Arzneimittel und Therapie

Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse

Mehr Schaden als Nutzen durch Acetylsalicylsäure

Bei Gesunden überwiegt der Nachteil einer langfristigen prä ventiven Einnahme von Acetylsalicylsäure. Zu diesem Schluss kommt eine in diesem Monat publizierte Metaanalyse, der zu folge einer Verringerung nicht-tödlich verlaufender Myokardinfarkte ein erhöhtes Blutungsrisiko gegenübersteht.

Acetylsalicylsäure hat ihren festen Platz in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse. Ihr Nutzen in der Primärprävention ist hingegen unklar. Dies veranlasste eine englische Arbeitsgruppe zur Durchführung einer Metaanalyse, in der Vor- und Nachteile einer ASS-Einnahme bei Gesunden genauer untersucht wurde. Zur Auswertung kamen neun randomisierte placebo-kontrollierte klinische Studien mit jeweils mehr als 1000 Teilnehmern, die Acetylsalicylsäure zur Primärprävention eingenommen hatten. Die im Durchschnitt 57 Jahre alten Probanden hatten vor der ASS- bzw. Placebo-Einnahme weder eine koronare Herzkrankheit, noch hatten sie einen Herzinfarkt erlitten. In die Meta analyse wurden auch neue Studien aufgenommen, in denen der Einfluss von ASS auf kardiovaskuläre sowie auf nicht-kardiovaskuläre Parameter wie etwa Tumorerkrankungen untersucht worden war, so dass die Frage nach einem Nutzen der ASS-Einnahme in der Primärprävention unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden konnte.

Weniger Myokardinfarkte, mehr Blutungen

Insgesamt konnten die Daten von 102.621 Probanden ausgewertet werden, die mehrheitlich westlichen Bevölkerungsgruppen angehörten. Bei einer durchschnittlich sechsjährigen Einnahme von Acetylsalicylsäure lagen die Daten von rund 700.000 Personenjahren vor, deren Auswertung zu folgenden Ergebnissen führte (siehe Abbildung):

Auswirkungen einer primär-präventiven ASS-Einnahme auf kardiovaskuläre und nicht-kardiovaskuläre Parameter


  • Die regelmäßige Einnahme von ASS in der Primärprävention verringerte die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse um 10%. Die ermittelte Number needed to treat (NNT) betrug 120. Demnach müssen 120 Probanden sechs Jahre lang ASS einnehmen, um ein Ereignis zu verhindern. Die Abnahme kardiovaskulärer Ereignisse war vor allem auf eine Reduktion nicht-tödlicher Herzinfarkte um 20% zurückzuführen; NNT 162. Die Auswirkungen einer ASS-Einnahme auf nicht-tödliche Myokardinfarkte oder kardiovaskuläre Ereignisse standen in keinem Bezug zu der durchschnittlichen täglichen ASS-Dosis (meist zwischen 75 mg und 325 mg; entweder täglich oder alternierend).

  • Todesfälle aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse sowie die Krebsmortalität wurden durch die ASS-Einnahme nicht signifikant verändert.

  • Nicht-triviale Blutungen stiegen unter der ASS-Einnahme signifikant um 31% an; die Number needed to harm (NNH) lag bei 73. Das bedeutet, dass bei einer sechsjährigen ASS-Einnahme jeder 73. Proband eine schwere Blutung erleidet.

Empfehlungen überdenken

Angesichts dieser Ergebnisse sprechen sich die Autoren für einen zurückhaltenden Einsatz von ASS in der Primärprävention aus. Dem potenziellen Nutzen im Hinblick auf nicht-tödliche Myokardinfarkte steht ein ungleich größerer möglicher Schaden durch schwere Blutungen gegenüber. Ob eine Primärprävention sinnvoll ist, sollte im Einzelfall geklärt werden. Wünschenswert, so die Autoren weiter, sei eine Überarbeitung der gängigen Leitlinien, um konkrete Empfehlungen aussprechen zu können. Ferner sollte die Rolle von ASS in der Primärprävention onkologischer Erkrankungen über einen längeren Zeitraum hinweg untersucht werden, da neuere Studien auf einen möglichen Benefit deuten.


Quelle

Seshasai S., et al.: Effect of aspirin on vascular and nonvascular outcomes. Arch Intern Med. Online Publikation vom 9. Januar 2012.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 3, S. 44

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