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BAK-Präsident Kiefer zieht Zwischenbilanz

Der neue Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, ist nun mehr als hundert Tage im Amt. Ein Anlass, um mit ihm über den Start, seine Ziele und die Herausforderungen dieser Aufgabe zu sprechen. Dazu stellte er sich den Fragen der DAZ-Chefredakteure Dr. Doris Uhl und Dr. Benjamin Wessinger und des DAZ-Hauptstadtkorrespondenten Lothar Klein.
Dr. Andreas Kiefer, Präsident der BAK
Fotos: DAZ/du

DAZ: Herr Kiefer, jetzt sind Sie fast vier Monate im Amt. Die hundert Tage sind jedenfalls um. Wie ist denn Ihr erstes Fazit nach dem ersten Quartal?

Kiefer: Zuerst ein Kaltstart mit der sogenannten Datenklauaffäre, ohne Warmlaufen des Motors auf Vollgas schalten. Dann feststellen, dass der Arbeitsaufwand tatsächlich so hoch ist, wie ich das gefürchtet habe. Und dann feststellen, dass das, was ich mir vorgenommen habe, unterzugehen droht unter der Flut der Alltags- und Organisationsfragen, die die Rolle des Präsidenten der Bundesapothekerkammer mit sich bringt. Das ist der erste Eindruck. Nichtdestotrotz macht mir diese Arbeit auch nach fast vier Monaten immer noch Spaß.


DAZ: Gibt es denn so etwas wie ein Ziel, von dem Sie sagen, dass Sie das in Ihrer Präsidentschaft erreichen wollen – oder gibt es ein Motto, unter das Sie Ihre Präsidentschaft stellen? Friedemann Schmidt hat beispielsweise Transparenz als Motto ausgerufen ...

Kiefer: Mein Ziel ist die bessere innere und äußere Vernetzung der Apotheker. Ich erfahre von vielen Seiten, dass dieses Ziel gut angenommen und unterstützt wird. Meine Aufgabe ist es jetzt, die fachlichen Fragen und Gedanken zu entwickeln und deren Beantwortung und Bearbeitung an allen Stellen zu verkaufen, nicht nur intern, sondern auch extern.


DAZ: Das heißt, Sie wollen offensiver die Themen in der Öffentlichkeit präsentieren und die Stimme der BAK lauter zur Geltung bringen, als es bisher der Fall war …

Kiefer: Ich möchte die pharmazeutischen Antworten zu den Themen der Qualitätssicherung in der Arzneimittelversorgung in den Mittelpunkt stellen und zwar sowohl auf dem Gremienweg, dem Fachgruppenweg, wo die Antworten erarbeitet werden, als auch nach außen in den Medien. Dieses innere und äußere Netz werde ich ausbauen.


DAZ: Haben Sie ein politisches Ziel, dass Sie beispielsweise sagen, am Ende meiner Präsidentschaft sind alle Apotheken QMS-zertifiziert oder dass Sie sagen, in den vier Jahren müssen wir noch mal die Apothekenbetriebsordnung an bestimmten Stellen nachjustieren?

Kiefer: Mir ist es wichtig, ganz konkret die Qualitätssicherung der Arzneimittelversorgung ins Visier zu nehmen. Das bedeutet, deutlich die Fragestellungen der Gesellschaft an die Apotheker herauszuarbeiten und Antworten zu geben. Was meint die Gesellschaft mit dem Auftrag der Arzneimittelversorgung an uns, und füllen wir diesen auch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger aus? Das mündet praktisch in die Erarbeitung eines neuen Leitbilds.


DAZ: Werden wir einmal konkret. Die CDU, also eine wichtige Partei, die zurzeit Regierungspartei ist, hat sich die Versorgungsproblematik ins Parteiprogramm geschrieben und denkt darüber nach, die Arzneimittelversorgung auf dem Lande durch mobile Systeme zumindest zu ergänzen, Stichwort Apothekenbus, der über Land fährt. Wie stehen Sie zu diesem Ansatz als Kammer, ist das sinnvoll?

Kiefer: Das ist ganz konkret ein Beispiel dafür, wie wichtig das Werkzeug der Vernetzung ist. Vernetzung würde an dieser Stelle bedeuten, dass die CDU die Bundesapothekerkammer einlädt und solche Fragen mit ihr diskutiert. Das Versorgungsnetz der Apotheken in Deutschland ist tragfähig und sicher, dennoch gibt es Ängste bei den Bürgern weil die Zahl der Apotheken sinkt. Direkt zum Thema Apothekenbus: das ist reiner Aktionismus. Positiv könnte man formulieren, die CDU habe das Thema besetzt, eine Frage gestellt. Richtig wäre aber vorher zu fragen, haben wir überhaupt einen Notstand in der Arzneimittelversorgung? Den haben wir nicht, also brauchen wir auch keinen Apothekenbus.


DAZ: Ein Maßstab dafür, was die Gesellschaft denkt, wie Arzneimittelversorgung sein soll, sind ja Gesetze als Ausfluss dessen. Jetzt haben wir die neue Apothekenbetriebsordnung seit fast einem Jahr. Sind Sie damit zufrieden oder sagen Sie, sie ist nicht weit genug oder zu weit gegangen?

