Literatur

Pharmazeutische Literaturrecherche als Fundament der Beratung

Von Dorothee Dartsch | Gemeinsam mit den Ärzten sollen und wollen wir Apotheker den Patienten so beraten, dass er seine Arzneimittel bestimmungsgemäß einnimmt, um einen optimalen therapeutischen Nutzen zu erzielen. Auch mancher Arzt möchte vom Apotheker Auskunft haben. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, brauchen wir zunächst selbst Informationen über Erkrankungen und Arzneimittel.

Diese Informationen sollen richtig und aktuell und dazu mit möglichst wenig Aufwand zu beschaffen sein. Welche Quellen fallen Ihnen ein, wenn Sie an Arzneimittelinformation denken? Sicherlich die Rote Liste, Fachinformationen, ABDA-Datenbank, Fachbücher und -zeitschriften, Herstellerauskünfte, Leitlinien. Sehen wir uns zunächst an, wie die Information entsteht, die in diesen Werken dargelegt ist, um danach überlegen zu können, wann welche Quelle am besten geeignet ist.

Der Weg des Wissens

Wissenschaftler beschreiben ihre Experimente, Ergebnisse und Schlussfolgerungen in (meist englisch-sprachigen) Fachartikeln. Diese sogenannte Primärliteratur ist sehr detailliert und sehr aktuell. Verschiedene Fachartikel zum selben Thema können sich bestärken, ergänzen, aber oft genug auch relativieren oder widerlegen. Es reicht also gelegentlich nicht, nur eine Arbeit zum Thema gelesen zu haben, um den Stand des Wissens zu erfassen. Hilfreich sind dann gute Übersichtsartikel (Reviews) oder auch Monografien in Datenbanken, die den Stand der Erkenntnisse zusammenfassen. Diese Sekundärliteratur ist, da es sich um eine Zusammenfassung handelt, weniger detailliert und notwendigerweise weniger aktuell als die darin berücksichtigte Primärliteratur. Wenn ein Wissensgegenstand, beispielsweise ein neues Arzneimittel, als ausreichend wichtig erkannt wird, findet er als Tertiärliteratur Eingang in die Fachbücher. Im Vergleich zu den beiden Vorstufen ist die Tertiärliteratur am wenigsten detailliert und am wenigsten aktuell, kann aber als am stärksten abgesichert gelten und ist möglicherweise am verständlichsten dargestellt.

Für einen orientierenden Überblick darüber, welche Symptome ein Gallenstein hervorrufen kann, welche arzneimittelbezogenen Probleme in der Schwangerschaft auftreten können oder wie ein verminderter Hämatokrit-Wert zu beurteilen ist, ist wohl meistens der Blick in ein Fachbuch zum Thema der beste Weg, weil im Umfang ausreichend und am schnellsten geschehen.

Die Fragen, in welcher Dosis Aripiprazol bei Jugendlichen mit Schizophrenie angewandt wird oder ob Zolmitriptan unerwünschte Wirkungen am Herzen hervorrufen kann, lassen sich schnell und sicher durch einen Blick in die Fachinformation beantworten.

Wenn die Fachinformation überfragt ist

Was aber, wenn uns diese Hilfsmittel nicht weiterbringen? Wenn ein Krebspatient eine Bestätigung wünscht, ob sein malignes Melanom adjuvant mit einer Misteltherapie behandelt werden sollte, oder wenn wir einer Rheuma-Patientin Auskunft geben sollen, ob ihre gegen TNF-α gerichtete Therapie ihre Gürtelrose wieder zum Ausbruch bringen könnte?

Für die Beantwortung dieser Beispielfragen brauchen wir Primär- und/oder Sekundärliteratur – für die erste eine Leitlinie, für die zweite Frage Originalartikel.

Beginnen wir mit den Leitlinien, die nicht nur einen Überblick über die derzeit empfohlenen Therapieoptionen, sondern auch über Erkrankung, Prognose und Diagnostik geben. Leitlinien werden von medizinischen Fachgesellschaften herausgegeben und sind zumeist kostenfrei über deren Internetseite verfügbar. Zudem bietet die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) auf ihrer Internetseite einen zentralen "Sammler" für Leitlinien aller Richtungen. Für die Beurteilung der Aussagekraft der Leitlinie und ihrer einzelnen Empfehlungen sind neben ihrer Aktualität die Leitlinienklassifikation, der Empfehlungsgrad und der Evidenzlevel wichtig.

