Arzneimittel und Therapie

Zulassungserweiterung für Bevacizumab

Länger progressionsfrei leben mit Ovarialkarzinom

Wegen einer meist späten Diagnosestellung und des hohen Rezidivrisikos ist die Prognose beim Ovarialkarzinom schlecht. In fortgeschrittenen Stadien erfolgt nach einer Erstoperation grundsätzlich eine Chemotherapie mit zwei Zytostatika. Aufgrund der Ergebnisse von zwei Studien, wonach der Angiogenesehemmer Bevacizumab (Avastin®) das progressionsfreie Überleben nach Diagnosestellung um wenige Monate verlängerte, hat die EMA das Präparat jetzt als Zusatz zur Chemotherapie für die Behandlung von neu diagnostizierten Ovarialkarzinom zugelassen.

Mehr als 8000 Frauen erkranken in Deutschland jedes Jahr an einem Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom), der zu den aggressivsten Tumoren zählt. Das Durchschnittsalter der Patientinnen liegt bei etwa 65 Jahren, es sind aber auch viele jüngere Frauen betroffen. Aufgrund der häufig unspezifischen Symptome wie gastrointestinale Beschwerden, Leistungsminderung oder Blutungsstörungen erfolgt eine Diagnosestellung meist vergleichsweise spät. Für die Prognose des Ovarialkarzinoms ist die Vollständigkeit der Tumorreduktion bei der Erstoperation von entscheidender Bedeutung. Insgesamt beträgt die Fünf-Jahres-Überlebenrate nur etwa 40%. Allerdings konnten die Therapieergebnisse in den letzten Jahren deutlich verbessert werden.

Keine Verlängerung der Gesamtüberlebensrate

Ovarialkarzinome sprechen in der Regel gut auf eine Chemotherapie an. In fortgeschrittenen Stadien erfolgt nach einer Erst operation grundsätzlich eine Polychemotherapie. Diese kann beispielsweise mit Cisplatin plus Paclitaxel oder Carboplatin plus Cyclophosphamid erfolgen.

In zwei vom Hersteller Roche cogesponserten Studien konnte eine verlängerte progressionsfreie Überlebensrate unter einer Chemotherapie mit zusätzlicher Bevacizumab-Therapie nach einem neu diagnostizierten Ovarialkarzinom nachgewiesen werden. In der Studie GOG 0218 des National Cancer Institute, an der nahezu 1900 Patientinnen teilnahmen, wurde das progressionsfreie Überleben von 10,3 Monaten unter einer Chemotherapie mit Paclitaxel plus Carboplatin auf 11,2 Monate unter der gleichen Chemotherapie mit anfänglicher Bevacizumab-Therapie verlängert. Unter der gleichen Chemotherapie mit begleitender Bevacizumab-Langzeittherapie konnte eine progressionsfreie Überlebenszeit von 14,1 Monaten erzielt werden. Eine Verlängerung der Gesamtüberlebensrate unter der Co-Therapie mit Avastin konnte nicht nachgewiesen werden.

In der vom britischen Medical Research Council geleiteten offenen ICON7-Studie mit mehr als 1500 Patientinnen wurde unter einer Chemotherapie mit Paclitaxel plus Carboplatin und zusätzlicher Bevacizumab-Therapie, das begleitend zur Chemotherapie bis zur Tumorprogression appliziert wurde, eine progressionsfreie Überlebensrate von 19,0 Monaten erzielt. Ohne diese zusätzliche Therapie betrug die Rate 17,3 Monate. Noch ist unklar, ob mit der begleitenden Bevacizumab-Therapie auch noch eine Verlängerung der Gesamtüberlebensrate einhergeht. Trotz des fehlenden Nachweises hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA Bevacizumab jetzt als Zusatz zur Chemotherapie für die Behandlung von Eierstockkrebs zugelassen. Allerdings kam es unter der zusätzlichen Bevacizumab-Therapie auch zu einer Zunahme unerwünschter Wirkungen. In den Studien lag die Rate an tödlichen Nebenwirkungen bei 2,8 bzw. 2,6% gegenüber der alleinigen Chemotherapie (1,2%). Durch Darmperforationen oder Hirnblutungen kam es in der ICON7-Studie zu mehreren Todesfällen. Der monoklonale Antikörper Bevacizumab wird in der Onkologie zwar zur Behandlung einer Vielzahl von Tumoren eingesetzt, er ist aber nicht unumstritten. So wird in den USA bezweifelt, dass Bevacizumab bei Brustkrebs eine sichere und effektive Therapieoption ist: die FDA hat dem Angiogenesehemmer die Zulassung für diese Indikation entzogen.


Quelle

Burger, R.A.; et al.: Bevacizumab in the Treatment of Ovarian Cancer. N Engl J Med (2011) 365(26): 2473 – 2483.

Roche medicine Avastin receives EU approval for the treatment of women with newly diagnosed, advanced ovarian cancer. Pressemitteilung vom 23. Dezember 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2012, Nr. 1, S. 40

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