Kiefer: Der Maßstab sind die Gesetze, das ist in jedem Fall richtig. Dennoch tangiert die Apothekenbetriebsordnung die Versorgung des einzelnen Menschen nur indirekt. Indirekt deswegen, weil sie sich ja letztlich an den Apothekenbetrieb richtet, also an die bestehende Struktur, und sagt, die Strukturqualität müsst ihr Apotheker so und so sichern.


DAZ: Jetzt geht es um die Qualität …

Kiefer: Ja genau, und unter diesem Gesichtspunkt bin ich zufrieden. Das heißt, auf der Grundlage der neuen Apothekenbetriebsordnung ist uns wirklich die Möglichkeit gegeben, uns unter dem Versorgungs-Qualitätsgedanken weiterzuentwickeln.


DAZ: Mancher Kollege, der unter den Dokumentationen zu den Rezepturen, die er neuerdings machen muss, stöhnt, wird dies anders sehen …

Kiefer: Ich weiß das und oft haben sie Recht. Die Forderungen rund um die Dokumentation der Arzneimittelherstellung in der Apotheke – sprich Rezeptur- und Defekturarzneimittel – hätten wesentlich mehr Freiheitsgrade verdient. Diesbezüglich ist auch jede Leitlinie der BAK besser und praxisnäher als die Apothekenbetriebsordnung. Jetzt ist alles pauschaliert. Jede Kamillenteeabfüllung im Voraus wird als Defekturarzneimittel gleichgesetzt mit der Herstellung von monatlich 50 sterilen Augentropfen. Das ist leider so.


DAZ: Wann werden Sie denn die Initiative zu Korrekturen ergreifen?

Kiefer: Schon jetzt. Aber nicht in einem großen Wurf, sondern da wo ich wirklich die Versorgung beeinträchtigt sehe. Zum Beispiel sehe ich bei den Regelungen rund um die Parenteralia-Herstellung die meisten Schwierigkeiten. Ein weiteres Problem ist die Definition und die Forderung nach der Barrierefreiheit. Aber die werden nicht mehr zurückgenommen werden und die Umsetzung muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Die meisten Vorgaben im Rahmen der pharmazeutischen Tätigkeiten finde ich in Ordnung.


DAZ: Stichwort Freiheitsgrade. Nach landläufiger Auffassung ist ja der Gesundheitsmarkt der einzig hinlänglich boomende Wirtschaftssektor auf absehbare Zeit, wollen Sie, dass sich Apotheker an diesem wachsenden Markt Anteile verschaffen?

Kiefer: Die Frage stelle ich mir so nicht. Es ist nicht Aufgabe der Apotheker, sich Markteintritt in allen Bereichen zu verschaffen. Das heißt, aus ökonomischer Perspektive reicht die Arzneimittelversorgung als Aufgabenbereich. Und der erste Schritt muss sein, immer wieder zu hinterfragen, ob für den Wert der anerkannt hochwertigen Arzneimittelversorgung genügend bezahlt wird. Das System Quersubventionierung durch Renditen in anderen Bereichen des Gesundheitsmarktes klappt nicht.


Vier Monate im Amt Dr. Andreas Kiefer (2. v. r.) im Gespräch mit DAZ-Hauptstadtkorrespondent Lothar Klein (1. v. l.) und den DAZ-Chefredakteuren Dr. Benjamin Wessinger und Dr. Doris Uhl.

DAZ: Die Arzneimittelversorgung muss also zentrale Aufgabe der Apotheker bleiben?

Kiefer: So ist es. Und weil das so ist macht unser Beruf gerade den jungen Berufsangehörigen so viel Spaß. Durch Konzentration auf unsere Kernkompetenz gelingt es auch, Klinische Pharmazie in den Berufsalltag zu integrieren. Das ist ja das, was alle Kunden oft in ihrer Rolle als ratsuchende Patienten wollen. Alle, mit denen ich spreche, von Selbsthilfegruppen über Seniorenbeiräte, sagen, wir wollen, dass sich um uns gekümmert wird.


DAZ: Stichwort Klinische Pharmazie, ist das Studium so ausgerichtet, dass die Anforderungen erfüllt werden können?

Kiefer: Von den neuen Hochschulabsolventen erwarte ich, dass sie das können. Von den Kollegen, in deren Studium die Klinische Pharmazie noch nicht etabliert war, erwarte ich, dass sie sich fortbilden. Diejenigen, die zur zentralen oder dezentralen Fortbildung kommen, die die Fortbildungskongresse besuchen, die wollen das. Oft höre ich Kollegen, die sagen dazu "mein Gott, ist das gut". Denjenigen, die nicht zu den Veranstaltungen kommen, kann ich es natürlich nicht sagen, die wehren sich im Zweifelsfall auch in Foren dagegen.


DAZ: Es wird also keine Zwangsfortbildung Klinische Pharmazie geben?