  • Für unsere onkologische Beispielfrage finden wir sehr schnell die Leitlinie "Malignes Melanom: Diagnostik, Therapie und Nachsorge". Sie ist als ‚S3‘-Leitlinie klassifiziert (s. Kasten Klassifizierung von Leitlinien) und klärt uns darüber auf, dass die adjuvante Misteltherapie beim malignen Melanom nicht empfohlen wird. Diese Aussage trägt den Empfehlungsgrad A und den Evidenzlevel 1b. ‚A‘ entspricht einer starken Empfehlung, sie soll umgesetzt werden. ‚B‘ wäre eine Empfehlung, die umgesetzt werden sollte, für ‚0‘ ist die Empfehlung offen, sie kann umgesetzt werden. Die Klassifikation der Evidenz (also der wissenschaftlichen Belegbarkeit durch Studien) erfolgt in fünf Kategorien:
  • Stufe 1 für randomisierte kontrollierte Studien,
  • Stufe 2 für Kohortenstudien ohne Randomisierung und/oder Kontrolle,
  • Stufe 3 für Fall-Kontroll-Studien,
  • Stufe 4 für Fallserien und Kasuistiken und
  • Stufe 5 für nicht evidenzgestützte Expertenmeinungen.

Die Stufen 1 bis 3 werden weiter unterteilt, je nachdem, ob es sich um eine systematische Übersichtsarbeit handelt (a) oder über individuellere Studien (b). Der Evidenzlevel 1b sagt folglich aus, dass es sich um eine Empfehlung handelt, die auf einzelnen randomisierten kontrollierten Studien basiert.


Klassifizierung von Leitlinien


S1 Handlungsempfehlung Expertengruppe spricht nach einem informellen Verfahren eine gemeinsame Empfehlung aus

S2k Konsensbasierte Leitlinie Repräsentatives Gremium erarbeitet in einem formal festgelegten Verfahren einen Konsens

S2e Evidenzbasierte Leitlinie Konsens basiert auf einer systematischen Recherche, Auswahl und Bewertung der relevanten Primär- und Sekundärliteratur

S3 Konsens- und evidenzbasierte Leitlinie Repräsentatives Gremium erarbeitet basierend auf einer systematischen Recherche, Auswahl und Bewertung der relevanten Primär- und Sekundärliteratur in einem formal festgelegten Verfahren einen Konsens


Es gibt unzählige medizinische Fachzeitschriften, die Primär- und Sekundärliteratur enthalten. Eine davon halten Sie in der Hand, und wenn Sie Glück haben, werden Sie dort bereits fündig. Zur Frage nach der Gürtelrose finden wir auf S. 68 in der DAZ Nr. 12 vom 21.03.2013 die Wiedergabe eines Artikels, der den Zusammenhang zwischen einer gegen TNF-α gerichteten Therapie und Herpes zoster beschreibt. Demnach ist der Einsatz von TNF-α-Inhibitoren nicht mit einem vermehrten Auftreten von Gürtelrose assoziiert. Aber: hier ging es nur um Infliximab, Adalimumab und Etanercept – was ist mit Certolizumab und Golimumab? Wie eindeutig ist die Datenlage zu dieser Fragestellung? Und gibt es in der ursprünglichen Veröffentlichung noch mehr Details, die für die Frage relevant sind? Hierfür müssen wir uns in die Welt der Originalveröffentlichungen wagen.

Richtig suchen – leichter finden

Man findet Veröffentlichungen heutzutage bequem über Literaturdatenbanken wie PubMed / Medline, EMBASE oder auch google scholar. Bequem deshalb, weil man nicht mehr in die Bibliothek laufen und Karteikästen voller Schlagwortkarten durchblättern muss. Dafür muss man allerdings die Eigenheiten der Suchanfragen kennen, um in angemessener Zeit zum befriedigenden Ergebnis zu kommen.

Zunächst ein schneller Blick auf verschiedene Literaturdatenbanken:

  • PubMed/Medline ist eine kostenfrei nutzbare Datenbank der US National Library of Medicine. Sie enthält derzeit die bibliografische Information für gut 22 Mio. biomedizinische Artikel, veröffentlicht von 1940 bis heute.
  • EMBASE ist ein Produkt des Elsevier-Verlages, integriert neben Medline weitere Fachzeitschriften und kommt auf 5 Mio. zusätzliche Artikel, ist aber kostenpflichtig (und wird hier daher nicht näher besprochen).
  • Google scholar umfasst neben Artikeln in Fachzeitschriften auch Kongressbeiträge, Diplomarbeiten, Dissertationen u. a., die von einem Google-Team erfasst, verschlagwortet und einem Ranking nach Text, Autor, Fundstelle und Zahl der Zitierungen unterzogen werden (Abb. 1).

