Arzneimittel und Therapie

Bei Entwicklungsstörungen an M. Crohn und Colitis denken!

CED bei Kindern rechtzeitig erkennen

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) gehören nicht gerade zu den "Top Ten" der Kinderkrankheiten. Dennoch heißt es bei wiederkehrenden (blutigen) Durchfällen und Bauchschmerzen, insbesondere aber auch bei Gedeih- und Wachstumsstörungen aufmerksam zu sein. Denn werden chronisch-entzündliche Darmerkrankungen übersehen oder erst spät diagnostiziert, sind die Folgen gravierender als bei früher Diagnose und Therapie.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) gehören bei Kindern zwar nicht zur Tagesordnung, sind aber durchaus keine Seltenheit. Martin Claßen, Kinder- und Jugendmediziner am Klinikum Links der Weser in Bremen, verwies im Rahmen des Pädiater-Forum Gastroenterologie 2011, veranstaltet von der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung mit Unterstützung der Falk Foundation e. V., auf eine aktuelle kanadische Studie, die bei unter 18-Jährigen eine leicht steigende Inzidenz von CED feststellen konnte mit einer Prävalenz von immerhin 55 Fällen pro 100.000 Einwohnern unter 18 Jahren. Dies würde in Deutschland immerhin 45.000 Kinder mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung bedeuten. Auch wenn die Zahlen hierzulande nicht derart hoch ausfallen: "Es ist ein relevantes Problem."

Bis zum Befund vergeht zu viel Zeit

An eine chronisch entzündliche Darmerkrankung muss bei entsprechender Symptomatik in allen Altersgruppen gedacht werden, auch schon bei Kindern, die jünger sind als ein Jahr. Pädiatrischen Registern zufolge, wie dem CEDATA-GPGE-Register, handelt es sich dann bei 60% um einen Morbus Crohn, bei 30% um eine Colitis ulcerosa und bei 10% um eine Colitis indeterminata, die sich im weiteren Verlauf aber häufig in eine Richtung weiterentwickelt. Relevant für einen ersten Verdacht sind nicht nur die gastrointestinalen Symptome mit teilweise blutigen Durchfällen und Bauchschmerzen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen gelten Wachstums- und Gedeihstörungen als primäres Symptom, die nicht selten zur Fehldiagnose "Anorexia nervosa" führen. Sie ziehen oft einen Eisenmangel (Eisenmangelanämie!) sowie einen Mangel an Vitamin E, Zink und Selen nach sich, der zum Erhalt der bereits bestehenden Entzündung beitragen kann. Weitere typische extraintestinale Initialsymptome und Diagnosen sind die Arthritis und das Erythema nodosum. Damit die Kinder sich normal entwickeln mit ad äquatem Längenwachstum, Gewichtsaufbau sowie alters gerechter Pubertätsentwicklung muss die Krankheit rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt werden. Doch die diagnostische Latenz bis zur Befunderhebung ist noch immer erheblich zu lang, bemängelte Claßen.

Koloskopie führt nicht immer zum Ziel

Als erste diagnostische Maßnahme werden meist die fäkalen Inflammationsmarker, wie Calprotectin oder Lactoferrin, bestimmt. Diarrhö mit Blut im Stuhl ist ebenfalls ein wegweisendes Indiz, allerdings nur für die Colitis ulcerosa, die im Rektum beginnt und sich auf das Kolon ausbreiten kann. Ein Morbus Crohn, der den gesamten Gastrointestinaltrakt befallen kann, muss auch dann ins Kalkül gezogen werden, wenn die Diarrhö fehlt. Das ist der Fall, wenn ausschließlich der obere Gastrointestinaltrakt in Mitleidenschaft gezogen ist. Bei einem ausschließlichen Dünndarmbefall führt selbst die Koloskopie nicht zur richtigen Diagnose. Die Sonografie ist deshalb bei Verdacht auf Morbus Crohn ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel, ebenso die Endoskopie des oberen GI-Traktes und die Darstellung des Dünndarms per MRT.