Kiefer: Freiheitsgrade gelten auch hier. Jeder Apotheker ist für sich selbst verantwortlich, die Leitplanken seines beruflichen Verhaltens stehen in der Berufsordnung. Jeder weiß um den rasanten pharmazeutisch-medizinischen Fortschritt, und tief im Herzen weiß jeder Kollege, jede Kollegin, was seine Kunden, seine Patienten gerade von ihm persönlich und seinen Mitarbeitern verlangen. Und er oder sie weiß auch, wie er sich fortbilden muss, in diesem Wissen steckt der persönliche innere Zwang. Einen weiteren Zwang braucht es nicht.


DAZ: Ihre Einschätzung, dass das Studium ausreichend auf die Anforderungen der Klinischen Pharmazie vorbereitet, wird ja nicht von allen geteilt. Der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sieht durchaus Änderungsbedarf bei der Approbationsordnung.

Kiefer: Das ist kein Widerspruch. Es ist ein ständiger Fluss.


DAZ: Diskutiert wird zurzeit auch die PTA-Ausbildung. Ein an die Öffentlichkeit gelangtes internes Papier der BAK sorgt unter anderem bei PTA-Lehrern und auch der Adexa für Unmut. Vor allem zur Ausbildungsdauer gibt es unterschiedliche Vorstellungen.

Kiefer: Das Gleiche, was wir eben über Apotheker gesagt haben, gilt auch für PTA. Sie müssen sich ebenfalls fortbilden. Auch hier gibt es keinen Stillstand. Wenn wir über Leitbild, wenn wir über Änderungen der Berufsausübung der Apotheker sprechen, dann ist der PTA-Beruf immer direkt mit betroffen. Doch warum muss man da die Ausbildung verlängern? Das verstehe ich nicht, besonders dann nicht, wenn argumentiert wird, wir müssen die Ausbildung verlängern, weil die Allgemeinbildung so schlecht ist. Ich habe den Artikel der PTA-Lehrer zwei Mal gelesen und gedacht, wie meinen die Kollegen das? Die Ausbildung verlängern, weil die Schüler – stark zugespitzt ausgedrückt – nicht ausreichend lesen und schreiben können, und wegen der längeren Ausbildung sollen die Absolventen dann mehr Kompetenzen kriegen? Das macht keinen Sinn. Ich finde die Ausbildung eher attraktiv, weil sie kurz ist. Wir brauchen allerdings die Fort- und Weiterbildung, innerbetrieblich, außerbetrieblich, da bleibt noch viel zu tun. Aber die Ausbildung verlängern um ihrer selbst willen, darin sehe ich keinen Sinn.


DAZ: Wie stehen Sie zu der Forderung, dass mit dem Abschluss der PTA-Ausbildung die Fachhochschulreife erworben wird?

Kiefer: Da habe ich nichts dagegen, aber mir stellt sich die Frage, was wollen die PTA damit? Wenn PTA mit Realschulabschluss Pharmazie studieren wollen, dann können sie das heute schon. Sie können sich als PTA mit Berufserfahrung bei der Hochschule bewerben. Ich finde, man muss da irgendwann mal Ross und Reiter nennen, was die PTA denn wollen und nicht das Vehikel einer Verlängerung der Ausbildung benutzen, um irgendetwas anderes zu wollen, was aber möglicherweise gar nicht den Berufsanforderungen oder Berufszielen entspricht.


DAZ: Zurück zum Anfang. Die Datenklauaffäre hat Ihren Amtsantritt überschattet. Jetzt hat die ABDA die Zusammenfassung des Prüfberichts veröffentlicht. Kommt da noch was nach oder war es das?

Kiefer: Ich habe den Originalbericht noch nicht gelesen, werde es aber wohl noch tun. Unmittelbar nach der Veröffentlichung habe ich die Frage gestellt, wo der Unterschied ist zwischen der zitierten Fassung I und der veröffentlichten Fassung II. Nach der Antwort sah ich keine Veranlassung, sofort die Fassung I zu lesen, da nur private und persönliche, schützenswerte Daten gestrichen wurden. Es wurden ja keine Rechtsverstöße festgestellt.


DAZ: Wie weit überschattet das ihre Bemühungen, das Apothekerimage in der Öffentlichkeit zu verbessern? Wird es durch diese Vorgänge nicht beeinträchtigt?

Kiefer: Überhaupt nicht. Es ist vom ABDA-Präsidenten nach meinem Dafürhalten alles Wesentliche gesagt. Wir wollen uns so aufstellen, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden.


DAZ: Die neue ABDA-Führung besteht ja aus zwei neuen Personen und einem alten Hasen, was bedeutet das für das Teamwork? Läuft es reibungslos, gibt es Meinungsverschiedenheiten?

Kiefer: Gott sei Dank gibt es Meinungsverschiedenheiten. Als BAK-Präsident ist es meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass in der ABDA die Regeln der Kammern eingehalten werden. Ich folge meinem inneren Kompass – das bedeutet auch, dass ich mich weder selbst verbiege noch von anderen verbiegen lasse. Ich setze mich gerne mit anderen Menschen auseinander, aber das empfinde ich als sehr positiv. Dieses Ringen um best practice, das ist gut. Das Teamwork funktioniert immer besser.


DAZ: Herr Dr. Kiefer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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