Abb. 1: Google scholar umfasst neben Artikeln in Fachzeitschriften auch Kongressbeiträge, Diplomarbeiten, Dissertationen.
Foto: google

Auf der Startoberfläche von PubMed (s. Abb. 2) findet sich ein Eingabefeld, das den oder die Suchbegriffe aufnimmt. Geben Sie hier den Begriff ‚infliximab‘ ein, erhalten Sie 8074 Treffer, also Artikel, die diesen Begriff enthalten. (Genau diese Trefferzahl war es am 25.03.2013 – wenn Sie die Suche zu späteren Zeitpunkten wiederholen, werden es wahrscheinlich mehr Artikel sein.) Mit diesem einen Begriff haben Sie sehr sensitiv gesucht und mit großer Wahrscheinlichkeit alle für die Fragestellung relevanten Artikel identifiziert – aber auch viele, die Ihnen bei der Beantwortung Ihrer Frage nicht weiterhelfen, weil sie nichts mit der Auswirkung auf die Gürtelrose zu tun haben.


Abb. 2: PubMed/Medline ist eine kostenfrei nutzbare Datenbank der US National Library of Medicine.
Foto: Pubmed

Irrelevantes ausschließenohne Relevantes zu verlieren

Die Suche muss also spezifischer werden, um die Spreu der irrelevanten vom Weizen der relevanten Artikel zu trennen. Das lässt sich durch die Verknüpfung mehrerer Suchbegriffe erreichen – für unsere Frage wäre "herpes zoster" geeignet. Dass ein Suchbegriff aus mehreren Worten besteht, zeigt man der Datenbank durch die Anführungsstriche an. Genau wie in der Mengenlehre lassen sich Schnittmengen durch AND, Vereinigungsmengen durch OR und Restmengen durch NOT bilden (die Großschreibung dient dazu, der Datenbank zu signalisieren, dass es sich nicht um Suchworte, sondern um Verknüpfungsoperatoren handelt). Versuchen Sie es: der Zusatz von "herpes zoster" zu ‚infliximab‘ reduziert die Trefferzahl auf 34.

"AND" oder "OR" – auf die Verknüpfung kommt es an

Wenn sich die Anfrage auf Infliximab bezog, sind wir am Ziel, falls es um TNF-α-Inhibitoren allgemein ging, verwenden wir besser die folgende Suchstrategie: "herpes zoster" AND (infliximab OR adalimumab OR etanercept OR certolizumab OR golimumab OR anti-TNF OR TNF-inhibitor). Die Klammern zeigen der Datenbank an, dass die Fundstellen Herpes zoster und mindestens einen der anderen Begriffe enthalten sollen. Mit dieser Suchanfrage sollten die 51 Fundstellen die Datenlage weitgehend abdecken.

Wer auf der PubMed-Startseite auf "advanced" klickt (s. Abb. 2), landet auf einer Eingabemaske, die ebenfalls für den Aufbau einer Suchstrategie verwendet werden kann. Sie ähnelt der erweiterten Suche bei Google scholar (s. Abb. 1). Es gibt noch weitere Möglichkeiten, die Suche auszuweiten oder einzugrenzen, deren ausführliche Beschreibung den Rahmen dieses Artikels sprengt. PubMed bietet sehr gute Tutorials (in englischer Sprache) an, die sich für wiederholte Literaturrecherchen auf jeden Fall lohnen.

Der nächste Schritt ist die Durchsicht der Titel und Zusammenfassungen der gefundenen Artikel, um solche auszuschließen, die trotz der sorgfältigen Suchanfrage nicht relevant sind, wie beispielsweise ein Artikel, der sich mit der Auswirkung einer Impfung gegen Herpes zoster befasst. Die übrig gebliebenen Artikel (aus Sicht der Autorin in diesem Fall 17 Stück) werden idealerweise im Volltext benötigt. Ist der Aufwand für die Beschaffung unverhältnismäßig groß (zeitlich und finanziell), ist es nach der persönlichen Meinung der Autorin immer noch besser, wenigstens die Zusammenfassungen zu berücksichtigen als die Artikel ganz wegzulassen.

