- DAZ.online
- DAZ / AZ
- AZ 39/2012
- Nachhaltiges Qualitä...
Management
Nachhaltiges Qualitätsmanagement in der Apotheke
Die Reklamation als Chance zur Qualitätssteigerung
"Hilfe – der Kunde beschwert sich!" Nur allzu leicht rutscht man da in die Rechtfertigungsfalle und versucht, die Beschwerde durch alle möglichen Reaktionen und Entschuldigungen aus der Welt zu schaffen. Und genau damit hat man eine wertvolle Chance, aus Fehlern zu lernen und sich zu verbessern, vertan. Entscheidend ist der konstruktive Umgang mit dem verärgerten Kunden und seiner Kritik. Reklamationen dürfen nicht verschwiegen oder unter den Teppich gekehrt, sondern sollten als Quelle der Qualitätsverbesserung interpretiert werden. Dazu ist eine bestimmte Einstellung notwendig.
Nehmen wir an, die Apotheke unterhält einen Botendienst und liefert Medikamente nach Hause. Wenn dabei einiges nicht funktioniert, beschwert sich der Kunde direkt bei dem Boten. So bemängelt er, dass die Lieferung trotz Absprache immer wieder zu spät erfolgt. Oder dass die Hinweise, die Medikamente beim Nachbarn abzugeben, nicht eingehalten wurden. Der Bote aber hat vielleicht eine unvollständige Adressenliste oder keine Informationen zu dem Kunden.
Wie kann der Bote reagieren? Zum einen kann er das Problem verschweigen, weil er befürchtet, für den Fehler verantwortlich gemacht zu werden. Diese Reaktion ist nicht nur fatal, sondern die denkbar schlechteste. Denn es geht zuallererst um die Kundenzufriedenheit, und da müssen gemeinsam Wege gefunden werden, um zukünftig Fehler zu vermeiden.
Herrscht in der Apotheke ein Klima der ständigen Qualitätsverbesserung, wird der Fahrer die Reklamation im Qualitätshandbuch eintragen. "Das Qualitäts-Tagebuch ist somit ein wichtiger Baustein eines umfassenden Qualitätsmanagementsystems", betont Evelyn Rosewich, Beraterin für Qualitätsmanagement in Apotheken (www.a-wie-apotheke.de).
Das Prinzip: Lob und Kritik machen klug
Der Hintergrund: "Seit Juli 2012 sind die Apotheken verpflichtet, ein Qualitätsmanagementsystem vorzuhalten", führt Apotheken-Beraterin Rosewich aus. Sie erläutert das QM-Tagebuch-Prinzip so: "Ob Lob, Tadel, Fehler, Lösungen, Fragen oder Ergänzungen, die man nicht vergessen will, Ärger, Freude und was sonst noch im Alltag vorkommt: All dies wird in dem Qualitätstagebuch notiert, Stichworte genügen. Die Eintragungen bilden die Grundlage für Qualitätsverbesserungen, die in der Teamsitzung gemeinsam diskutiert und festgelegt werden." Dies funktioniert umso besser, je offener die Menschen in der Apotheke für folgende Einsichten sind:
Es sind gerade die alltäglichen "kleinen", oft unscheinbaren Ereignisse in der Apotheke, die die Möglichkeit eröffnen, etwas noch besser zu machen.
Stärken müssen gestärkt werden. Wenn etwas gut läuft und funktioniert, ist trotzdem ein weiterer Schritt nach vorn möglich.
Auch von Positiv-Beispielen können die Kollegen in der Apotheke profitieren: Wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel im Qualitätstagebuch notiert hat, wie es ihm gelungen ist, im Beratungsgespräch durch aktives Zuhören einen Zusatzverkauf zu tätigen, bedeutet dies eine Lernchance für alle Mitarbeiter. Nur: Sie müssen davon erst einmal erfahren.
Durch Positiv-Beispiele wird man sensibilisiert – und durch Fehler wird man klug.
Der Wille zur Qualitätsverbesserung – erste Überlegungen
|
Apotheker als Moderator der Qualitätsverbesserung
Jeder ist gleichermaßen aufgefordert, kurze Notizen unter dem Tagesdatum im Qualitätstagebuch einzutragen, damit Abläufe und Prozesse stetig verbessert werden können. Aufgabe des Apothekers ist es, aus den Notizen Themen abzuleiten, die in der Teamsitzung besprochen werden. Oft muss er dabei die in den Notizen versteckten Goldadern erst entdecken. Denn zunächst sind es nur mit Datum versehene Gedankensplitter. Lösungsvorschläge müssen im Team erörtert und erarbeitet werden.
Dazu ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin baut zu einem Kunden eine Beziehung auf, indem sie sich mit ihm darüber unterhält, dass beide einen Pflegefall in der Familie haben. Die Mitarbeiterin hat einen pflegebedürftigen Großvater, der Kunde pflegt seine Mutter. Über diese Gemeinsamkeit ist im Gespräch ein Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Mitarbeiterin entstanden und gewachsen. Die Folge: Der Kunde möchte nun immer von dieser Mitarbeiterin beraten und bedient werden. Die Mitarbeiterin hat dazu die Fakten mit einem Spezialhinweis auf der Kundenkarte notiert. Sie bittet die anderen, die Vertraulichkeit zu respektieren.
Der Apotheker erkennt die Chance, ein wichtiges Qualitätsmerkmal zu verbessern: Er weist das Team darauf hin, wie ausschlaggebend es ist, Vertrauen zum Kunden aufzubauen, indem Gemeinsamkeiten entdeckt und im Gespräch thematisiert werden. So kann einerseits die Kundenorientierung erhöht werden – der Kunde fühlt sich wohl in der Apotheke – , andererseits weist diese Vorgehensweise auch einen wirtschaftlichen Aspekt auf: Die Menschen bleiben der Apotheke "ihres Vertrauens" treu, suchen sie immer wieder auf und sorgen für Umsatz.
"Qualität darf nicht quälen"
Apotheker, die das Qualitätstagebuch einsetzen, berichten über positive Erfahrungen, so Evelyn Rosewich. "Das Tagebuch wird nicht als Kontrollinstrument gesehen, sondern als Möglichkeit, sich selbst und die eigenen Erlebnisse, Erkenntnisse und Erfahrungen in den Qualitätsverbesserungsprozess einzubringen. Qualität darf nicht quälen. Richtig und überzeugend eingeführt, betont es die Verantwortung jedes Teammitgliedes für den QM-Prozess."
Nach einer Eingewöhnungsphase wird das Qualitätstagebuch genutzt, um über die eigene Arbeit bewusster zu reflektieren und nachzudenken – und auch die interne Kommunikation zu verbessern.
Der Apotheker kann dies unterstützen, indem er klarstellt: Qualität spielt sich ab in dem Viereck "Apotheker – Mitarbeiter – Kunde – Apothekenabläufe". Die Beziehungen zwischen diesen vier Koordinaten entscheiden darüber, ob ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Apothekenteam und Apotheker auf der einen und zwischen Team und Kunde auf der anderen Seite entsteht.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.