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Diagnose Krebs – und dann?

Impulse und Hilfen

Für jeden betroffenen Menschen, egal ob als Patient oder Angehöriger, hat die Diagnose Krebs gravierende Auswirkungen. Sie macht depressiv, unsicher, oft sprachlos. Umso wichtiger ist es, ihnen kompetente Angebote fachlicher Hilfe und menschlicher Begleitung zu geben. Einen Dreiklang aus pharmazeutischen und medizinischen Aspekten sowie adäquater Kommunikation bot die 21. Jahrestagung der Fachgruppe "Christen in der Pharmazie" vom 12. bis 14. April in Brotterode/Thüringen.
Ricarda Köllner Foto: Claudia Gehrhardt

Pharmazeutische Unterstützung

Oft sind es die kleinen Dinge, die für die Angehörigen im Umgang mit Krebspatienten wichtig sind. So empfahl Apothekerin Ricarda Köllner, Krankenhausapothekerin aus Chemnitz, intensive Gerüche zu meiden. Kalte Speisen werden besser vertragen als warme oder heiße Getränke. So sollte die Apotheke darauf achten, dass bei akuter Mukositis oder Stomatitis nur alkoholfreie Mundwässer und Gurgellösungen zur Anwendung kommen, um Reizungen zu vermeiden. Das Lutschen von Eiswürfeln wirkt erleichternd durch die resultierende Vasokonstriktion. Am besten eignet sich pürierte Kost, ansprechend präsentiert. Kohlensäurehaltige und alkoholische Getränke werden in dieser Krankheitsphase besser gemieden.

Sowohl Diarrhö unter der Chemotherapie als auch Obstipation, auch durch Opiat-Schmerzmittel verursacht, können durch die fachkundige Beratung in der Apotheke gelindert werden.

Sehr häufig tritt Fatigue als Therapie-Nebenwirkung auf. Sie kann von anderen Erschöpfungszuständen dadurch abgegrenzt werden, dass es keine Besserung durch Ausschlafen oder Schonung gibt. Teilweise ist Fatigue auch anämieinduziert.

Als Folge neurotoxischer Nebenwirkungen der Chemotherapie halten Sensibilitätsstörungen teilweise noch Monate nach dem Therapieende an. Hier können analog zur diabetischen Neuropathie B-Vitamine eine Besserung erreichen.

Komplementäre Methoden

Bei den Methoden der komplementären, alternativen Medizin werden nach Untersuchungen nur 25% der Produkte in der Präsenz-Apotheke gekauft. Und ein Viertel alle Patienten, die komplementäre Methoden verwenden, haben sechs und mehr Methoden parallel eingesetzt.

Dabei besteht natürlich auch die Gefahr, dass z. B. durch Radikalfänger oder Antioxidanzien, die Chemotherapie beeinträchtigt wird. Hier zeigt sich der große Beratungsbedarf für die Apotheke. Nur durch fachgerechte Aufklärung kann der Wunsch des Patienten, viel für die Genesung zu tun, in Einklang mit der Therapie gebracht werden. Spurenelemente und Vitamine sollten daher möglichst nur in der Erholungsphase nach der Chemotherapie zum Einsatz kommen. Der Einsatz von Selen ist stark rückläufig.

Köllner zitierte für die Bewertung komplementärer Methoden die Prüfsteine nach Prof. Dr. med. Münstedt:

  • Unseriöse Ansätze sind meist exotischer Herkunft und haben keine kontrollierten Studien vorzuweisen. Sie besitzen keine Arzneimittelzulassung und wirken aber (behauptet!) gegen eine Vielzahl von Erkrankungen (Omnipotenz). Sie bieten Heilung, wenn die Schulmedizin versagt und sind in der Regel nebenwirkungsfrei.
  • Häufig steht die Person des Erfinders oder Entwicklers im Focus. Besonders komplizierte Anwendungsvorschriften ermöglichen, dass eventuelle Misserfolge auf (angebliche) Anwendungsfehler zurückgeführt werden können. Überdies sind oft exorbitante Behandlungskosten festzustellen.

Ebenso ist die Ernährungsberatung durch die Apotheke von Bedeutung. Eine Menge obskurer Krebsdiäten findet gerade durch das Internet Verbreitung. Dadurch können Mangelzustände produziert werden, die den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen.