Übung ist notwendig

Es braucht ein bisschen Übung, um wissenschaftliche Artikel kritisch zu lesen. Einen Aufsatz hierzu finden Sie in der DAZ 27 des Jahres 2009 (s. Kasten "Zum Weiterlesen").


Zum Weiterlesen


Kritisches Lesen wissenschaftlicher Artikel von Jean-Baptist du Prel, Bernd Röhrig und Maria Blettner

DAZ 2009; 149 (27); S. 59 – 64


Studiendesign in der medizinischen Forschung von Bernd Röhrig, Jean-Baptist du Prel und Maria Blettner

DAZ 2009; 149 (28); S. 60 – 65


Studientypen in der medizinischen Forschung von Bernd Röhrig, Jean-Baptist du Prel, Daniel Wachtlin und Maria Blettner

DAZ 2009; 149 (29); S. 70 – 75


Die wesentlichen Fragen, die Sie sich beim Lesen stellen müssen, sind die folgenden:

  • Ist die Fragestellung klar beschrieben?
  • Ist die Methodik umfassend beschrieben und geeignet, die Frage zu beantworten?
  • Ist die Datenanalyse klar beschrieben (Messgrößen, Statistik, berücksichtigte Störgrößen)?

  • Sind alle Schlussfolgerungen durch die beschriebenen Ergebnisse gerechtfertigt?
  • Kann mit einiger Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Durchführenden der Studie, inkl. Autoren, Interesse an einer positiven oder negativen Darstellung der Ergebnisse haben?

Wenn einzelne Fragen mit "nein" beantwortet werden müssen, sollte man die Ergebnisse der Studie mit Vorsicht betrachten und sich fragen, in welche Richtung die Studienergebnisse wahrscheinlich von der Wirklichkeit abweichen.

Zurück zu unserer Fragestellung. Der genauere Blick auf die Originalveröffentlichung von Winthrop et al., die in dem erwähnten DAZ-Artikel beschrieben wird, zeigt, dass in der Studie solche Patienten ausgeschlossen waren, die bereits vor dem Beginn ihrer Therapie mit TNF-α-Inhibitor eine Herpes-zoster-Infektion hatten. Die Studienergebnisse sind also nicht 1:1 auf unsere Patientin übertragbar, die sich Sorgen um das Wiederauftreten ihrer Gürtelrose macht. Dies betrifft auch einen weiteren der 17 Artikel der engeren Wahl. Zwei Studien betrachten ein Patientengut, das nicht zu unserer Patientin passt. Bei zwei gefundenen Artikeln handelt es sich um Kommentare zu anderen Studien, die keine eigenen Ergebnisse liefern. Sechs Artikel sind Fallberichte. Sie machen deutlich, dass in Einzelfällen Herper-zoster-Infektionen unter TNF-α-Inhibitoren auftreten können, aber das hilft uns bei der Beantwortung der Frage nicht entscheidend weiter. Die übrigen fünf Artikel enthalten hilfreiche Informationen:

  • Im höheren Alter ist das Risiko eines Herpes zoster unter TNF-α-Therapie erhöht, allerdings nicht signifikant.

  • Das Herpes-zoster-Risiko ist unter TNF-α-Inhibitoren im Vergleich mit klassischen Basistherapeutika (disease-modifying anti-rheumatic drugs, DMARD) erhöht, Adalimumab bedeutet ein geringeres Risiko als Infliximab.

  • Monoklonale Antikörper (Adalimumab und Infliximab) bedeuten ein höheres Risiko für Herpes zoster als löslicher TNF-Rezeptor (Etanercept).

  • In 100 Patientenjahren mit monoklonalen TNF-α-Inhibitoren tritt 1,1-mal ein Herpes zoster auf. Mit Etanercept sind es 0,9 Fälle in 100 Behandlungsjahren und mit klassischen Basistherapeutika 0,6 Fälle.

  • Unter 300 TNF-α-Inhibitor-Anwendern gab es neun Herpes-zoster-Fälle, die mit Valaciclocir erfolgreich behandelt werden konnten.

