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Zyto-Apotheker im Visier - mafiöse Strukturen?
Für die Apothekenbranche liefert der Artikel allerdings kaum Neues. Unter dem Titel "Die Krebs-Mafia" wärmt Spiegel-Autor Markus Grill zwielichtige Machenschaften rund um die Zytostatikaversorgung auf. Geschildert wird insbesondere das Geschäftsgebaren der Hamburger Firma Zyo Pharma. Diese habe mit Apothekern "Beraterverträge" geschlossen, die für die Pharmazeuten hochlukrativ waren. Ein Beispiel: Für Paclitaxel, das von Hexal zum offiziellen Apothekeneinkaufspreis von 1460,90 Euro (300 mg) zu haben sei, habe Zyo Pharma lediglich 600 Euro verlangt. Diese Differenz verspricht Raum für Rabatte – auch wenn Arzneimittelrabatte für Apotheken gemeinhin verboten sind. Doch für Zytostatika können die Preise zwischen Apotheken und Herstellern bzw. Großhändlern frei verhandelt werden. Welche Preise tatsächlich gelten, ist damit nur schwerlich zu durchschauen. Auch den "Beraterhonoraren" und Kick-back-Zahlungen ist daher kaum beizukommen. Der "Spiegel" berichtet von einer Apotheke in Königstein im Taunus, die von Mai 2006 bis April 2007 mehr als 38.000 Euro solcher Honorare eingestrichen haben soll. Eine Cottbusser Apotheke soll gar in einem einzigen Monat 10.591 Euro kassiert haben. Ein Pharmachef, der lieber anonym bleiben möchte, erklärt, dass man nur durch ein solches Vorgehen im Markt bleiben könne: "Würden wir als Erste die Preise massiv senken, wären wir einem Sturm der Apotheker ausgesetzt. Wir kämen in keine Apotheke mehr rein, weil wir die Preise kaputt machen". Diese Vorkommnisse werfen wahrlich kein gutes Bild auf Zyto-Apotheken – allerdings sind die Vorwürfe nicht neu. Der "Spiegel"-Bericht stützt sich auf Fälle aus den Jahren 2004 bis 2008. Die Staatsanwaltschaft ermittelt dem Magazin zufolge nicht nur gegen Zyo Pharma, sondern auch gegen die Herstellerbetriebe Ribosepharm und Oncosachs.
Graue: Gesetzgeber will Intransparenz
Bei "Spiegel online" findet sich zudem ein Interview mit Dr. Jörn Graue, dem Vorsitzenden des Hamburger Apothekervereins. Darin zeigt sich Graue gegenüber derartigen "Beraterverträgen" sehr skeptisch. Als "Wurzel des Übels" nennt er den Herstellerabgabepreis: Die Pharmafirmen müssten gemäß § 78 Arzneimittelgesetz dafür sorgen, dass ihre Präparate zu einem einheitlichen Preis in der Apotheke landen. Diese Vorschrift sei jedoch nicht strafbewehrt – eine "absurde Situation", die der Gesetzgeber dringend regeln müsse. "Dann wären viele Probleme gelöst", zitiert "Spiegel online" Graue. Mehr als skeptisch sieht er es zudem, dass Apotheken mit Herstellern bzw. Großhändlern seit 2009 die Preise für Zytostatikazubereitungen frei aushandeln können. Dies habe den Preismarkt vollkommen intransparent gemacht, mafiöses Verhalten sei dabei durchaus zu beobachten. Gegenüber der DAZ betonte Graue allerdings, dass diese Intransparenz politisch offensichtlich gewünscht sei. Dies sieht er nicht zuletzt durch die jüngst vom Bundesrat beschlossene Empfehlung zur anstehenden Novelle des Arzneimittelgesetzes belegt. Darin bitten die Länder die Bundesregierung zu prüfen, wie die Preisabschläge, die GKV-Spitzenverband und Hersteller nach den Vorgaben des AMNOG für neue Arzneimittel aushandeln, "vertraulich abgewickelt werden könnten, um unbeabsichtigte wirtschaftliche Effekte zu vermeiden". Befürchtetet wird eine Preiserosion, wenn die Rabatte transparent gemacht würden – schließlich ist Deutschland bei den Arzneimittelpreisen nach wie vor Referenzland für viele Länder. Graue zufolge ist der Politik daran gelegen, diese Referenzpreise hochzuhalten. Sie richte dabei ihren "Fokus einseitig auf die Interessen der Pharmaindustrie", sagte er gegenüber der DAZ. Auch bei Rabattverträgen über Generika steht die Geheimhaltung der Preisnachlässe bekanntlich nicht infrage. Diese Haltung ist für Graue auch auf Zytostatika übertragbar. Hier sei die Situation ähnlich wie bei den Rabattverträgen. Allerdings ohne gesetzliche Regelung und mit dem Unterschied, dass nicht die Krankenkasse die Preise bestimme.