Köllner empfahl hierzu das Buch: "Die neue Ernährung bei Krebs" von Oliver Kohl und Carola Dehmel.

Zur Weitergabe an die Patienten eignen sich sehr gut die "Blauen Ratgeber" der Deutschen Krebshilfe.

Dr. Sonja Küster Foto: Claudia Gehrhardt

Therapeutische Möglichkeiten

Trotz aller Forschungserfolge ist vieles an der Krebsentstehung (noch immer) unklar. Warum und wann welches Gen mutiert und zum Onkogen wird, kann nicht vorhergesagt werden. Genauso gibt es für mögliche Therapieerfolge nur Aussagen zur Wahrscheinlichkeit. Im Alter steigt das Risiko an Krebs zu erkranken, aber durch den langsamen Stoffwechsel wächst der Krebs nicht mehr so aggressiv. Daher führt bei alten, an Krebs erkrankten Patienten häufig gar nicht der Krebs, sondern andere Ursachen zum Tod.

Zu Ursachen und Therapiemöglichkeiten referierte Palliativmedizinerin Dr. Sonja Küster, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Freudenstadt.

Bei der kurativen Therapie ist das Ziel, die Krebserkrankung zu heilen, auch wenn das vorübergehende oder irreversible Nebenwirkungen nach sich ziehen kann. Hier sind neben der klassischen Chemotherapie und der Bestrahlung auch Antikörpertherapien (Herceptin), antihormonelle Therapien (Tamoxifen, Aromatasehemmer) oder Bisphosphonate (zur Verhinderung von Knochenmetastasen) im Einsatz.

Je nach Krebsart, Klassifikation und Lebensalter des Patienten sollte immer individuell abgewogen werden, ob eine Chemotherapie bezüglich Überlebensrate und Rezidivwahrscheinlichkeit einen sinnvollen Benefit liefert, so Küster.

Palliative Symptomkontrolle

Davon zu unterscheiden ist die palliative Therapie (abgeleitet von lat. "pallium" = Mantel).

Hier ist es das Ziel, den Progress der Krankheit aufzuhalten und/ oder Lebensqualität zu erhalten. Dabei muss der eventuelle Gewinn an Lebenszeit mit dem Einfluss auf die Lebensqualität gegeneinander abgewogen werden.

Die Vorreiterin der Palliativmedizin Cicely Saunders hat dazu den Grundsatz geprägt: "Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben."

Küster ermutigte die Patientenkompetenz zu stärken, gerade durch die kompetente Information und Beratung vonseiten der Apotheke. Die daraus erfolgte Entscheidung des Patienten sollte dann aber immer akzeptiert werden.

Neben den therapeutischen Ansätzen der kurativen Therapie kommen in der medikamentösen Palliativtherapie zunehmend auch Antikörper gegen Rezeptoren von Wachstumsfaktoren und Tyrosinkinase-Inhibitoren zum Einsatz.

Insbesondere in der Schmerztherapie braucht der Patient umfassende Betreuung, die immer aus Dauer- und Bedarfsmedikation bestehen sollte. Schmerzpflaster sind oft zu träge und unflexibel in der Wirkung. Daher eignen sie sich gerade im Endstadium weniger zu einer adäquaten Schmerztherapie. Dabei ist es sehr wichtig den Teufelskreis von Schmerz, Angst und Anspannung zu durchbrechen. Dazu kann auch Entspannung zur Ablenkung dienen.

Vier Säulen der Palliativmedizin

Küster betonte die Gleichwertigkeit der vier Säulen der Palliativmedizin. Es geht darum, auf allen vier Ebenen den Bedürfnissen und Problemen des Patienten zu begegnen. Dies sind:

  • Physische Bedürfnisse (z. B. Schmerz, Übelkeit, Atemnot, Unruhe).
  • Psychische Bedürfnisse (z. B. Zuwendung in der Pflege).
  • Soziale Bedürfnisse (z. B. Teilnahme an sozialer Gemeinschaft, wenn möglich, Verbleib im Kreis der Familie).
  • Spirituelle Bedürfnisse (z. B. Fragen nach dem Lebensende, nach dem Sinn).