Wir können der Patientin nun also differenziertere Informationen geben als es ohne Literaturrecherche möglich gewesen wäre: Unter der geplanten Therapie besteht ein gewisses Risiko einer Gürtelrose, vor allem, wenn die Patientin schon älter ist, solche Fälle sind aber eher die Ausnahme als die Regel. Allerdings ist kaum etwas über das Risiko bei bereits bestehender Gürtelrose bekannt. Mit ihrem Arzt sollte sie besprechen, ob das wahrscheinlich mit einem geringeren Risiko behaftete Etanercept für sie eine Option darstellt. Trotzdem sollte sie auf Symptome der Gürtelrose achten und ggf. frühzeitig ihren Arzt aufsuchen, denn die Virusinfektion kann wirksam behandelt werden. Idealerweise stellen wir ihr auch den Nutzen einer wirksamen antirheumatischen Therapie dar. Auch hierzu gibt es Leitlinien und Studien – nur Mut!


Autorin


Prof. Dr. Dorothee Dartsch ist Apothekerin und war von Oktober 2002 bis September 2012 Hochschullehrerin für Klinische Pharmazie an der Universität Hamburg. Seit März 2013 ist sie Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Campus Pharmazie GmbH. Dort organisiert und betreut sie online-Seminare für Apotheker, die ihr Wissen in klinischer Pharmazie erweitern wollen., unter anderem zum Thema "Arzneimittelinformation und Literaturrecherche".








Seminar Arzneimittelinformation und Literaturrecherche – Ein Erfahrungsbericht


DAZ-Redakteurin Julia Borsch hat am Seminar "Arzneimittelinformation und Literaturrecherche" teilgenommen. Sie berichtet im Folgenden über ihre Erfahrungen und hat die Geschäftsführerinnen von Campus Pharmazie, Prof. Dr. Dorothee Dartsch und Jasmin Hamadeh, um die Beantwortung einiger Fragen gebeten.

Die richtige Fortbildung zur passenden Zeit an einem gut erreichbaren Ort zu finden, kann eine echte Herausforderung sein. Online-Seminaren stand bisher, neben anderen Vorbehalten, vor allem das Wissen um die fehlende Disziplin im Wege. Für die DAZ an einem Seminar von Campus Pharmazie teilzunehmen, war die Gelegenheit, mit den Vorurteilen aufzuräumen. "Arzneimittelinformation und Literaturrecherche" über vier Wochen, etwa acht Stunden in der Woche, jederzeit und von überall und – wichtig für die Disziplin – es müssen Mindestanforderungen erfüllt werden. Das Teilnehmerfeld war breit gefächert: Apotheker aus allen Bereichen von öffentlicher über Krankenhausapotheke bis hin zu Behörden und Kammern. Es wurde relativ schnell ersichtlich, dass einige Teilnehmer deutlich mehr Vorwissen mitbrachten als andere. Zumindest zeitweise klang im Einzelfall gewisse Frustration durch. Soweit möglich versuchten die Tutorinnen, diese Teilnehmer durch gezielte Hilfestellung mitzunehmen. Insgesamt bewegten sich die Diskussionen in den Foren auf recht hohem Niveau. Nicht zu unterschätzen ist der Zeitaufwand, aber weniger als veranschlagt ist durchaus möglich. Das ausführliche, gut strukturierte Studienmaterial ist es auf jeden Fall wert, sich, auch im Nachhinein, damit zu beschäftigen. Da aber jeder Teilnehmer lediglich zu zwei konstruktiven Beiträgen verpflichtet ist, ist die Verlockung groß, am Anfang der Diskussion zwei relativ banale Beiträge zu liefern und sich dann zurückzulehnen. Bei Teilnehmern mit weniger Vorwissen dürfte der Informationsgewinn sicher größer gewesen sein, aber einige Feinheiten und Tricks konnten auf jeden Fall mitgenommen und auch im Alltag angewendet werden. Als große Bereicherung haben sich die gewonnenen Kontakte erwiesen. Anonymität gegenüber anderen Teilnehmern und Tutoren, wie in vielen Präsenzfortbildungen, ist in diesem Rahmen nicht möglich; Kontakte entstehen zwangsläufig. Als Gesamtfazit lässt sich sagen, dass diese Form der Fortbildung auf jeden Fall zukunftsträchtig ist.


DAZ: Das Teilnehmerfeld des Seminars war ziemlich breit gefächert: Apotheker/innen aus fast allen Bereichen von öffentlicher Apotheke, über Krankenhaus und Kammer bis hin zur Behörde. Dementsprechend groß waren auch die Unterschiede im Vorwissen. Werden die unterschiedlichen Betätigungsfelder der Teilnehmer bei der Einteilung der Teams (die Aufgaben werden teilweise in kleineren bearbeitet) berücksichtigt, um solche Unterschiede, soweit möglich, auszugleichen?


