird. Lange galt der Grundsatz, dass eine gleichzeitige Einnahme von Antitussiva kontraindiziert sei, da sie das Abhusten des gelösten Sekrets verhindern würde. Hier hat für die Indikation Erkältungshusten in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Bei akuten Infekten ist im Normalfall die abzuhustende Sekretmenge so gering, dass trotz einer schleimlösenden Therapie nicht auf Antitussiva verzichtet werden muss, die Kombination von Sekretolyse tagsüber und Hustendämpfung nachts hat sich sogar als positiv für den Krankheitsverlauf erwiesen [4]. Anders verhält es sich bei chronischen Erkrankungen der Atemwege, die mit erhöhter Schleimproduktion einhergehen, z. B. COPD, hier kann die Kombination aus Expektorans und Antitussivum zu einem gefährlichen Sekretstau führen.

Chemische Expektoranzien, in Deutschland vor allem Acetylcystein und Ambroxol, werden von den Autoren der DGP-Leitlinie aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse aus den vorliegenden Studien eher kritisch bewertet. Patienten geben eine subjektive Besserung an, die Krankheitsdauer wird jedoch durch chemische Expektoranzien nicht verkürzt.

Empfehlung: Phytopharmaka

Eine Empfehlung spricht die DGP-Leitlinie dagegen für die Therapie des Erkältungshustens mit Phytopharmaka aus. Für die Kombinationen Thymiankraut und Efeublätter beziehungsweise Thymiankraut und Primelwurzel liegen placebokontrollierte, doppelblinde, randomisierte Studien vor, die die Wirksamkeit sowohl hinsichtlich der Häufigkeit der Hustenanfälle als auch hinsichtlich der Krankheitsdauer belegen. Thymiankraut wird aufgrund seiner expektorierenden, bronchospasmolytischen und antimikrobiellen Wirksamkeit eingesetzt, Efeublätter und Primelwurzel wirken zusätzlich expektorierend.

Unter der Kombination Thymiankraut/Efeublätter nahm bei guter Verträglichkeit die Zahl der Hustenanfälle während einer akuten Bronchitis nach einer Woche um 69% ab (signifikant im Vergleich zu 48% unter Placebo), die Kombination Thymiankraut/Primelwurzel schnitt ähnlich gut ab [5, 6]. An Tag 10 war in der behandelten Gruppe die Zahl der Hustenanfälle um 96% zurückgegangen, in der Placebogruppe nur um 75%, die Krankheitsdauer wird also deutlich verkürzt. Aufgrund dieser Daten sprechen die Autoren der DGP-Leitlinie eine starke Empfehlung für die pflanzlichen Kombinationspräparate aus. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse von Studien mit Phytopharmaka nur für das getestete Präparat gelten, nicht auch automatisch für die untersuchten Pflanzen generell, da die Extraktionsmethoden, die Standardisierung und der Herstellungsprozess allgemein einen entscheidenden Einfluss auf die Wirkung haben. Die Tabelle gibt eine Übersicht über die gängigen Präparate mit den positiv bewerteten Inhaltsstoffen.

Auswahl an Phytopharmaka für die Hustentherapie. [Rote Liste online, Stand 28.1.2013]

Inhaltsstoffe
Beispiele für OTC-Präparate (die in den positiv bewerteten Studien untersuchten Präparate sind fett gedruckt)
Thymian + Primelwurzel
Bronchicum® Elixier; Kapseln; Tropfen
Bronchipret ® TP Filmtabletten

Expectysat® N Bürger Flüssigkeit
Phytobronchin® Saft
Thymian + Efeu
Bronchipret ® Saft TE; Tropfen
Thymian (Monopräparate)
Aspecton® DS Hustensaft / Hustentropfen
Biotuss® Hustensaft
Bronchipret® Thymianpastillen
Expectysat® T Bürger Saft
GeloBronchial® -Saft
Hustagil® Thymian-Hustensaft; Thymiantropfen
Melrosum® Hustensirup
Pertussin® Sirup
Soledum® Hustensaft; Hustentropfen
Thymian-ratiopharm® Hustensaft
Thymiverlan®
Tussiflorin® Thymian
Efeu (Monopräparate)
Bronchostad® Hustenlöser Sirup; Tropfen
Esberitox® Hustensaft
Hedelix® Husten-Brausetabletten, Hustensaft, Tropfen
Prospan® Husten-Brausetabletten, Hustensaft,
Hustenliquid, Hustentropfen, Husten-Lutschpastillen

Chemische Antitussiva werden in Übersichtsartikeln ebenfalls kritisch bewertet. Hustenblocker wie Dextromethorphan oder Pentoxyverin haben laut DGP-Leitlinie bei akuten Infektionen der Atemwege und beim postinfektiösen Husten eine Wirkung auf Placeboniveau. Nachteilig sind die verminderte Reaktionsfähigkeit, die als Nebenwirkung auftreten kann, sowie die Gefahr einer Atemdepression bei Überdosierung. In den letzten Jahren wurden steigende Zahlen an Missbrauchsfällen dokumentiert, da Dextromethorphan in extremer Überdosierung zu Euphorie und Wahrnehmungsveränderungen führen kann. Einkäufe größerer Mengen oder wiederholte Einkäufe – besonders von Jugendlichen – sollten daher vom Abgebenden kritisch hinterfragt werden und gegebenenfalls ein anderes Antitussivum angeboten werden [7].