VZA: Ausschreibungen abschaffen
Der Vorsitzende des Verbandes der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), Dr. Klaus Peterseim, wurde vom Spiegel-Bericht im Osterurlaub erwischt. Dennoch gab er eine Stellungnahme ab. Darin verweist er zunächst darauf, dass der Artikel größtenteils Sachverhalte aus der Vergangenheit darstelle, denen der Gesetzgeber im Jahr 2009 die Grundlage entzogen habe, indem er Rabatte auf Arzneimittel zur Zytostatika-Zubereitung wieder zuließ. Das Verbot zuvor habe durchaus zu fragwürdigen Konstruktionen geführt, räumt Peterseim ein. So hätten etwa die Gründung von Herstellungsbetrieben, Kick-back-Geschäfte und der Bezug über ausländische Großhandlungen bezweckt, das Rabattverbot zu umgehen. "Wo es daraus resultierende Verfahren aus der Vergangenheit noch gibt, sind sie juristisch abzuschließen und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen", sagt der VZA-Vorsitzende. Politischen Handlungsbedarf sieht er in diesem Punkt nicht. Peterseim betont vielmehr, dass Hersteller und Apotheken gegenüber den Krankenkassen über ihre Einkaufspreise per Gesetz auskunftspflichtig, seit diese frei verhandelt werden können. Die Kassen nutzten dies in großem Umfang, sodass die Zytostatika herstellenden Apotheker aktuell nur noch 75 Prozent des Listenpreises erhielten. Die mit der 15. AMG-Novelle eingeführte und gegenwärtig gültige gesetzliche Regelung sei "richtig und passend".
Auf der politischen Agenda steht für den VZA allerdings weiterhin die Forderung, Zytostatika-Ausschreibungen abzuschaffen. Seine diesbezüglichen Bemühungen sieht er durch die Spiegel-Berichterstattung konterkariert. Peterseim betont erneut, dass Herstellungsbetriebe besonders anfällig für juristisch fragwürdige Geschäftsmodelle seien. Dabei verweist er erneut auf den Hauptgewinner der ersten Zyto-Ausschreibung der AOK-Berlin Brandenburg. Der Herstellungsbetrieb, der die bezuschlagten Apotheken belieferte stehe "offensichtlich kurz vor der Anklageerhebung". Der Vorwurf: Das Unternehmen soll Ärzten Schmiergelder gezahlt haben, wenn sie bei ihm bestellten. Gemeint ist die Leipziger Firma Oncosachs – einst im Besitz einer Apothekerfamilie, die das Unternehmen jedoch vor einem guten Jahr an die GHD GesundHeits GmbH verkauft hat.
Graue sieht die derzeitigen regionalen Zytostatika-Ausschreibungen der AOK Nordost und der Barmer GEK noch unter einem weiteren Gesichtspunkt kritisch: Die Kassen versuchten weitere Ressourcen zu heben, ließen dabei aber das Patientenwahlrecht außer Acht. Dieses dürfe jedoch nicht ausgehebelt werden. Letztlich warnen Peterseim wie auch Graue vor einer Oligopolisierung des Marktes. "Eine Versorgung aus wenigen Zentren setzt die von Apotheken garantierte ortsnahe und flächendeckende Versorgung aufs Spiel und führt zu weiterer Intransparenz". Für den VZA gehören Ausschreibungen daher mehr denn je abgeschafft.
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