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Interpharm 2013
Offene Fragen zur neuen Apothekenbetriebsordnung
Im Rahmen der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung wurde die Formulierung des Grundsatzes der Raumeinheit in öffentlichen Apotheken geändert. Die Betriebsräume sind nun so anzuordnen, dass jeder Raum ohne Verlassen der Apotheke erreichbar sein muss. Aus der Soll-Vorschrift in der früheren Apothekenbetriebsordnung wurde eine Muss-Regelung. Seinem Wortlaut nach lässt der Verordnungstext jetzt nur noch solche Ausnahmen zu, die in der Apothekenbetriebsordnung ausdrücklich genannt werden. Im Hinblick auf den Versorgungsauftrag, dem jede Apotheke unterliegt, bezweifelt Saalfrank jedoch, ob diese rigide Regelung wirklich verhältnismäßig ist und mit geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen in Einklang steht. Ihm zufolge müssen Aufsichtsbehörden auch weiterhin eine Güterabwägung vornehmen, bevor sie belastende Maßnahmen gegen Apotheken ergreifen.
Apotheken-A in Blindenschrift?
Für Aufregung hat in der Berufsöffentlichkeit auch die Formulierung in der neuen Apothekenbetriebsordnung zur Barrierefreiheit gesorgt: Die Offizin soll nun barrierefrei erreichbar sein. Im Behindertengleichstellungsgesetz werden Anlagen als barrierefrei definiert, die für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe nutzbar sind (§ 4). Was bedeutet dies nun für öffentliche Apotheken? "Brauchen Sie in Zukunft auch ein Apotheken-A in Blindenschrift und müssen Sie schauen, dass Sie die Gebärdensprache beherrschen?", fragte Saalfrank provokativ. Nach seiner Auffassung ist das Erfordernis in der neuen Apothekenbetriebsordnung eng im Sinne einer "Barrierefreiheit für Gehbehinderte" auszulegen – wobei auch dabei noch nicht geklärt ist, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen diese Barrierefreiheit nicht (z. B. wegen des Denkmalschutzes) oder nur mit exorbitant hohen Kosten hergestellt werden kann.
16 Quadratmeter für die Vertraulichkeit?
Auch künftig muss in der Offizin der Apotheke die Vertraulichkeit der Beratung gewährleistet sein. Das Mithören des Beratungsgesprächs ist dabei "weitestgehend" auszuschließen. Die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte in Deutschland (APD) fordert in diesem Zusammenhang einen Mindestabstand zwischen den einzelnen Bedienplätzen von jeweils zwei Metern. "Das heißt, wenn Sie vier Verkaufsstellen haben, sind das 16 Quadratmeter in der Offizin, die Sie allein für diesen Streifen benötigen", so Saalfrank. Er hält diese Auslegung weder für zumutbar noch für geeignet, um die Vertraulichkeit auch tatsächlich zu erreichen. Ähnlich wie die Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB) in ihrer jüngsten Stellungnahme sieht auch Saalfrank andere zulässige Möglichkeiten, um eine Vertraulichkeit beim Beratungsgespräch in der Apotheke zu gewährleisten. Allein das Maßband, so Saalfrank, darf dabei nicht der alleinige Maßstab sein.
Zunehmendes Haftungsrisiko
Die Anforderungen an die Informations- und Beratungspflicht wurden mit der neuen Apothekenbetriebsordnung deutlich erhöht: Sie muss nun im QMS sichergestellt werden und ist zudem höchstpersönliche Pflicht des Apothekers, die nur bei entsprechender schriftlicher Anordnung an das pharmazeutische Personal delegiert werden darf (sog. Apothekervorbehalt). Dabei wird, so Saalfrank, die erweiterte Pflicht zur aktiven Beratung wohl auch zu einer Erhöhung des Haftungsrisikos für Apothekenleiter führen: "Die Verschärfung der Informationsverpflichtung des Apothekers wird künftig durchaus dazu geeignet sein, dass durch eine Arzneimitteltherapie geschädigte Patienten sich nicht mehr nur an den Arzt wenden, sondern sich auch mit dem Apotheker auseinandersetzen."
Müssen Versandapotheken beraten?
Und wie sieht es mit der Beratung im Versandhandel aus? § 20 ApBetrO unterscheidet bei der Informations- und Beratungspflicht nicht zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken. Der Beratungsbedarf muss von allen Apotheken gleichermaßen festgestellt werden. Für den Versand gibt es darüber hinaus mit § 17 Abs. 2a ApBetrO die Vorgabe, dass der Kunde bei seiner Bestellung seine Telefonnummer anzugeben hat. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte jüngst erklärt, eine Pflicht zur "eigeninitiativen Beratung" könne es im Versandhandel nicht geben, weil der Gesetzgeber mit der Zulassung des Versandhandels eine Ausnahme von der persönlichen Beratung zugelassen habe. Für Saalfrank ist diese Auffassung nicht überzeugend: Warum, so fragte der Referent, sollte die Angabe einer Telefonnummer nach § 17 Abs. 2a Nr. 7 ApBetrO Belieferungsvoraussetzung sein, wenn der Kunde unter dieser Nummer gar nicht angerufen werden muss?
Ausführlich befasste sich der Referent auch mit der Informations- und Beratungspflicht beim Botendienst. ABDA-Juristen und APD vertreten hier die Auffassung, dass dann, wenn vor der Arzneimittelabgabe keine Beratung in der Apotheke stattgefunden hat, die Zustellung nur durch pharmazeutisches Personal der Apotheke erfolgen dürfe. Dieser restriktiven Sicht widersprach Saalfrank. Wie sich aus der Gesamtschau des § 17 Abs. 2 und 2a ApBetrO ergebe, verlange die neue Apothekenbetriebsordnung bei der Botenzustellung in der Regel nämlich gerade keine "persönliche" Beratung durch das pharmazeutische Personal. Dem Wortlaut und Zweck der Verordnung genüge deshalb auch eine fernmündliche Beratung durch das pharmazeutische Apothekenpersonal, sofern diese Beratung "in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslieferung" erfolge.
Welche Dienstleistung ist apothekenüblich?
Erstmals definiert die neue Apothekenbetriebsordnung jetzt auch "apothekenübliche Dienstleistungen". Dabei handelt es sich um Dienstleistungen, "die der Gesundheit von Menschen oder Tieren dienen oder diese fördern" – gleichgültig, ob dies unmittelbar oder nur mittelbar geschieht. Entscheidend sind die Zweckbestimmung und der Gesundheitsbezug der Dienstleistung. Danach sind die in § 1a Abs. 11 ApBetrO genannten Beispiele nicht abschließend. "Einfache Gesundheitstests" sind, so Saalfrank, so lange apothekenüblich, wie damit keine Diagnosen gestellt werden und nicht gegen den Arztvorbehalt verstoßen, d. h. keine Heilkunde ausgeübt wird.
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