Schleimdrogen und Zucker als Antitussiva

Auch bei den Antitussiva haben die Phytopharmaka die Nase vorn. Eingesetzt werden verschiedene Schleimdrogen wie Isländisches Moos, Eibischwurzel oder Spitzwegerichkraut. Schleimstoffe vermindern den Hustenreiz über eine Einhüllung der Hustenrezeptoren in Mund und Rachen. Die DGP-Leitlinie verweist auf den in Säften und Lutschbonbons enthaltenen Zucker als wirksame Substanz. Unterstützt wird diese Theorie durch eine kleine Studie, die im Frühjahr 2012 von einem Arbeitskreis aus Philadelphia durchgeführt wurde und die einen ganz neuen Blick auf das Thema Hustenbonbons wirft: Gegen künstlich induzierten Hustenreiz half hier banales Zuckerwasser besser als Menthol, ein "klassischer" Inhaltsstoff von Hustenbonbons [8]. Ein Argument, trotz Sorge um die Zähne in Zukunft öfter zu zuckerhaltigen Hustenbonbons bzw. Hustensäften zu greifen.

Beliebt und bewährt: Hausmittel

Die Wirksamkeit der zahlreichen Hausmittel gegen Erkältungshusten ist meist nur empirisch ermittelt. Trotzdem können einige Hausmittel bedenkenlos empfohlen werden, da sie das Wohlbefinden der Patienten subjektiv bessern und gut verträglich bzw. nebenwirkungsfrei sind. Beispiele sind die Wasserdampfinhalation (20 Minuten bei 43°C Wassertemperatur), wenn keine Allergie gegen Korbblütler vorliegt eventuell unter Zusatz von Kamillenblüten, oder die Anwendung von trockener oder feuchter Wärme. Die Wirksamkeit eines von der WHO empfohlenen Hausmittels wurde kürzlich in einer Studie in Israel untersucht und belegt: Eine Studie an Kindern mit Erkältungshusten zeigte dass 10 g Honig vor dem Einschlafen die Kinder besser schlafen lässt und die einzelnen Hustenattacken weniger quälend sind [9]. Somit kann Honig für Kinder, die älter als zwölf Monate sind, als preisgünstiges und wohlschmeckendes Antitussivum eingesetzt werden.


Quelle

[1] Ebell M H, et al. How Long Does a Cough Last? Comparing Patients’ Expectations With Data From a Systematic Review of the Literature, Annals of Family Medicine 2013; 11: 5 – 13.

[2] Smucny J, et al. Antibiotics for acute bronchitis. Cochrane Database Syst Rev 2004; CD000245.

[3] Faber M. S, et al. Antibiotics for the common cold: Expectations of Germany’s general population; Euro Surveill. 2010 (35) 15: 1 – 7.

[4] Kardos P, et al. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit akutem und chronischem Husten, Pneumologie 2010; 64: 336 – 373.

[5] Kemmerich B, et al. Efficacy and Tolerability of a Fluid Extract Combination of Thyme Herb and Ivy Leaves and Matched Placebo in Adults Suffering from Acute Bronchitis with Productive Cough, Arzneim.-Forschung/Drug Res. 2006; 9: 652 – 660.

[6] Kemmerich B et al., Evaluation of Efficacy and Tolerability of a Fixed Combination of Dry Extracts of Thyme Herb and Primrose Root in Adults Suffering from Acute Bronchitis with Productive Cough, Arzneim.-Forschung/Drug Res. 2007; 9: 607 – 615.

[7] AMK-Information: Risikoabwehr bei Missbrauchsverdacht von Dextromethorphan-haltigen Arzneimitteln durch Jugendliche; 2. Oktober 2012.

[8] Stein L, Sweet Minty Relief for Cough, Information des Monell Chemical Senses Center, June 11, 2012.

[9] Cohen HA, et al. Effect of honey on nocturnal cough and sleep quality: A double-blind, randomized, placebo-controlled study. Pediatrics 2012; 130: 465 – 471.


Weitere Literatur bei der Verfasserin.


Anschrift der Verfasserin

Apothekerin Dr. Sabine Werner, Berufsfachschule für PTA, Chiemgaustr. 116, 81549 München



DAZ 2013, Nr. 6, S. 58

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