In der palliativen Symptomkontrolle ist es wichtig, diese verschiedenen Bedürfnisse auch als Ursache der Symptome wahrzunehmen. Im Sinn des "Total-pain"-Konzeptes kann der Schmerz sowohl Ausdruck physischer als auch seelischer Schmerzen sein.

Auch Erbrechen kann Ausdruck seelischer Not sein. Gute Erfahrungen gibt es hier laut Küster damit, neben den üblichen Antiemetika MCP und Dimenhydrinat sowie den 5-HT3-Blockern, auch mit niedrig dosiertem Haloperidol (3 × 0,5 mg) zu kombinieren.

Atemnot wird über den erhöhten CO2-Partialdruck vermittelt, bevor der erniedrigte Sauerstoffpartialdruck zum Problem wird. Patienten reagieren bei Atemnot mit schnellem und flachem Atmen, was die Atemnot dann verschlimmert und in einen Teufelskreis führt. Deshalb sollte tief und langsam geatmet werden, eine Sauerstofftherapie ist selten notwenig und sinnvoll.

Es ist sehr wichtig, dass Angehörige sowohl über die allgemeine Begleitung im Verlauf der Krankheit als auch über das Verhalten in bestimmten Situationen, z. B. bei Atemproblemen oder Unruhe informiert werden. Auch hier kann die Apotheke wichtige Dienste leisten.

Sehr treffend wird das Anliegen der Palliativtherapie in dem Zitat von Derek Doyle beschrieben:

"In einer Welt, die so viel Wert auf Sicherheit legt, verkündet Palliativ Care, dass der Mensch mit Unsicherheit leben und geradezu aufblühen kann, vorausgesetzt, dass er respektiert und geliebt wird als Mitmensch auf dieser unsicheren Reise, die wir Leben nennen."

Küster ergänzte aus eigener Erfahrung: "Gegen die Angst der Seele hilft nur die Liebe Gottes, die er uns ins Herz geben will."

Impulse zur Kommunikation

Küster empfahl für die Kommunikation in der Apotheke nicht nur auf der Sachebene zu bleiben. Für die Patienten und ihre Umgebung ist die Beziehungsebene sehr wichtig. Die durch die Krebserkrankung begrenzte Lebenszeit, macht diese Zeit gleichsam wertvoll. Diesen Wert gilt es zu entdecken.

In der Regel wollen die Patienten über ihr Ende reden. Viele Angehörige bedauern später, dass sie zu wenig geredet haben.

Ebenso gehören die spirituellen Bedürfnisse der Patienten zur palliativen Betreuung. Viele Patienten kämpfen mit der Sinnfrage oder suchen Ursachen für ihre Krankheit. Oft gibt es auf diese Fragen keine letzte Antwort.

Küster empfahl, die Patienten auch nach ihrem Glauben zu fragen und sie darin zu ermutigen.

Ehrliche Nachfragen zum Ergehen in dieser Situation wirken wohltuend. Auch die Angehörigen brauchen Ermutigung und Zuspruch in der oft anstrengenden Betreuung Schwerkranker.

Für den pharmazeutischen Alltag ist es deshalb gleichermaßen wichtig, das Gespräch mit Patienten oder Angehörigen sowohl über die Therapie (Nebenwirkungen, Wechselwirkungen) als auch über das persönliche Befinden zu führen.

Küster ermutigte als Ärztin die anwesenden Pharmazeuten dazu, immer wieder auch den Kontakt mit dem Arzt zu suchen, z. B. bei Lieferverzögerungen, Alternativvorschlägen für die Medikation, versehentlich vergessener Antiemetika oder Laxanzien bei der Opiattherapie oder anderen Unsicherheiten und Unklarheiten.

Zu diesem Wochenende waren über 50 Pharmazeutinnen und Pharmazeuten aus ganz Deutschland, darunter auch Studierende, nach Brotterode/Thür. gekommen. Die Tagung wurde bei der LAK Thüringen mit acht Fortbildungspunkten akkreditiert.

Jens Kreisel, Plauen

Internet


Die Fachgruppe Christen in der Pharmazie gehört zum Netzwerk der Akademiker-SMD Marburg: www.pharmazie.smd.org

Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen: www.charta-zur-betreuung-sterbender.de

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