Dorothee Dartsch:

Der Erfahrungshintergrund unserer Teilnehmenden ist tatsächlich oftmals sehr unterschiedlich. Das ist eine große Bereicherung für das Seminar – und gleichzeitig eine Herausforderung für uns Moderatorinnen. Wir haben ja über die verschiedenen Arbeitsumgebungen hinaus auch noch Teilnehmende, die frisch von der Uni kommen und solche, die zwar keine universitären Grundlagen in Klinischer Pharmazie, dafür aber eine Menge Berufserfahrung mitbringen. Und neben den deutschen Kollegen haben wir Österreicher, Schweizer, manchmal auch Luxemburger und in Norwegen praktizierende Apotheker im Seminar. Die Teams stellen wir sehr gezielt so zusammen, dass jedes Team von einer möglichst großen Vielfalt an Wissen, Perspektiven und Erfahrungen profitieren kann.


Jasmin Hamadeh:

Zur Herausforderung wird die Heterogenität, wenn Einzelne das Gefühl haben, sie würden weniger qualifizierte Beiträge abgeben als andere. Aus objektiver Perspektive haben wir noch nicht erlebt, dass das wirklich so gewesen wäre, denn jeder inhaltliche Beitrag, jede Frage, auch jeder nicht 100%ig korrekte Beitrag bringt die Diskussion weiter. Um den subjektiven Eindruck zu korrigieren und die Teilnehmenden zu ermutigen, sich auch mit ihren Fragen und Unsicherheiten weiterhin einzubringen, machen wir ihnen genau dieses deutlich.


DAZ: Brechen Teilnehmer die Seminare ab, weil sie beispielsweise den Zeitaufwand unterschätzt haben oder nicht folgen können, oder schaffen Sie es wirklich jeden, gegebenenfalls mit individuellen Lösungen, wieder ins Boot zu holen?


Dorothee Dartsch:

Bislang ist es uns tatsächlich gelungen, mit allen, die an Bord gegangen sind, auch im Hafen anzukommen. Natürlich kommt es vor, dass sich jemand den zeitlichen Aufwand anders vorgestellt hat. Öfter noch passiert es, dass einem das Leben dazwischenfunkt und man weniger Zeit für das Seminar zur Verfügung hat als gedacht.


Jasmin Hamadeh:

Die Rettungsringe, die wir einem Teilnehmer in Seenot – um in dem Bild zu bleiben – zuwerfen, sind:

  • individuelle Erinnerungen an Fristen, an denen die Seminaraufgaben enden, ggf. mit Hinweisen auf "Wiedereinstiegs-Hilfen" wie

  • Zwischenzusammenfassungen in den Foren, die einen schnellen Neustart ermöglichen,

  • aktives Nachfragen bei längerer Abwesenheit von der Lernplattform, welche Hilfen wir geben können,

  • Hinweise auf fachliche Zusammenhänge, wenn wiederholt falsche Antworten im MC-Test, Einzel- oder Teamaufgaben anzeigen, dass der Zusammenhang noch nicht verstanden wurde.


Dorothee Dartsch:

Was wir weder tun können noch wollen ist, auf einzelne Leistungen zu verzichten. Wir sind zum einen an eine Prüfungsordnung gebunden und es ist uns auch ein Anliegen, dass die Teilnehmenden die definierten Lernziele des Seminars erreichen. Sollte es einem Teilnehmer unverschuldet überhaupt nicht möglich sein, eine Aufgabe zu absolvieren, dann geben wir die Möglichkeit, eine Ersatzaufgabe zu lösen, allerdings nur dann, wenn das im Hinblick auf die Lernziele und Lernzielebenen möglich und sinnvoll ist. Wenn ein Teilnehmender große Teile eines Seminars verpassen müsste, hätte er immer die Möglichkeit zu einem späteren Termin das Seminar zu vollenden. Der erbrachte Einsatz ist also nicht verloren.


DAZ: Frau Professor Dartsch, Frau Hamadeh, danke für die Antworten!


Mehr über Campus Pharmazie finden Sie in DAZ 2013, Nr. 6 auf S. 42–46 sowie in der DAZ 2012, Nr. 26 auf S. 128.

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