Immunsuppressiva früh einsetzen – Steroide sparen

Ist eine CED zweifelsfrei diagnostiziert, sollte die Therapie möglichst rasch begonnen werden. Für die Remissionsinduktion bei schwerem Morbus Crohn steht bei Kindern die komplette enterale Ernährung, im Mittel über sechs Wochen, im Vordergrund. Der Kompromiss einer partiellen enteralen Ernährung, der aus Compliancegründen sicher einfacher durchzuführen wäre, funktioniert dagegen nicht, so Stephan Buderus, Kinder- und Jugendmediziner am St. Marien-Hospital Bonn. Bei leicht- bis mittelgradiger Entzündung können auch 5-Aminosalicylate wie Mesalazin (z. B. Salofalk®) eingesetzt werden. Ihre Domäne sind allerdings Remissionsinduktion und Remissionserhalt bei der leicht bis mittelgradigen Colitis ulcerosa. Eher kritisch bewertet Buderus den Einsatz von Probiotika. Hier gebe es nur weniger positive Studien, die einen moderaten Effekt zeigten. Bei mittelstarker bis hoher entzündlicher Aktivität ist bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eine Remissionsinduktion mit einem Steroid indiziert. Viele Kinder benötigen als effektive Erhaltungstherapie zusätzlich ein Immunsuppressivum wie Azathio prin oder 6-Mercaptopurin. Buderus verwies dabei auf eine Studie, in der sich die Remissionsraten bei Kindern (Durchschnittsalter: 13 Jahre) durch frühe zusätzliche Gabe eines Immunsuppressivums im Vergleich zu Placebo deutlich verbesserten und gleichzeitig Steroide einge spart werden konnten. Er plädierte deshalb für den frühen Einsatz von Immunsuppressiva, sowohl bei Colitis ulcerosa als auch bei Morbus Crohn.


Wenn Eosinophile in die Darmwand einwandern


Ebenfalls chronisch entzündlich sind die eosinophilen gastrointestinalen Erkrankungen. Analog zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen lassen sich auch hier in den letzten Jahren steigende Inzidenzen erkennen, erläuterte Almuthe Hauer, Graz. Die Eosinophilen können dabei in verschiedenen Bereichen des Gastrointestinaltraktes akkumulieren, so dass zwischen der eosinophilen Ösophagitis, der eosinophilen Gastroenteritis und der eosinophilen Enterkolitis unterschieden werden kann. Eine periphere Eosinophilie muss nicht zwingend vorliegen. Differenzial diagnostisch sollten häufige Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Infektionen und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen ausgeschlossen werden. Die Diagnose kann letztlich nur histologisch gestellt werden. Eine fehlende mukosale Eosinophilie schließt die Diagnose einer eosinophilen gastrointestinalen Erkrankung aus. Für die Dauertherapie der eosinophilen Ösophagitis werden inhalative Steroide wie Fluticason oder Budesonid eingesetzt, die dann geschluckt werden. Ein neuer vielversprechender Therapieansatz bei Kindern mit eosinophiler Ösophagitis ist Budesonid in einer viskösen oralen Applikationsform. In einer randomisierten Studie, an der 81 Kinder zwischen zwei und 18 Jahren teilnahmen, konnten sowohl Histologie als auch Symptome im Vergleich zu Placebo gebessert werden.

Schon Kinder in den OP

Trotz aller Therapieoptionen: Patienten mit Morbus Crohn kommen langfristig kaum an einer Operation vorbei. Das gilt auch für Kinder. Bei etwa 30% der Kinder mit Morbus Crohn wird bereits in den ersten Krankheitsjahren eine Resektion der befallenen Darmabschnitte durchgeführt, so Rolf Behrens vom Zentrum für Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg Süd. Bei Colitis ulcerosa liegt die Rate dagegen unter 10%. Obwohl das Rezidivrisiko bei Morbus Crohn mit 50 bis 60% innerhalb von fünf Jahren sehr hoch ist, spricht laut Behrens vieles für eine Operation: "Den Patienten geht es vorher miserabel und die Rezidive sind meist leicht." Zudem lässt sich gerade bei Kindern durch die Entfernung entzündeter Darmabschnitte ein erheblicher Wachstumsschub erreichen.

Patientenschulung empfehlen

Unabhängig davon wie behandelt wird: Für Kinder und Jugendliche ist die Diagnose "CED" eine erhebliche Belastung, die sie ihr ganzes Leben begleiten wird. Zu den körperlichen Problemen kommen häufig Depressionen, Schulprobleme und Ängste, häufig auch eine "Over-Protection" durch die Eltern, die die individuelle Entwicklung einschränken und das Leben zusätzlich erschweren kann. Claßen betonte deshalb die große Bedeutung der Patientenschulung, die sich dieser Gesamtproblematik annimmt.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2012, Nr. 3, S. 48

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