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Sozialprojekt
Mit dem Bus ins Glück
Die Senioren sind in Erwartung einer Museumsführung und fröhlicher Stunden, wie sie für körperlich Behinderte oder Bezieher schmaler Renten nicht alltäglich sind. Werner Henke und sein Sozialprojekt "Reisen ohne Grenzen" macht’s möglich und schenkt Lebensfreude pur.
Welche Idee steht hinter diesem Projekt?
Wie kommt man als gestandener Apotheker auf die Idee, den Busführerschein zu erwerben, einen Reisebus zu kaufen und ehrenamtlich sozial benachteiligte Menschen durch Deutschland und Europa zu fahren? Werner Henke steht mir auf diese Fragen begeistert Rede und Antwort. Zunächst erklärt er mir jedoch voller Stolz seinen Bus, einen "Gag der Firma Mercedes", wie Henke sagt. Der Gag besteht darin, dass Mercedes eine Kopie des Reisebusses der deutschen Fußballnationalmannschaft gebaut hat. "Der Unterschied besteht nur darin, dass der Original-DFB-Bus außen schwarz ist. Unser Bus ist rot-weiß und zeigt das Panorama der Stadt Aschaffenburg (siehe Foto oben, im Hintergrund das Daimler-Benz-Museum in Stuttgart). Genau gleich ist jedoch die Innenausstattung in den Farben schwarz-rot-gold. Es gibt extra breite Sitzabstände, einen Bistrobereich mit vier Tischen und eine Bordküche mit viel Technik: Heißluftofen, drei Kühlschränke, Mikrowelle, drei Kaffeemaschinen, Tiefkühltruhe. Da können wir unseren Fahrgästen das Mittagessen servieren, das uns die Lufthansa für 2,50 Euro pro Person zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellt. Den Service übernehmen ehrenamtliche Mitarbeiter des Malteser Hilfsdienstes, die unsere Bustouren begleiten."
Nicht nur das Reiseziel ist wichtig, es geht auch um soziale Kontakte und Abwechslung
Werner Henke hat diesen Bus gekauft. Er hat sich diesen finanziellen Einsatz geleistet, weil er von seiner Idee überzeugt ist. Nach vielen Jahren Tätigkeit als Leiter einer Apotheke mit angeschlossenem Herstellungsbetrieb für parenterale Arzneimittel liegt es ihm heute am Herzen, sich sozial zu engagieren. Bereits in jüngeren Jahren war er ehrenamtlich als Sanitäter für den Malteser Hilfsdienst tätig. Im vergangenen Jahr hat er seine Apotheke verkauft und die gemeinnützige GmbH "Reisen ohne Grenzen – Aschaffenburg" gegründet. Wie auf der Internetseite www.aschaffenburg-bus.de zu lesen ist, werden von "Reisen ohne Grenzen" Busfahrten ohne Gewinnerzielungsabsicht und zu günstigen Konditionen durchgeführt. Dies geschieht speziell für materiell oder persönlich hilfsbedürftige Personen oder für Organisationen, die solche Personen fördern. Nicht alleine das Reiseziel soll dabei im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die gemeinsame Fahrt, der Kontakt zu und mit anderen und die Abwechslung vom normalen Alltag.
In Planung: Eine Romreise mit Audienz beim Papst und der Jakobsweg in Nordspanien
Was hat Werner Henke zu diesem Schritt motiviert? "Es waren die vielen Gespräche in der Apotheke", sagt Henke. "Beim Arzt sind die Patienten nach fünf bis zehn Minuten wieder draußen. In der Apotheke dagegen ist man so ein bisschen der Beichtvater. Man hört Familiengeschichten und die Sorgen der Menschen. Man hört von der Rentnerin, die nur 700 Euro Rente hat, aus Scham nicht zum Sozialamt geht, seit Jahren keinen Urlaub gemacht hat. Viele meiner Apothekenkunden hatten Aschaffenburg jahrelang nicht verlassen. Sie konnten es sich einfach finanziell nicht leisten. Das stimmt doch nachdenklich. Eine Tagesausflugsfahrt kostet normalerweise 30 bis 40 Euro. Wir können eine Tagesreise mit unserem Bus für 9 Euro zum Selbstkostenpreis anbieten. Auch hier auf unseren Fahrten bekommt man gnadenlos mit: Die Kluft in Deutschland zwischen denen, die viel haben und denen, die wenig haben, wird immer größer. Mein Wunsch war es, den Menschen einfach Lebensfreude zu geben! Und das habe ich voll erreicht. Unser Projekt hat bombig eingeschlagen!" Man sieht Werner Henke seine eigene Freude und Begeisterung an. Seine Augen strahlen, er strotzt vor neuen Ideen. Zum Beispiel sei eine Fahrt mit Behinderten nach Rom geplant inklusive Papstaudienz und auch eine Pilgerreise für Behinderte zum und auf dem Jakobsweg in Nordspanien. "Die Behinderten können dann je nachdem, wie sie es sich zutrauen, ein Stück weit auf dem Pilgerpfad wandern, dann werden sie wieder von unserem Bus aufgenommen und betreut." Wenn man Werner Henke erzählen hört, möchte man bei ihm sofort als ehrenamtliche Helferin mitfahren und alles miterleben.
Das Busfahren macht den Kopf frei
Ob er auch noch pharmazeutisch tätig ist, wollen wir wissen. "Ja klar", sagt Henke. "Ich bin noch in der Apotheke meiner Frau tätig und außerdem habe ich noch die Firma Henke Pharma, einen Herstellbetrieb für sterile Arzneimittelzubereitungen. Dort bin ich nach wie vor vier Tage in der Woche tätig. Ich fahre ein- bis zweimal pro Woche den Omnibus. Da bekomme ich den Kopf frei. Wenn ich das Publikum hier erlebe, das erdet mich – und das ist mir ganz wichtig!" Wie gut die Stimmung an Bord des Busses ist, beweist Henke mit einem kleinen Video auf seinem Smartphone, das einer seiner Helfer gerade auf der Fahrt von Aschaffenburg nach Stuttgart aufgenommen hat. Eine der Seniorinnen hat ihr Akkordeon dabei und musiziert, die ganze Gruppe singt, lacht und klatscht voller Inbrunst. Wirklich Lebensfreude pur!
Besonders dankbar sind die behinderten Kinder
Warum ist es Werner Henke wichtig, den Bus selbst zu fahren? "Es macht mir einfach Spaß", sagt der Apotheker. "Ich habe erst vor zwei Jahren den Busführerschein gemacht. Man braucht 58 Fahrstunden und eine spezielle Weiterbildung. Das ist ein großer und teurer Aufwand. Aber ich hatte Lust dazu. Und es ist ein wunderbares Gefühl, jetzt die Dankbarkeit der Menschen, die mit mir fahren, zu spüren." Eine besondere Form der Dankbarkeit erleben Werner Henke und seine ehrenamtlichen Begleiter, wenn sie mit Behinderten der "Lebenshilfe" reisen. "Da wird man ganz plötzlich von behinderten Kindern geknuddelt und in den Arm genommen", berichtet er. "Du bist mein Freund", hätte eine behinderte ältere Dame ihm gesagt.
Das Gespräch mit Werner Henke ist ein starkes Plädoyer für ehrenamtliches Engagement generell. Man spürt geradezu das Glück, das Henke im Umgang mit den Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, empfindet. "Man kann so viel für andere tun", sagt Henke. "Gehen Sie einfach mal zur Caritas, zur Diakonie, zum Roten Kreuz, zu den Maltesern oder zur Lebenshilfe. Fragen Sie, ob nicht für Ausflüge, zum Beispiel in den Zoo, Leute gebraucht werden, die mal einen Rollstuhl schieben. Machen Sie diese Erfahrung. Sie erhalten so viel zurück!"
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